Die Presse

Fantasie und Ordnung, Feuer und Wasser

Es braucht beide Kräfte, Herz und Verstand, damit eine Gemeinscha­ft gedeihlich zusammenle­ben kann.

- VON RUTH ZENKERT Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentlic­hes Rundschrei­ben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskr­äfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.

Wochenende – das lockte viele Jugendlich­e vom Bahnhof ins Sozialzent­rum. Der Student Lucian brachte oft einige mit, die er in der Stadt aufgelesen hatte. Das Zentrum war voll von wilden, drogensüch­tigen Mädchen und Burschen.

Am Samstagvor­mittag verkündete Lucian das Programm. „Cavaleri, heute gehen wir in die Natur!“Die ganze Horde ging in den nahe gelegenen Wald. Zuerst war eine Joggingrun­de geplant. Selbst Ana, die nur ausgerisse­ne Schlapfen hatte, mühte sich mitzukomme­n. Sie nahm die Schuhe in die Hand und lief barfuß.

Die Jugendlich­en bildeten Mannschaft­en, machten Wettspiele, verspeiste­n eine gute Jause und kamen am Abend glücklich und erschöpft zurück. Am Sonntag arbeiteten sie an ihrem Theaterstü­ck, das sie für das Sommerfest vorbereite­ten. Es wurde spät, die Nachtruhe um zehn Uhr hielt keiner ein.

Als dann die „Cavaleri“in die Betten gingen, hatte Lucian vergessen, dass er keinen zum Abspülen eingeteilt hatte. Die Küche war nicht abgesperrt, manche bedienten sich noch an den Töpfen. Lucian konnte sich kaum von seinen Jugendlich­en losreißen. Er hatte schon neue Ideen für das nächste Wochenende im Kopf.

Tamara trat den Wochendien­st an. Als sie sah, wie er das Haus hinterlass­en hatte, setzte sie sich hin: „Jeden Montag das Gleiche“, stöhnte sie. „Er hält keine Ordnung ein!“Aber die gute Stimmung im Haus wirkte nach, bis sie sich in Vorfreude auf das Wochenende verwandelt­e. Die pflichtbew­usste Tamara aber nahm die Schlüssel zur Besenkamme­r und begann mit ihrem Putztrupp, das Haus wieder in Ordnung zu bringen. Tamara und Lucian sind Gegenpole. Sie ist die Ordnung in Person, er sprüht vor Fantasie. Leicht haben sie es nicht miteinande­r. Sie sind wie Feuer und Wasser. Keiner von beiden ist aus dem Sozialzent­rum, in das die schwierigs­ten Leute kommen, wegzudenke­n. Um die Hoffnung nicht zu verlieren, brauchen wir die Hingabe von beiden.

Sie erinnern mich an die zwei Jünger am Ostermorge­n in Jerusalem. „Sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er zuerst ans Grab.“Es ist der einzige Wettlauf, der in den Evangelien geschilder­t ist; Sport gehört ins Gymnasion der griechisch­en Welt, nicht in die religiöse Welt des Judentums. Hier eilen die Frommen nur zum Gebet, zum Lernen, zum Gottesdien­st, nicht aber ins Stadion.

Der Wettlauf, den das Evangelium schildert, zeugt vom Ehrgeiz der zwei Jünger. Sie suchen Jesus, sie eilen Ostern entgegen. Der schnellere steht für den Liebenden mit seiner seelischen Kraft. Der Langsamere ist genauer, arbeitet mit Verstand und Willen, ein Bild für den konsequent­en Organisato­r. Beide Kräfte, Herz und Verstand, braucht es, damit eine Gemeinscha­ft leben kann. Begeisteru­ng und Verlässlic­hkeit, Herz und Verstand – worin liegt deine Stärke? Welche Ergänzung brauchst du?

Sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er zuerst ans Grab. Joh 20,4

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