Wazn Teez? An Plumpse!
Malewitsch bis Magritte, Mondrian bis Keith Haring – es wimmelt von Kunst in „Kunst mit Torte“. Und doch hat dieses wortlose Buch so gar nichts mit krampfhafter Bildungsarbeit an Kindern zu tun. Der 1933 in Indonesien geborene niederländische Zeichner The´ Tjong-Khing, zweifellos einer der besten zeitgenössischen Kinderbuchmacher der Welt, erzählt darin von Kunstraub und einer Verfolgungsjagd – in deren Szenerien sich die anfangs im Museum zu sehenden Kunstwerke verselbstständigt haben. Wie immer in seinen Kunst- und Suchbüchern versteckt er unzählige erzählerische Details, die sich nur genauer Beobachtung und mit vielem Vorund Zurückblättern erschließen. „Kunst mit Torte“ist fast so gut wie etwa der berühmte Vorgänger „Die Torte ist weg“oder das grandiose „Hieronymus“, das mit Stil und Figuren aus der Welt des Hieronymus Bosch spielt. Legen Sie letzteres Buch zu Hause auf die Couch und schauen Sie, was Kinder aller Altersklassen damit machen; Sie werden übrigens auch merken: Wenn es um Bilder geht, sind sie die besseren Leser. The´ TjongKhing: „Kunst mit Torte“. Ab vier Jahren. 32 S., 14,40 € (Moritz Verlag). Jugendbücher über die Freundschaft zwischen Mensch und Tier gibt es viele, doch mit seiner Ernsthaftigkeit und emotionalen Tiefenschärfe gehört „Mein Freund Pax“zu dem Besten, was die Literatur in diesem Genre hervorgebracht hat. Zwei parallel geführte Entwicklungsgeschichten – die eines Fuchses und eines Buben – werden aus deren Perspektive abwechselnd erzählt. Peter reißt im Krieg aus dem Haus seines Großvaters aus und macht sich auf die Suche nach dem Fuchs Pax, mit dem er seit dessen Welpenzeit verbunden ist und den sein Vater nun im Wald ausgesetzt hat. Sara Pennypacker, die zu den bekanntesten Kinderbuchautoren Nordamerikas zählt, variiert in diesem Roman das Thema von Jack Londons Buch „Ruf der Wildnis“, in dem ein Hund sich in ein Wildtier zurückverwandelt. Je mehr sie über die Rotfüchse in Erfahrung gebracht habe, „desto größer wurde meine Bewunderung für diese Tiere, und desto stärker wurde meine Entschlossenheit, sie respektvoll zu porträtieren“, schreibt die Autorin im Nachwort. Das Ergebnis ist nicht nur literarisch, sondern auch emotional anspruchsvoll (ab zehn Jahren, gibt der Verlag an, „Die Presse“empfiehlt etwas später) und von Jon Klassen wundervoll illustriert. Sara Pennypacker, Jon Klassen: „Mein Freund Pax“. Ab zehn Jahren. 302 S., geb., 17,50 € (Sauerländer Verlag). „An dich auf der anderen Seite vom Horizont . . .“Schullektüre in Japan ist die herzerfrischende Geschichte von der einsamen Giraffe, die beschließt, einen Brief zu schreiben. Postbote Pelikan soll ihn dem ersten Tier übergeben, das ihm am Horizont begegnet. Der Glückliche heißt Pinguin und wird aus allen möglichen Gründen neugierig („Ich bin berühmt für meinen langen Hals“, steht im Brief – was ist, und noch dazu bei einem Pinguin, ein Hals?!). Er schreibt zurück, zum Beispiel über das seltsame Wasser, das sein Blau verliert, wenn man es in einen Kübel füllt („wahrscheinlich ist es der Eimer, der seltsam ist“). Aus Brieffreundschaft wird Freundschaft, und auch wenn der Versuch von Giraffe, sich dabei als Pinguin zu verkleiden, spektakulär danebengeht – sie ist dem neuen Freund ohnehin gerade recht, so, wie sie ist. Entzückend illustriert und perfekt zum Selber- lesen für Erstleser geeignet. Megumi Iwasa, Jörg Mühle: „Viele Grüße, deine Giraffe“. Ab fünf Jahren. 112 S., geb., 11,30 € (Moritz Verlag). „Wazn teez?“leuchtet ja noch ein, wenn ein Käfer vor einem unbekannten Ding steht, auch „An Sprossel!“ist schnell als Begeisterungsruf angesichts einer herangebrachten Leiter identifiziert. Schwieriger wird es, wenn der eine Käfer vor einer Pflanze sagt: „Mi mori an Plumpse!