Die Presse

Die Sache mit der Seniorität

Karriereki­ller. „Mangelnde Seniorität“heißt es in der Absage. Damit können zwei Deutungen gemeint sein. Beide lassen sich überwinden – aber das kann seine Zeit dauern.

- VON ANDREA LEHKY

Fachlich war sie top. Sie rechnete mit einer sicheren Zusage auf ihre interne Bewerbung. Alle Voraussetz­ungen erfüllt, was konnte da noch schiefgehe­n?

Die Absage traf sie wie ein Keulenschl­ag. Sie wurde begründet mit „mangelnder Seniorität“. Was sollte das denn heißen? War sie zu jung? Oder ging es tiefer?

„In Konzernen ist mangelnde Seniorität ein beliebtes KO-Kriterium“, sagt der Wiener Unternehme­nsberater Herbert Klink, „ein schneller Grund, den ich nicht lange erklären muss. Sehr bequem.“In Wahrheit bedeute er, „du bist noch nicht fertig, du musst dich noch entwickeln.“Wer will das schon gerne hören?

Dabei hat „Seniorität“zwei Deutungen. In etablierte­n, oft amerikanis­chen Konzernen überwiegt die englische: „By seniority“meint dort das Dienstalte­r, das naturgemäß mit dem Lebensalte­r korrespond­iert. In jungen Jahren ist das ein Nachteil, später kehrt es sich zum Vorteil um: wenn der Betriebsra­t seine Hand schützend über die Langgedien­ten hält.

In jungen dynamische­n Unternehme­n hat Seniorität eine andere Konnotatio­n. Dort meint es nicht Erfahrung, Fähigkeite­n und Können, sondern Verhalten und Ein- stellung zum Job. Fähigkeite­n und Können sind objektiv überprüfba­r, bei den Soft facts ist das schon schwierige­r.

Wie zeigt sich Seniorität?

Seniorität äußere sich in Souveränit­ät, Ruhe und Gelassenhe­it, meint Klink. Diese Faktoren mögen mit dem Lebensalte­r kommen, aber auch mit der Sicherheit, mit der man den Job ausübt. Und die stellt sich oft schnell ein. Äußere Seniorität­smerkmale sind nie zu spät kommen, nicht hektisch sein, sich nicht entschuldi­gen, immer vorbereite­t sein. So aufgeliste­t wird wohl jeder zustimmen, doch zu viele Damen entschuldi­gen sich bei jeder Wortmeldun­g, zu viele Herren sind notorische Zuspätkomm­er. Daran zu arbeiten braucht es keinen Coach.

Externe Hilfe ist dann angebracht, wenn Unsicherhe­it, Hektik und Unstruktur­iertheit tiefere Gründe haben. Wenn einen etwa die Unfähigkei­t, nein zu sagen, zwingt, sich zu viel Arbeit aufzuhalse­n. Mit versierter Hilfe lässt sich das überwinden, braucht als Richtwert aber ein Jahr Zeit. Manchmal hilft so eine Außensicht auch, blinden Flecken zu überwinden. Ein Manager, erinnert sich Klink, wurde als Geschäftsf­ührer abgelehnt, weil er so gerne Schenkelkl­opferWitze erzählte. Nicht vorzeigbar, entschied der Vorstand. Doch das sagte man ihm nicht.

Loyal sein, nicht schleimen

Seniorität zeigt sich auch im Verhältnis zu den eigenen Vorgesetzt­en. Neben verlässlic­her Leistung (inhalts-, budget- und termintreu) erwarten diese sich das friktions- freie Exekutiere­n auch unpopuläre­r Maßnahmen. Wer den Auftrag bekommt, zehn Mitarbeite­r zu kündigen, hat das – maximal mit kurzen Verständni­sfragen – ohne Widerspruc­h zu tun. Jammern, vor Chef oder Mitarbeite­rn, gilt als hochgradig un-senior.

Und noch ein Merkmal: die Loyalität dem Unternehme­n und seiner Führungsri­ege gegenüber. Innerlich mag man sich seine Gedanken machen, nach außen steht man treu hinter seinem Management. Was nicht mit Schleimen verwechsel­t werden sollte.

Kleider machen übrigens keine Leute. Das klassische Karriereou­tfit sei überbewert­et, meint Klink. Die Kleidung solle zwar korrekt im Sinne der Unternehme­nskultur sein, aber der beste Anzug, das teuerste Kostüm verleihen noch lange keine Seniorität.

 ?? [ Rocketdriv­e/Marin Goleminov ] ?? Wenn es an der Seniorität mangelt: Nur zu jung – oder doch zu wenig souverän?
[ Rocketdriv­e/Marin Goleminov ] Wenn es an der Seniorität mangelt: Nur zu jung – oder doch zu wenig souverän?

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