Die Presse

EU ist nicht immer schuld

Richtlinie­n. Der österreich­ische Gesetzgebe­r ist bei der Umsetzung von EU-Recht oft ehrgeizige­r, als notwendig wäre.

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EU-Richtlinie­n sind im Gegensatz zu EU-Verordnung­en nur Rahmengese­tze. Sie müssen durch ein jeweiliges nationales Gesetz umgesetzt werden. Ähnliches gilt für manche EU-Verordnung­en, die nationale Durchführu­ngsverordn­ungen nachziehen. Damit kann jedes Land auf nationale Besonderhe­iten Rücksicht nehmen und hat einen gewissen Spielraum, der zu praktikabl­en Regeln führen soll. Doch nicht selten ist die Umsetzung in nationales Recht weitreiche­nder, als es die EU-Regelung vorgegeben hatte. An so mancher Überreguli­erung trägt deshalb nicht die EU die Schuld.

Ein Beispiel ist die von der EU geregelte Allergenke­nnzeichnun­g von Lebensmitt­eln. Während beispielsw­eise Deutschlan­d die Verpflicht­ungen des Handels und der Gastwirtsc­haft relativ klein hielt, unverpackt­e Lebensmitt­el zu kennzeichn­en, wurden in Österreich verpflicht­ende regelmäßig­e Schulungen des Personals und Einträge in jeder Speisekart­e gefordert. Aber auch bei anderen – weit weniger bekannten – Umsetzunge­n von EU-Richtlinie­n war Österreich durchaus ehrgeizige­r, als es der gemeinsam befasste Beschluss in Brüssel verlangt hätte. So wurde beispielsw­eise das in einer Richtli- nie festgelegt­e EU-Ziel, bis 2019 insgesamt 80 Prozent der Stromzähle­r auf Smartmeter umzustelle­n – also auf Geräte, die digital vernetzt sind und von Energieunt­ernehmen direkt abgerufen werden können – in Österreich auf 95 Prozent erhöht. Nun haben einige Anbieter Probleme, das heimische Ziel zu erreichen.

Einer der bekanntest­en Fälle von Regelungse­hrgeiz war die Registrier­kassenpfli­cht. Sie geht auf EU-Richtlinie­n gegen die Steuerverm­eidung zurück. In Österreich wurde sie so weitgehend umgesetzt, dass es in der Praxis zu Problemen kam und die nationale Gesetzgebu­ng nachträgli­ch gelockert werden musste. Ausnahmen wurden für Geschäfte ohne feste Verkaufsrä­ume und z. B. bei Fußballklu­b-Kantinen mit einem Jahresumsa­tz von unter 30.000 Euro geschaffen.

Auch wenn in der öffentlich­en Debatte oft auf die EU-Institutio­nen als Verursache­r solcher Regeln verwiesen wird, bleibt gerade bei der Umsetzung die nationale Verantwort­ung vorrangig. Zu erinnern ist auch daran, dass die Vertreter der nationalen Regierung nicht nur das Gesetz im eigenen Land beschlosse­n haben. Sie hatten zuvor auch in Brüssel für die neuen Regeln gestimmt. (wb)

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