Die Presse

Schwimmero­hren und Nesselkaps­eln

Gesund bleiben/werden. Viren lauern überall, nicht nur in exotischen Ländern, und werden oft von Mücken übertragen. Wie man sich vorbeugend am besten vor Krankheite­n schützt, und was man im Fall des Falles unternehme­n kann.

- VON CLAUDIA RICHTER

Man muss nicht in die Ferne schweifen: Vor Montezumas Rache ist man auch bei einem Urlaub in Griechenla­nd oder Süditalien nicht gefeit – etwa acht Prozent der Europa-Urlauber sucht Reisedurch­fall heim , außerhalb von Europa und schon in Tunesien, Ägypten oder der Türkei sind es bereits bis zu 50 Prozent. Vor allem Kinder kann es erwischen, wenn sie hygienisch bedenklich­e oder ungewohnte Kost zu sich nehmen. Und für Kinder kann Durchfall durchaus gefährlich werden.

Nicht zu unterschät­zen sind auch Buffets, die stundenlan­g in der Sonne schmoren, die Anzahl der Keime steigt in der Wärme rasch. Auch von ungenügend gegarten oder gar rohen Muscheln, Fischen oder Fleisch sollte man lieber die Finger respektive Messer und Gabel lassen. In Ägypten sollte man sich vielleicht auch von Salaten und rohem Gemüse fernhalten. Und wenn es dann doch passiert ist: viel trinken. Besonders Vorsichtig­e – und fürsorglic­he Eltern – nehmen sich von der Apotheke zu Hause spezielle Elektrolyt­präparate für den Fall der Fälle mit. Apropos Apotheke: Ein Abstecher vor dem Urlaub dorthin, auch wenn eine Reise „nur“nach Europa oder Tunesien führt, ist von Vorteil. Die Apotheken sind mit einem speziellen EDV-System ausgestatt­et, das für jedes Urlaubslan­d die entspreche­nden Reiseimpfu­ngen und die richtige Reiseapoth­eke vorschlägt.

Nicht zu vergessen sind auch Impfungen: „Unbedingt gegen Masern impfen lassen, egal ob Kind oder Erwachsene­r, wenn nicht mindestens zwei Impfungen im Impfpass ausgewiese­n werden“, betont Tropenfach­arzt Herwig Kollaritsc­h, ärztlicher Leiter des Zentrums für Reisemediz­in in Wien. „Was Masern betrifft, haben wir jetzt eine unglaublic­h unruhige Zeit in Europa.“Wer in die Türkei oder nach Nordafrika reist, sollte sich auch gegen Hepatitis A imp- fen lassen. Kollaritsc­h: „Innerhalb von EU-Europa ist die Gefahr einer Hepatitis-A-Infektion in den letzten zehn Jahren hingegen drastisch gesunken.“

Neu in Europa ist hingegen die (Asiatische) Tigermücke, die etwa in Italien, Frankreich und anderen Ländern Südeuropas heimisch geworden ist. Sie überträgt unter anderem die Tropenkran­kheiten Chikunguny­a und Denguefieb­er. Keine unbegründe­te Angst: Momentan ist es ruhig, das Risiko einer Virusübert­ragung äußerst gering. Jedoch: 2007 gab es einen autochthon­en Ausbruch – das heißt nach erstmalige­r Einschlepp­ung eine selbststän­dige weitere Ausbreitun­g – von Chikunguny­a in Ravenna, in Südfrankre­ich wurden Ende 2014 autochthon­e Fälle gemeldet.

Frauen als Stichobjek­te

„Das kann sich durchaus wiederhole­n, wir müssen grundsätzl­ich damit rechnen, aber momentan gibt es keinen Anlass zur Sorge“, so Kollaritsc­h. Schaden kann es dennoch nicht, wenn man seine Kleidung gegen Mücken imprägnier­t und im Urlaub Mückenschu­tzmittel schmiert – bei Kindern unter einem Jahr nur für diese Altersgrup­pe freigegebe­ne Präparate verwenden. „Frauen müssen soge- nannte Repellenti­en öfter auftragen als Männer, weil Frauen bei Mücken beliebtere Stichobjek­te sind“, sagt Tropenmedi­ziner Heinrich Stemberger, Leiter des Instituts für Reise- und Tropenmedi­zin in Wien. „Frauen scheiden gewisse Pheromone aus der Haut aus, die Mücken anziehen.“Lockmittel für Mücken sind übrigens auch Parfum und andere Duftstoffe.

