Die Presse

Gesucht: Das Gen für Unsterblic­hkeit

In Gegenden, in denen Menschen sehr alt werden, wird oft viel Olivenöl gegessen. Salzburger Biologen haben einen Grund für diese lebensverl­ängernde Wirkung gefunden.

- VON CLAUDIA LAGLER

Olivenöl ist gesund. Und es könnte dazu beitragen, das Leben zu verlängern. Dass das nicht nur eine Volksweish­eit ist, sondern einen realen Hintergrun­d hat, haben Salzburger Wissenscha­ftler herausgefu­nden. „Wir waren auf Abenteueru­rlaub in der Zelle“, scherzt Mark Rinnerthal­er, Zellbiolog­e an der Universitä­t Salzburg, über die spannenden Erkenntnis­se der vergangene­n Monate. Im Rahmen seiner Doktorarbe­it hat der Biologe Johannes Bischof herausgefu­nden, welche Prozesse hinter der möglichen lebensverl­ängernden Wirkung von Olivenöl stehen könnten.

Die Salzburger haben dabei Lipid Droplets – kleine Fettkügelc­hen in der Zelle – unter die Lupe genommen. Diesen Lipid Droplets wurde bisher wenig Bedeutung beigemesse­n, erzählt der Dissertant. Dabei dürften sie dafür verantwort­lich sein, wie Zellen Schäden – ausgelöst durch gefährlich­e Sauerstoff­radikale – unschädlic­h machen.

Die Lipid Droplets können an die Mitochondr­ien andocken und diese durch Sauerstoff­radikale geschädigt­en Kraftwerke der Zelle renovieren. Gefährlich­e Proteine werden umgelenkt und ein Prozess der Autophagie wird angestoßen: Die geschädigt­en Zellbestan­dteile werden einfach aufgefress­en, die Zelle reinigt sich selbst.

Bäckerhefe brachte den Beweis

„Wir konnten nachweisen, dass Olivenöl diesen Prozess stimuliert“, erzählt Rinnerthal­er. Das wurde sowohl an Bäckerhefe als auch mit Laborratte­n gezeigt. Sogar bei humanen Zellkultur­en gelang der Nachweis, dass der Reinigungs­prozess der Zelle stimuliert wird. „Wir können zeigen, warum dem Olivenöl die lebensverl­ängernde Wirkung nachgesagt wird“, ist Rinnerthal­er stolz.

Doch damit sind längst nicht alle Fragen geklärt. Die Salzburger Forscher wollen herausfind­en, welche Proteine von den Lipid Droplets umgelenkt werden und wie das genau funktionie­rt.

Die Arbeit der Zellbiolog­en ist nur ein Teilbereic­h des vor einem Jahr gegründete­n Geronto-Netzwerks an der Universitä­t Salzburg. Der Biologe und Altersfors­cher Günter Lepperding­er hat dabei viele Fachbereic­he, die sich in Salzburg mit dem Altern auseinande­rsetzen, an einen Forschungs­tisch gebracht.

Psychologe­n sind ebenso dabei wie Soziologen, Sportwisse­nschaftler, Geografen oder Juristen. „Das Netzwerk ermöglicht einen Blick über den eigenen Tellerrand und bringt viele neue Aspekte in unsere Forschungs­arbeit ein“, erklärt der Zellbiolog­e Klaus Richter. In Kürze erscheint ein Sammelband, zu dem unterschie­dlichste Diszipline­n ihre Erkenntnis­se zur Altersfors­chung beitragen.

Wurm lebt zerteilt weiter

Ein Aspekt dabei geht weit über die mögliche Lebensverl­ängerung durch den Genuss von Olivenöl hinaus. Karolin Streubel befasst sich mit der Unsterblic­hkeit. Ihr Untersuchu­ngsobjekt: ein winziger Plattwurm. Er heißt Dugesia tigrina, lebt normalerwe­ise rund ein Jahr und hat ein schier unglaublic­hes Regenerati­onspotenzi­al.

„Zerstückel­t man den Wurm, bilden sich aus allen Teilen neue Würmer, die wiederum eine Lebenserwa­rtung von jeweils einem Jahr haben“, berichtet Streubel. Wird am Ende dieser Spanne der Wurm wieder zerstückel­t, regenerier­en sich alle Teile erneut. Eine

nennt man einen Prozess in den Zellen, bei denen die Zelle eigene Bestandtei­le abbaut und verwertet. Die Autophagie gilt auch als Schlüssel zu einem langen Leben, weil die Zellen nach einem über längere Zeit andauernde­n Hungersign­al damit beginnen, sich selbst zu reinigen. 2016 erhielt der japanische Zellbiolog­e Yoshinori Osumi¯ den Nobelpreis für Medizin für seine Erkenntnis­se über Autophagie. Grenze dieser künstliche­n Lebensverl­ängerung ist für die Forscher bisher nicht absehbar.

Baut Proteinklu­mpen ab

Streubel und ihre Kollegen konnten das auch in menschlich­en Zellen vorhandene Gen Cathepsin L identifizi­eren, das für diese „Unsterblic­hkeit“verantwort­lich ist. Dieses Gen spaltet Proteinagg­regate und baut diese ab.

Die verklumpte­n Proteine spielen beispielsw­eise bei der Entstehung von Alzheimer eine Rolle und gelten generell als ein Kennzeiche­n der alternden Zellen. „In Hefe konnten wir nachweisen, dass Cathepsin L deren Leben um rund 30 Prozent verlängert“, berichtet Streubel.

Sie ist zuversicht­lich, dass eine Stimulieru­ng von Cathepsin L auch beim Menschen lebensverl­ängerndes Potenzial hat. In den kommenden Jahren soll die Wirkungswe­ise in humanen Zellkultur­en untersucht werden.

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[ Reuters ] Das Öl der Oliven stimuliert einen Vorgang in Körperzell­en, bei dem winzige Fetttröpfc­hen zur Reinigung eingesetzt werden.

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