Schwimmerohren und Nesselkapseln
Gesund bleiben/werden. Viren lauern überall, nicht nur in exotischen Ländern, und werden oft von Mücken übertragen. Wie man sich vorbeugend am besten vor Krankheiten schützt, und was man im Fall des Falles unternehmen kann.
Man muss nicht in die Ferne schweifen: Vor Montezumas Rache ist man auch bei einem Urlaub in Griechenland oder Süditalien nicht gefeit – etwa acht Prozent der Europa-Urlauber sucht Reisedurchfall heim , außerhalb von Europa und schon in Tunesien, Ägypten oder der Türkei sind es bereits bis zu 50 Prozent. Vor allem Kinder kann es erwischen, wenn sie hygienisch bedenkliche oder ungewohnte Kost zu sich nehmen. Und für Kinder kann Durchfall durchaus gefährlich werden.
Nicht zu unterschätzen sind auch Buffets, die stundenlang in der Sonne schmoren, die Anzahl der Keime steigt in der Wärme rasch. Auch von ungenügend gegarten oder gar rohen Muscheln, Fischen oder Fleisch sollte man lieber die Finger respektive Messer und Gabel lassen. In Ägypten sollte man sich vielleicht auch von Salaten und rohem Gemüse fernhalten. Und wenn es dann doch passiert ist: viel trinken. Besonders Vorsichtige – und fürsorgliche Eltern – nehmen sich von der Apotheke zu Hause spezielle Elektrolytpräparate für den Fall der Fälle mit. Apropos Apotheke: Ein Abstecher vor dem Urlaub dorthin, auch wenn eine Reise „nur“nach Europa oder Tunesien führt, ist von Vorteil. Die Apotheken sind mit einem speziellen EDV-System ausgestattet, das für jedes Urlaubsland die entsprechenden Reiseimpfungen und die richtige Reiseapotheke vorschlägt.
Nicht zu vergessen sind auch Impfungen: „Unbedingt gegen Masern impfen lassen, egal ob Kind oder Erwachsener, wenn nicht mindestens zwei Impfungen im Impfpass ausgewiesen werden“, betont Tropenfacharzt Herwig Kollaritsch, ärztlicher Leiter des Zentrums für Reisemedizin in Wien. „Was Masern betrifft, haben wir jetzt eine unglaublich unruhige Zeit in Europa.“Wer in die Türkei oder nach Nordafrika reist, sollte sich auch gegen Hepatitis A imp- fen lassen. Kollaritsch: „Innerhalb von EU-Europa ist die Gefahr einer Hepatitis-A-Infektion in den letzten zehn Jahren hingegen drastisch gesunken.“
Neu in Europa ist hingegen die (Asiatische) Tigermücke, die etwa in Italien, Frankreich und anderen Ländern Südeuropas heimisch geworden ist. Sie überträgt unter anderem die Tropenkrankheiten Chikungunya und Denguefieber. Keine unbegründete Angst: Momentan ist es ruhig, das Risiko einer Virusübertragung äußerst gering. Jedoch: 2007 gab es einen autochthonen Ausbruch – das heißt nach erstmaliger Einschleppung eine selbstständige weitere Ausbreitung – von Chikungunya in Ravenna, in Südfrankreich wurden Ende 2014 autochthone Fälle gemeldet.
Frauen als Stichobjekte
„Das kann sich durchaus wiederholen, wir müssen grundsätzlich damit rechnen, aber momentan gibt es keinen Anlass zur Sorge“, so Kollaritsch. Schaden kann es dennoch nicht, wenn man seine Kleidung gegen Mücken imprägniert und im Urlaub Mückenschutzmittel schmiert – bei Kindern unter einem Jahr nur für diese Altersgruppe freigegebene Präparate verwenden. „Frauen müssen soge- nannte Repellentien öfter auftragen als Männer, weil Frauen bei Mücken beliebtere Stichobjekte sind“, sagt Tropenmediziner Heinrich Stemberger, Leiter des Instituts für Reise- und Tropenmedizin in Wien. „Frauen scheiden gewisse Pheromone aus der Haut aus, die Mücken anziehen.“Lockmittel für Mücken sind übrigens auch Parfum und andere Duftstoffe.
