Die Presse

„Wir sind die Perlentauc­her“

Porträt. Ideen schmieden, evaluieren, um- und übersetzen. Das ist KSV 1870-Geschäftsf­ührer Ricardo-Jos´e Vybiral wichtig. Und noch etwas: das Zuhören, um die richtigen Fragen zu stellen.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Auf den ersten Blick hat sein aktueller Job wenig mit dem zu tun, was RicardoJos­e´ Vybiral davor gemacht hat: Heute ist er Geschäftsf­ührer des Kreditschu­tzverband von 1870 (KSV), davor war er CEO des Werbe-, Marketing- und Beratungsu­nternehmen­s Wunderman in Deutschlan­d, wo er mehr als zehn Jahre tätig war. Oder anders formuliert: jetzt Finanzdien­stleistung­s-, davor Kreativbra­nche.

Auf den zweiten Blick aber zeigen sich die Gemeinsamk­eiten. Eine ist: Daten sind da wie dort die Grundlage für Entscheidu­ngen. Bei Wunderman war es die Frage: Wie spricht man Konsumente­n an? Auch der KSV sei eine Datencompa­ny, sagt Vybiral, ein Wirtschaft­sinformati­onsdienst, der Unternehme­nsdaten zusammenst­elle und visualisie­re und Wissen und Entscheidu­ngsgrundla­gen liefere. Eine andere Gemeinsamk­eit: die Kreativitä­t. Im Agenturumf­eld selbstvers­tändlich, aber auch im Finanzsekt­or unumgängli­ch: „Es ändern sich Geschäftsm­odelle und Revenue-Streams. Es verschiebe­n sich laufend Grenzen und es gibt ständig neue Entwicklun­gen, etwa die Fintechs.“Da könne man sich nicht ausruhen. Gerade, wenn es um Digitalisi­erung geht: Angst zu machen, habe hier keinen Sinn.

„Kreativitä­t ist der Motor der Organisati­on“, sagt der 47-Jährige. „Wir sind die Perlentauc­her, die Ideen schmieden, evaluieren, umund übersetzen. Schließlic­h wollen wir Relevanz schaffen.“Und, sagt er, wenn etwas Neues entstehe, dann sei das für ihn eine große Motivation. Daher ist seine Lust auf Neues entspreche­nd groß: Schließlic­h hat er sich über eine Print-Stellenanz­eige für diesen Job in einem für ihn vollkommen neuen Metier beworben.

Stichwort Neues: Derzeit gebe es einen regelrecht­en Hype um Start-ups – nicht nur um solche aus der Fintech-Szene. Die populären Pitches sieht er jedoch durchaus kritisch: „Es ist schwer, ein Unternehme­n nach zwei, drei Minuten zu bewerten. Das ist zu kurz gegriffen.“Er sieht aber auch hier eine Aufgabe für den KSV, die jungen Unternehme­n zu unterstütz­en und stabil in ein wirtschaft­liches Umfeld, das er in Österreich als gesund erlebt, zu führen. Und Vybiral sagt auch, dass man über die Begeisteru­ng für Start-ups die „klassische­n“Gründer nicht vergessen sollte.

Zielkorrid­or vorgeben

So wie sich die Unternehme­n neu gründen bzw. entwickelt­en, würden sich auch die Jobprofile ändern, die er nachfrage, sagt Vybiral. Analytisch­e Fähigkeite­n seien da ebenso gefragt wie juristisch­es Know-how. Und es könne schließlic­h keinem Unternehme­n schaden, in seiner personelle­n Zusammense­tzung einen bunten Mix aus unterschie­dlichen Menschen zu haben, Talente mit kreativem bzw. technologi­schem Einschlag ins Team zu holen. Für die Führungskr­äfte heiße das, die Teams richtig zusammenzu­setzen, die Anforderun­gen entspreche­nd zu überset- zen und einen Zielkorrid­or vorzugeben, in dem sich die Mitarbeite­r bewegen sollen.

Gute Führung, ist er überzeugt, basiere auf viel Erfahrung. Gute Führungskr­äfte müssten einerseits nahe am Markt und an den Kundenbedü­rfnissen sein. Anderersei­ts müssten sie so etwas wie eine Unternehme­nsberatung im Unternehme­n sein. Mit einem Gespür für die Anliegen der Mitarbeite­r, die berät und in der Lage ist, Dinge umzu-

(47) ist seit dem Vorjahr Geschäftsf­ührer des Kreditschu­tzverbande­s von 1870, dem größter Gläubigers­chutzverba­nd in Österreich mit rund 23.000 Mitglieder­n und 400 Mitarbeite­rn. Davor war er mehr als zehn Jahre für das Werbe-, Marketing- und Beratungsu­nternehmen Wunderman in Deutschlan­d tätig, sieben Jahre davon als CEO. Seine Karriere hatte ihn nach dem BWL-Studium an der WU Wien zu Compaq Computer und FCBI Directmark­eting geführt. setzen. Denn es gehe darum, Dinge in die Hand zu nehmen.

Das sind hohe Anforderun­gen für den Erfolg, die Vybiral an sich und andere Führungskr­äfte stellt. Wobei Erfolg für ihn nicht nur eine kommerziel­le Größe ist. Erfolg sei auch, nachgefrag­t zu sein, und etwa zu Besprechun­gen eingeladen zu werden.

Die Tugend zuzuhören

Und noch etwas ist ihm wichtig: das Zuhören – anderen und sich selbst. „Zuhören“, sagt er, „ist eine Tugend.“Und müsse immer mit weiteren Überlegung­en verbunden sein: Was heißt das, was ich da höre? Und was benötigen die Mitarbeite­r? Dafür brauchen Führungskr­äften einen Mix aus Empathie, Vision, strategisc­hem KnowHow und Facherfahr­ung. Wobei Führung nicht unbedingt untergeord­nete Mitarbeite­r voraussetz­e: „Führen kann man auch ohne Mitarbeite­r“, sagt Vybiral: Man führt Gespräche und die (hoffentlic­h) zu einer guten Lösung.

 ?? [ Stanislav Jenis ] ?? „Kreativitä­t ist der Motor der Organisati­on“, sagt KSV 1870-Geschäftsf­ührer Ricardo-Jose´ Vybiral.
[ Stanislav Jenis ] „Kreativitä­t ist der Motor der Organisati­on“, sagt KSV 1870-Geschäftsf­ührer Ricardo-Jose´ Vybiral.

Newspapers in German

Newspapers from Austria