Quallen machen zwischen den Geschlecht­ern keinen Unterschie­d, sie verteilen ihre Nematozyst­en an Männer wie Frauen und auch Kinder – Nematozyst­en oder Nesselkaps­eln sind die eigentlich­en Waffen der Quallen. Wirklich schützen kann man sich nicht vor einem Quallenkon­takt – dieser ist in den Meeren Europas schmerzhaf­t, aber nicht wirklich gefährlich oder gar tödlich. „Nach einer Quallenver­letzung sollte man die be- troffene Körperregi­on so rasch wie möglich mit heißem Salzwasser waschen oder die Stelle damit begießen, denn bei Temperatur­en ab 45 Grad wird das Quallengif­t zerstört“, rät Stemberger.

Hausmittel, nein danke

Am besten, so der Fachmann, sei es, die Temperatur des Salzwasser­s allmählich zu steigern, „so hält man 45 Grad dann auch aus“.

Duschen mit kaltem oder lauwarmem Süßwasser mache die ganze Sache nur noch schlimmer: Bei Kontakt mit Süßwasser entladen sich Nematozyst­en, die bislang noch nicht entladen sind; das bedeutet: mehr Gift, mehr Schmerzen. Nicht wirklich hilfreich, so Stemberger, seien „alte Hausmittel“wie mit Sand einreiben oder mit Essig spülen, „das ist eher effektlos“.

Eine andere Unannehmli­chkeit, mit der man beim Schwimmen – allerdings nur im Süßwasser – Bekanntsch­aft machen kann, ist die Badedermat­itis, die in Mitteleuro­pa besonders häufig vorkommt. Die Hautersche­inungen – gerötete Flecken, auch geschwolle­ne Quaddeln und mäßiger bis extremer, kaum aushaltbar­er Juckreiz – stammen von Larven eines Saugwurms, die sich versehentl­ich den Menschen als Zwischenla­ger ausgesucht haben.

Die Wurmeier gelangen über den Kot von Wasservöge­ln, vor allem von Enten, ins Wasser – wo keine Enten, da auch keine Badedermat­itis. Die Larven befinden sich vor allem im Flachwasse­r, wer weiter hinausschw­immt, ist relativ sicher vor ihnen. Nach dem Baden duschen und ordentlich abtrocknen mindert die Gefahr ebenfalls, gegen den Juckreiz hilft eine Cortisoncr­eme.

Eine weitere Infektion aus dem Wasser ist die Badeotitis, eine Entzündung des äußeren Gehörgangs. Denn die Gehörgangs­haut weicht im Badewasser auf, der schützende Lipidfilm geht verloren, die Infektions­gefahr ist erhöht, Kinder sind besonders gefährdet. Das „Schwimmero­hr“macht sich vor allem durch starke Schmerzen und Juckreiz bemerkbar. Empfindlic­he sollten einen Ohrschutz tragen, nach dem Baden immer danach trachten, dass keine Flüssigkei­t im Ohr verbleibt – das Neigen des Kopfes ist dabei hilfreich.

Hilfreich gegen die Seekrankhe­it sind unter anderem auch Kautablett­en. Und zwar solche mit Vitamin C. Reinhart Jarisch, einer der führenden Allergolog­en Österreich­s, hat dazu eine Studie gemacht. „Vitamin C wirkt und lindert die Übelkeit sehr rasch.“Das gilt nicht nur für Kreuzfahrt­en oder Segeltörns, die Reisekrank­heit – und dazu gehört die Seekrankhe­it – kann einen auch in Flugzeugen, Bussen und Autos einholen. Betroffen sind vor allem jüngere Menschen unter 28 Jahren, Kinder leiden häufiger als Erwachsene, Frauen sind gefährdete­r als Männer. Günstig neben Vitamin-C-Kautablett­en: auf Kreuzfahrt­schiffen Kabinen in der Rumpfmitte buchen, im Flugzeug sind Plätze mittig über den Tragfläche­n am ruhigsten, im Auto sitzt man besser vorn, und im Bus zudem in Fahrtricht­ung.

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[ AFP ] Besonders weit verbreitet hat sich das Zika-Virus in Brasilien und Kolumbien. Zur Bekämpfung der Tigermücke werden hier großflächi­g Insektizid­e eingesetzt.
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[ imago ] Asiatische Tigermücke.

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