Quallen machen zwischen den Geschlechtern keinen Unterschied, sie verteilen ihre Nematozysten an Männer wie Frauen und auch Kinder – Nematozysten oder Nesselkapseln sind die eigentlichen Waffen der Quallen. Wirklich schützen kann man sich nicht vor einem Quallenkontakt – dieser ist in den Meeren Europas schmerzhaft, aber nicht wirklich gefährlich oder gar tödlich. „Nach einer Quallenverletzung sollte man die be- troffene Körperregion so rasch wie möglich mit heißem Salzwasser waschen oder die Stelle damit begießen, denn bei Temperaturen ab 45 Grad wird das Quallengift zerstört“, rät Stemberger.
Hausmittel, nein danke
Am besten, so der Fachmann, sei es, die Temperatur des Salzwassers allmählich zu steigern, „so hält man 45 Grad dann auch aus“.
Duschen mit kaltem oder lauwarmem Süßwasser mache die ganze Sache nur noch schlimmer: Bei Kontakt mit Süßwasser entladen sich Nematozysten, die bislang noch nicht entladen sind; das bedeutet: mehr Gift, mehr Schmerzen. Nicht wirklich hilfreich, so Stemberger, seien „alte Hausmittel“wie mit Sand einreiben oder mit Essig spülen, „das ist eher effektlos“.
Eine andere Unannehmlichkeit, mit der man beim Schwimmen – allerdings nur im Süßwasser – Bekanntschaft machen kann, ist die Badedermatitis, die in Mitteleuropa besonders häufig vorkommt. Die Hauterscheinungen – gerötete Flecken, auch geschwollene Quaddeln und mäßiger bis extremer, kaum aushaltbarer Juckreiz – stammen von Larven eines Saugwurms, die sich versehentlich den Menschen als Zwischenlager ausgesucht haben.
Die Wurmeier gelangen über den Kot von Wasservögeln, vor allem von Enten, ins Wasser – wo keine Enten, da auch keine Badedermatitis. Die Larven befinden sich vor allem im Flachwasser, wer weiter hinausschwimmt, ist relativ sicher vor ihnen. Nach dem Baden duschen und ordentlich abtrocknen mindert die Gefahr ebenfalls, gegen den Juckreiz hilft eine Cortisoncreme.
Eine weitere Infektion aus dem Wasser ist die Badeotitis, eine Entzündung des äußeren Gehörgangs. Denn die Gehörgangshaut weicht im Badewasser auf, der schützende Lipidfilm geht verloren, die Infektionsgefahr ist erhöht, Kinder sind besonders gefährdet. Das „Schwimmerohr“macht sich vor allem durch starke Schmerzen und Juckreiz bemerkbar. Empfindliche sollten einen Ohrschutz tragen, nach dem Baden immer danach trachten, dass keine Flüssigkeit im Ohr verbleibt – das Neigen des Kopfes ist dabei hilfreich.
Hilfreich gegen die Seekrankheit sind unter anderem auch Kautabletten. Und zwar solche mit Vitamin C. Reinhart Jarisch, einer der führenden Allergologen Österreichs, hat dazu eine Studie gemacht. „Vitamin C wirkt und lindert die Übelkeit sehr rasch.“Das gilt nicht nur für Kreuzfahrten oder Segeltörns, die Reisekrankheit – und dazu gehört die Seekrankheit – kann einen auch in Flugzeugen, Bussen und Autos einholen. Betroffen sind vor allem jüngere Menschen unter 28 Jahren, Kinder leiden häufiger als Erwachsene, Frauen sind gefährdeter als Männer. Günstig neben Vitamin-C-Kautabletten: auf Kreuzfahrtschiffen Kabinen in der Rumpfmitte buchen, im Flugzeug sind Plätze mittig über den Tragflächen am ruhigsten, im Auto sitzt man besser vorn, und im Bus zudem in Fahrtrichtung.