“, worauf der andere erwidert: „Mi nanüt!“. Beim Ausruf „Miwinse Forzung!“rätseln wir immer noch . . . Hinreißend gezeichnet ist dieses Kinderbuch in Fantasiesprache, in dem sich Käfer und Libellen in einer Blume ein Haus bauen. Es stammt von der US-amerikanischen Illustratorin Carson Ellis, die außerhalb von Portland, Oregon, auf dem Land zwischen Hennen, Pferden und Wald wohnt. Ihre Liebe zur Natur ist in den liebevollen Zeichnungen spürbar, ihre Lust an der Sprache in den kurzen Dialogen – das Rätseln darüber ist nicht nur für Kinder vergnüglich und inspirierend! Damit deutschsprachige Kinder freilich überhaupt rätseln können, musste die vom Englischen inspirierte Fantasiesprache („Du Iz Tak?“heißt das Buch im Original) in eine „deutsche“übersetzt werden; gemacht haben das der bekannte Kabarettist Jess Jochimsen und die Theaterregisseurin Anja Schöne. Carson Ellis: „Wazn Teez?“Ab fünf Jahren. 48 S., geb., 16,50 € (NordSüd Verlag). Wunderzart und nostalgisch gezeichnet ist das Buch „Großvaters Bäume“. Wir erfahren darin von einem Buben, der vor langer Zeit aufwuchs und gern Gartenbaukunst studiert Ob Strudlhofstiege oder Mietshaus: Anhand eines Bauwerks lässt sich Gesellschaftsgeschichte erzählen. In „Der Jakubijan-Bau“des Ägypters Alaa al-Aswani ist es ein Mietshaus in Kairo, im demnächst erscheinenden Roman „Das Weiszeithaus“von Holger Siemann ein Berliner Mietshaus. Filmemacher Ettore Scola ließ in „La famiglia“80 Jahre Familienleben in einer einzigen Wohnung spielen. Das Kinderbuch „Ein altes Haus in Moskau“beruht ebenfalls auf dem Kunstgriff, durch die Einheit des Ortes das Vergehen der Zeit sichtbar zu machen, zugleich das Kleine als anschaulichen Spiegel des Großen zu nutzen. Dieses Große – das sind hier hundert Jahre russische Geschichte, erzählt anhand des Lebens der Familie Muromzew. Da sieht man wie in einem Puppenhaus die Ersteinrichtung des Hauses 1902, kommentiert von der sechsjährigen Irina. Später die Weihnachtsfeier 1914, als der in den Krieg gezogene Vater plötzlich vor der Tür steht – aus der Sicht des siebenjährigen Nikolka, aber auch kindgerecht historisch erklärt von den Erzählern. Und so weiter, bis ins Jahr 2002. Es wimmelt von Familienszenen und kommentierten Alltagsgegenständen wie Lebensmitteln, Tiegeln, Zeitungssausschnitten, Münzen – oder auch den Köstlichkeiten aus der Wiener Konditorei des jüdischen Herrn Seidler. Apropos Wien: Warum gibt es so ein wundervolles Buch nicht auch für diese Stadt? Alexandra Litwina, Anna Desnitskaya: „In einem alten Haus in Moskau“. Ab sechs Jahren. 60 S., geb., 25,70 € (Gerstenberg Verlag).
QEine gute Idee, die Geschichte der größten Glocke Österreichs als Kinderbuch zu erzählen: Es ist Silvester, und Tassilo will unbedingt um Mitternacht die Pummerin läuten hören, von der er in der Schule gehört hat. Oma weiß ihm und seiner Schwester Rosa noch viel mehr darüber zu erzählen: dass die Glocke viel öfter als nur zu Silvester läutet, dass die Mischung, die zum Glockengießen verwendet wird, Glockenspeise heißt, was die erste Pummerin mit den Türken zu tun hat, warum der Stephansdom in einem Krieg gebrannt hat oder warum die Wiener ihre Riesenglocke eigentlich Pummerin genannt haben. Dazu gibt es Wissensseiten, auf denen auch die Erwachsenen noch viel lernen können: etwa darüber, wie eine Glocke gegossen wird, nach welchen Regeln die Pummerin läutet oder wie sie nach dem Krieg auf einem Tieflader von ihrem Entstehungsort St. Florian nach Wien gekommen ist. Angelika Varga, Maria Ainedter: „Tassilo, Rosa & die Pummerin. Die Geschichte der größten Glocke Österreichs für Kinder“. 52 S., geb., 22,80 € (My Morawa Verlag).