Das Europaparlament bestimmt bei fast allen Themen mit
Legislativorgan I. Die EU-Abgeordneten können neue EU-Regeln verändern und entscheiden letztlich über deren Inkrafttreten.
Straßãurg/Wien. Seit Gründung der heutigen EU hat das Europaparlament seine Kompetenzen stetig erweitert. Mit dem LissabonVertrag haben die 751 direkt gewählten Abgeordneten nun in fast allen politischen Fragen der Gemeinschaft ein Mitentscheidungsrecht. Ausnahmen gibt es noch beispielsweise im Wettbewerbsrecht oder bei der Außen- und Sicherheitspolitik.
Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ist das Parlament neben dem Rat das wichtigste Legislativorgan. Es erhält als Erstes den Vorschlag der EUKommission für neue Richtlinien, Verordnungen oder Entscheidungen übermittelt. In den Fachausschüssen wird dann über die Rechtstexte beraten. Die 20 Ausschüsse und zwei Unterausschüsse – z. B. für Fischerei, Bürgerrechte, Binnenmarkt – erledigen die eigentliche Arbeit im Gesetzgebungsprozess. Sie bereiten eine Bewertung der Texte, Änderungen und letztlich den Beschluss im Plenum des Abgeordnetenhauses vor.
Federführend ist ein vom Ausschuss gemeinsam bestellter Berichterstatter. Er bereitet die Stellungnahme und bei Bedarf die wichtigsten Änderungen vor. Um die Basis für eine breite Mehrheit zu schaffen, werden dem Berichterstatter sogenannte Schattenberichterstatter aller Fraktionen beiseitegestellt. Sie klären die Linie mit ihrer eigenen politischen Gruppe ab und können schon vorab eingreifen, falls sich ein Bericht bzw. Änderungen zu einseitig entwickeln.
Rat und Parlament sind in der Gesetzgebung gleichberechtigt. Winken die Abgeordneten den Kommissionsvorschlag nicht durch, müssen ihre Änderungsvorschläge deshalb auch mit dem Rat abgeklärt werden. Im Europaparlament gibt es im Gegensatz zu nationalen Parlamenten keine Regierungsfraktion und keine Opposition. Dies macht die Mehrheitssuche flexibler. Abgeordnete berichten, dass sie durch diese besondere Konstellation eine deutlich größere Gestaltungsmöglichkeit haben als ihre Kollegen in den nationalen Parlamenten.
Bei heiklen Entscheidungen versuchen Lobbyisten auch das Abstimmungsverfahren im Europaparlament zu beeinflussen. Sie versorgen die Abgeordneten mit Argumenten, schrecken aber auch nicht davor zurück, konkrete Änderungsanträge zuzusenden.
Neben dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, das in den meisten Fällen zur Anwendung kommt, gibt es auch ein Zustimmungsverfahren und ein Konsultationsverfahren. Beim Zustimmungsverfahren hat das Parlament keine Änderungsmöglichkeiten, kann einen Vorschlag nur annehmen oder ablehnen. Im Konsultationsverfahren haben die Abgeordneten nur eine beratende Funktion. (wb)