Fantasie und Ordnung, Feuer und Wasser
Es braucht beide Kräfte, Herz und Verstand, damit eine Gemeinschaft gedeihlich zusammenleben kann.
Wochenende – das lockte viele Jugendliche vom Bahnhof ins Sozialzentrum. Der Student Lucian brachte oft einige mit, die er in der Stadt aufgelesen hatte. Das Zentrum war voll von wilden, drogensüchtigen Mädchen und Burschen.
Am Samstagvormittag verkündete Lucian das Programm. „Cavaleri, heute gehen wir in die Natur!“Die ganze Horde ging in den nahe gelegenen Wald. Zuerst war eine Joggingrunde geplant. Selbst Ana, die nur ausgerissene Schlapfen hatte, mühte sich mitzukommen. Sie nahm die Schuhe in die Hand und lief barfuß.
Die Jugendlichen bildeten Mannschaften, machten Wettspiele, verspeisten eine gute Jause und kamen am Abend glücklich und erschöpft zurück. Am Sonntag arbeiteten sie an ihrem Theaterstück, das sie für das Sommerfest vorbereiteten. Es wurde spät, die Nachtruhe um zehn Uhr hielt keiner ein.
Als dann die „Cavaleri“in die Betten gingen, hatte Lucian vergessen, dass er keinen zum Abspülen eingeteilt hatte. Die Küche war nicht abgesperrt, manche bedienten sich noch an den Töpfen. Lucian konnte sich kaum von seinen Jugendlichen losreißen. Er hatte schon neue Ideen für das nächste Wochenende im Kopf.
Tamara trat den Wochendienst an. Als sie sah, wie er das Haus hinterlassen hatte, setzte sie sich hin: „Jeden Montag das Gleiche“, stöhnte sie. „Er hält keine Ordnung ein!“Aber die gute Stimmung im Haus wirkte nach, bis sie sich in Vorfreude auf das Wochenende verwandelte. Die pflichtbewusste Tamara aber nahm die Schlüssel zur Besenkammer und begann mit ihrem Putztrupp, das Haus wieder in Ordnung zu bringen. Tamara und Lucian sind Gegenpole. Sie ist die Ordnung in Person, er sprüht vor Fantasie. Leicht haben sie es nicht miteinander. Sie sind wie Feuer und Wasser. Keiner von beiden ist aus dem Sozialzentrum, in das die schwierigsten Leute kommen, wegzudenken. Um die Hoffnung nicht zu verlieren, brauchen wir die Hingabe von beiden.
Sie erinnern mich an die zwei Jünger am Ostermorgen in Jerusalem. „Sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er zuerst ans Grab.“Es ist der einzige Wettlauf, der in den Evangelien geschildert ist; Sport gehört ins Gymnasion der griechischen Welt, nicht in die religiöse Welt des Judentums. Hier eilen die Frommen nur zum Gebet, zum Lernen, zum Gottesdienst, nicht aber ins Stadion.
Der Wettlauf, den das Evangelium schildert, zeugt vom Ehrgeiz der zwei Jünger. Sie suchen Jesus, sie eilen Ostern entgegen. Der schnellere steht für den Liebenden mit seiner seelischen Kraft. Der Langsamere ist genauer, arbeitet mit Verstand und Willen, ein Bild für den konsequenten Organisator. Beide Kräfte, Herz und Verstand, braucht es, damit eine Gemeinschaft leben kann. Begeisterung und Verlässlichkeit, Herz und Verstand – worin liegt deine Stärke? Welche Ergänzung brauchst du?
Sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er zuerst ans Grab. Joh 20,4