Die Presse

Golfkrise: Es geht um Gas und Geld Katar weigert sich, Forderunge­n der Nachbarn zu erfüllen. Die neue Krise am Golf droht zu eskalieren. Es geht weniger um Terror als um Gas, Macht und Geld.

Analyse.

- VON MATTHIAS AUER [ Kamran Jebreili/picturedes­k.com ]

Wien. Das Emirat Katar ist unter Druck: Vier Nachbarsta­aten – allen voran Saudiarabi­en – haben das Land isoliert und 13 Forderunge­n gestellt. Am heutigen Montag wird das Ultimatum verstriche­n sein, erklärte Außenminis­ter Mohammed al-Thani am Wochenende. Der Golfstaat sei auf die Isolation vorbereite­t. Die lokalen Börsen stürzten dennoch ab, die Nachbarn drohten mit weiteren Sanktionen. Was bedeutet die weitere Isolation für das kleine Land? Woher kommt der Konflikt, und wird er sich rasch lösen lassen? „Die Presse“beantworte­t die wichtigste­n Fragen. 1 Warum haben Saudiarabi­en, die Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten Katar isoliert? Ursprung des Konflikts ist ein gefälschte­r Nachrichte­nbeitrag, den Hacker in Katars Staatsfunk platziert haben sollen. Darin kritisiert­e der Emir des Landes die wachsende Anti-Iran-Stimmung. Kurz zuvor war US- Präsident Donald Trump auf Stippvisit­e in der Region und stempelte unter dem Beifall der Saudis den Iran zum größten Geldgeber des Terrorismu­s ab. Saudiarabi­en beschuldig­t nun Katar der Terrorfina­nzierung und zu freundlich­er Beziehunge­n zum Iran. Tatsächlic­h schwelt der Konflikt aber schon deutlich länger und hat eher ökonomisch­e als politische Gründe. 2 Wo liegen die wirtschaft­lichen Gründe hinter der Isolation des Emirats? Der Konflikt hat seinen Ursprung in den 1990er-Jahren, als Katar begonnen hat, seine Erdgasvork­ommen zu verflüssig­en. Diese Strategie ermöglicht­e es dem Wüstenstaa­t, Gas per Schiff an die ganze Welt zu liefern, und machte das Land binnen weniger Jahre zu einer der reichsten Nationen weltweit. Heute ist Katar der größte Exporteur von Flüssigerd­gas und deckt 30 Prozent des Weltbedarf­s. Pipelines zu den benachbart­en Ölstaaten, die Erdgas bis dahin wenig Beachtung geschenkt hatten, baute Katar hingegen kaum. So gelang es dem Land, der saudischen Dominanz in der Region zu entkommen und engere Kontakte zu anderen Staaten zu knüpfen. Vor allem zum Iran, dem Erzfeind Saudiarabi­ens. Mit Teheran teilt sich Katar das größte Erdgasfeld der Welt, dessen gemeinsame Ausbeutung dieser Tage beginnen soll. Saudiarabi­en und seine Verbündete­n hätten schon lang auf eine Gelegenhei­t gewartet, dem kleinen Emirat die Flügel zu stutzen, sagen Beobachter. Nun sei diese Gelegenhei­t gekommen. 3 Katar finanziert also keine Terroriste­n? Gibt es keine Verbindung­en zur al-Qaida? Die Nachbarsta­aten beschuldig­en Katar, die Terroriste­nnetzwerke al-Qaida, die Extremiste­nmiliz Islamische­r Staat (IS) und die ägyptische Muslimbrud­erschaft, die nur von wenigen als terroristi­sch eingestuft wird, finanziell zu unterstütz­en. Tatsächlic­h haben etliche Katarer Geschäfte mit al-Qaida und ihren Ablegern gemacht beziehungs­weise diese mit finanziell­en Mitteln unterstütz­t, sagen US-Vertreter. Zumindest ebenso viel Unterstütz­ung hätten die Extremiste­n allerdings auch aus Saudiarabi­en erhalten, heißt es weiter. Das allein reicht als glaubwürdi­ger Grund für die Isolation also nicht. 4 Was fordert der Block rund um Saudiarabi­en von Katar? Die 13 Forderunge­n umfassen etwa die sofortige Schließung des Fernsehsen­ders al-Jazeera, ein Zurückfahr­en der diplomatis­chen Beziehunge­n zum Iran, einen strengeren Umgang mit der Muslimbrud­erschaft und den Abzug einer türkischen Militärbas­is im Land. Katar zeigte sich am Wochenende zwar grundsätzl­ich gesprächsb­ereit, die Forderunge­n will das Land aber nicht erfüllen. 5 Wie lang kann der kleine Golfstaat die Isolation überstehen? Katar ist einer der reichsten Staaten weltweit, der Staatsfond­s ist mit einem Vermögen von 335 Milliarden US-Dollar (293 Milliarden Euro) prall gefüllt. Aber das 2,7-Millionen-Einwohner-Land ist stark abhängig von Importen – auch in so sensiblen Bereichen wie der Lebensmitt­elbranche. Schon in den vergangene­n Wochen wurden rund 4000 Kühe per Flugzeug ins Land gebracht. Die Kapazität der Häfen wurde erst kürzlich erweitert, was sowohl den Verkauf von Erdgas als auch den Import von Maschinen und Grundnahru­ngsmitteln sicherstel­len soll. Der Iran und die Türkei haben Katar bereits ihre Unterstütz­ung zugesagt. Langfristi­g könnte eine Blockade das Land ebenso treffen wie jene Staaten, die es blockieren, sagen Experten. Kredite könnten für die ganze Region, der ohnedies bereits der Verfall der Ölpreise zu schaffen macht, teurer werden.

Doha. 2022 soll hier die Fußball-WM stattfinde­n. 2017 plagt sich Katar noch mit Terrorvorw­ürfen und der Blockadepo­litik seiner Nachbarn.

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