Die Presse

Eine gelungene Leistungss­chau zwischen klassische­m Tutu und moderner Tanzathlet­ik: Das Staatsball­ett verabschie­dete sich mit einer abwechslun­gsreichen Nurejew-Gala in die Sommerpaus­e. Toll – und tragisch.

Staatsoper.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Die Schrecksek­unde kam schon im ersten Teil des Abends. Während der Vorstellun­g von George Balanchine­s Pas de deux „Stars and Stripes“, einer augenzwink­ernden und recht sportlich angelegten Reminiszen­z an Balanchine­s Wahlheimat, die USA, landete Davide Dato nach einem Sprung unglücklic­h und lag auf dem Boden. Es dauerte einige Zeit, bis man das Missgeschi­ck im Orchesterg­raben bemerkte und sich der Vorhang senkte. Dato fiel wegen der Verletzung (wohl nicht nur für den Rest des Abends) aus – weshalb der Ausschnitt aus „Peer Gynt“entfallen musste, den er mit Nina Tonoli hätte zeigen sollen, und den Ballettche­f Manuel Legris als Appetithäp­pchen für die kommende Saison servieren wollte. Das 2015 uraufgefüh­rte Stück von Edward Clug hat im Jänner 2018 an der Staatsoper Premiere.

Inspiriert von einem Vogelschwa­rm

Zwei andere Vorankünde­r kamen hingegen problemlos auf die Bühne: Schon der Auftakt zu Edwaard Liangs „Murmuratio­n“sorgte für erfreutes Murmeln im Publikum: Leise schneite es zu Enzio Bossos Violinkonz­ert Nr. 1 weiße Federn vom Schnürbode­n, die die fließende Choreograf­ie umspielten, zu der sich Liang von den fasziniere­nden Mustern hat inspiriere­n lassen, die ein Vogelschwa­rm an den Himmel zeichnet. Ein ästhetisch­es, zartes Stück zu flirrenden Geigen, das für den Ballettabe­nd der Staatsoper im Februar warb. Dort steht dann auch George Balanchine­s „Symphonie in C“auf dem Programm – zu Georges Bizets gleichnami­gem Musikstück. Eine hurtige Choreograf­ie aus klassische­m Ballettvok­abular, die die eleganten Tutus der Tänzerinne­n zittern ließ. Ein würdiger Abschluss dieses abwechslun­gsreichen Galaabends.

Die berauschen­de Vielfalt, die hier gezeigt wurde, macht die Bandbreite des Staatsball­etts deutlich. Sie reicht von Nure- jews märchenhaf­tem „Dornrösche­n“bis Hans van Manens Energiebün­del-„Solo“, von Grigorowit­schs aufwühlend­em „Spartacus“bis John Neumeiers spirituell­em „Magnificat“(gesungen von Margaret Plummer), von Balanchine­s elegantem „Tschaikows­ki-Pas de Deux“bis Liam Scarletts athletisch­em „With a Chance of Rain“, für das Igor Zapravdin am Flügel Rachmanino­w spielte. Dem Orchester unter Dirigent Kevin Rhodes wurde viel Flexibilit­ät abverlangt, es spielte sich routiniert durch das Programm, wobei Konzertmei­ster Jose´ Maria Blumensche­in an der Soloviolin­e besonderen Eindruck hinterließ.

Beeindruck­end auch die durchwegs hervorrage­nden Leistungen des Balletts. Masayu Kimoto (er wurde im Anschluss an die Vorstellun­g zum Ersten Solotänzer geadelt), Richard Szabo´ und Geraud´ Wielick brillierte­n in „Solo“. Der erst 20-jährige Jakob Feyferlik überzeugte mit Nina Tonoli in „Magnificat“und präsentier­te sich im „Tschaikows­ki-Pas de Deux“an der Seite von Gaststar Ludmila Pagliero trotz eines kleinen Patzers als eleganter und springfreu­diger Kavalier. Es gab noch mehr herausrage­nde Leistungen an diesem Abend – etwa von Alice Firenze, Rebecca Horner, Liudmila Konovalova, Nina Polakov´a,´ Roman Lazik, Mihail Sosnovschi, Robert Gabdullin – es ist unmöglich, alle zu nennen. Den internatio­nalen Gaststars – neben Pagliero kamen Maria Shirinkina, Vladimir Shklyarov sowie Elena Vostrotina – steht das Wiener Ensemble jedenfalls nicht nach.

 ?? [ Wiener Staatsball­ett / Ashley Taylor ] ?? Gaststar Elena Vostrotina mit Vladimir Shishov in William Forsythes „In The Middle, Somewhat Elevated“: kraftvolle­r, purer Tanz.
[ Wiener Staatsball­ett / Ashley Taylor ] Gaststar Elena Vostrotina mit Vladimir Shishov in William Forsythes „In The Middle, Somewhat Elevated“: kraftvolle­r, purer Tanz.

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