„Geld ist nicht einfach nur so da“
Interview. Als Frau wirtschaftlich unabhängig zu sein, war für Johanna Rachinger immer ein Muss. Die Direktorin der Österreichischen Nationalbibliothek über falsche Bescheidenheit, Frauenförderung und ihre Altersvorsorge.
Johanna Rachinger, die Chefin der Nationalbibliothek, im Interview über Geld, Frauenförderung und Altersvorsorge.
Die Presse: Ihre Eltern haben im Mühlviertel ein Wirtshaus gehabt. Inwiefern hat der Betrieb Ihre Kindheit geprägt? Johanna Rachinger: Ich war sehr konfrontiert mit dem, was meine Eltern gemacht haben. Denn wenn man in einem Wirtshaus aufwächst, dann wird das Private öffentlich und das Öffentliche privat. Es vermischt sich alles sehr. Und man lernt in einem unternehmerischen Haushalt von klein auf, mit Geld umzugehen. Ich habe ja auch kassiert und Wechselgeld herausgegeben. Mir war früh bewusst, dass man für Geld etwas leisten muss und es nicht einfach nur so da ist.
Das Thema Geld war also zu Hause kein Tabu? Geld war kein Tabu. Ich erinnere mich noch: Mein Vater sagte zu uns Kindern immer – wir waren sechs Töchter –, wir sollen erst etwas lernen, unser eigenes Geld verdienen, und dann könnten wir immer noch heiraten. Das war für diese Zeit ungewöhnlich, und seine Worte haben mich sehr geprägt. Für mich – das hat auch mit meiner Haltung als Frau zu tun – war finanzielle Unabhängigkeit immer etwas ganz Wichtiges. Denn ich musste in meiner Kindheit oft sehen, dass Frauen – Bäuerinnen haben damals noch keine Pension bekommen – sehr von ihren Männern abhängig waren. Wenn sie einen Ausflug machen wollten, musste sie ihre Männer fragen, ob sie dafür Geld bekommen. Das war für mich schon als Kind abschreckend.
Wie halten Sie es heute, haben Sie und Ihr Mann getrennte Konten? Mein Mann und ich, wir sind da sehr unkompliziert. Aber ich bin heute eben in der privilegierten Position, unabhängig und finanziell abgesichert zu sein.
Wie wichtig ist Ihnen Geld? Unwichtig ist es nicht, auch wenn man mehr zur Verfügung hat. Dennoch gebe ich das Geld nicht mit vollen Händen aus, sondern habe eine starke Bodenhaftung. Mir ist bewusst, wie schwierig es für viele Menschen ist, sich dies oder jenes leisten zu können. Also ich würde nie auf Kredit eine Urlaubsreise machen. Ich bin sehr sorgsam mit meinem Geld und erfreue mich daran, meiner Familie und anderen gegenüber großzügig sein zu können. Können Sie auch mit sich großzügig sein? Auch manchmal, ein bisschen besser als früher.
Wenn es ums Gehalt geht, verlangen Frauen tendenziell weniger als Männer. Woran liegt das? Ich denke, Frauen stellen bei Bewerbungsgesprächen Aspekte wie „angenehmes Umfeld“, „interessante Arbeit“mehr in den Vordergrund als Finanzielles. Männer sagen ganz klar, was sie sich erwarten und für ihr Leben brauchen. Aber ich erlebe, dass sich hier in den vergangenen Jahren schon viel geändert hat. Frauen gehen heute schon selbstbewusster in solche Gespräche.
Ohne Selbstbewusstsein ist es schwierig, für sich einzutreten. Ja, Selbstbewusstsein spielt eine Rolle, und Frauen tun sich auch oft schwerer, ihre Leistungen entsprechend zu verkaufen. Ich kann mich noch erinnern, als ich mit 35 Jahren Geschäftsführerin des Ueberreuter-Verlags geworden bin, hatten wir in der Holding regelmäßig unsere Geschäftsführersitzungen. Ich war die einzige Frau in der Runde. Und da gab es Kollegen, die haben immer berichtet, was sie nicht alles gemacht haben. Da dachte ich mir im Stillen immer wieder: „Die reden über Sachen, die ich schweigend längst erledigt habe.“Erst später bin ich draufgekommen, dass es wichtig ist, auch über das Geleistete zu sprechen und seine Arbeit zu verkaufen. Das war ein wichtiger Lernprozess. Das musste ich als Frau erst lernen.
Also bloß keine falsche Bescheidenheit? Nein, keine falsche Bescheidenheit. Wenn meine Mitarbeiter zu mir kommen und mir sagen, was sie gemacht haben, dann beeindruckt mich das. In einem großen Haus kann die eigene Leistung nämlich auch untergehen, wenn nicht gerade eine Führungskraft darüber berichtet. Aber wir halten es in der Österreichischen Nationalbibliothek ohnehin so, dass bei gleicher Qualifikation eine Frau in eine Führungsposition kommt, solange wir die 50-Prozent-Marke nicht erreicht haben. Wir sind knapp davor. Ich denke, das ist schon eine Verantwortung von Frauen in Führungspositionen, dass sie da besonderes Augenmerk darauf legen.
Sind Sie von Frauen in Ihrer Karriere gefördert worden? Da ich immer männliche Chefs hatte, war das kein Thema. Und als ich im Frauenverlag begann, waren wir eine gleichberechtigte Gruppe von Frauen, da gab es keine Chefs.
Fördern Frauen in Führungspositionen Frauen besser als Männer? Ich glaube, man kann nie generell sagen, Frauen machen das so, Männer machen es so. Ich glaube auch nicht, dass Männer anders führen als Frauen. Vielleicht können Frauen besser erkennen, was Frauen zu leisten imstande sind, aber sonst hat gute Führung nichts mit dem Geschlecht zu tun. Ich sage nur – und das ist sehr persönlich: Ich fühle mich als Frau be-
ist im Mühlviertel als eines von sechs Mädchen aufgewachsen. Sie \esuchte die Handelsakademie und studierte in Wien Theaterwissenschaften. Danach ar\eitete sie als Lektorin \eim Wiener Frauenverlag. Mit 35 Jahren wurde sie Geschäftsführerin \eim Ue\erreuter Verlag und 2001 zur Generaldirektorin der Österreichischen National\i\liothek \estellt. 2016 verlängerte Kulturminister Ostermayer ihren Vertrag um weitere sechs Jahre. sonders auch dafür verantwortlich, dass in dem Unternehmen, in dem ich arbeite, Frauen mit gleicher Qualifikation in Führungspositionen kommen. Und ich achte auch darauf, dass in unseren Arbeitsgruppen der Frauenanteil entsprechen hoch ist. Das ist auch überhaupt kein Problem, weil wir viele qualifizierte Frauen haben.
Würden Sie sich als zähe Verhandlerin bezeichnen, wenn es ums Geld geht? Ja, wenn es ums Geld geht, bin ich schon zäh, weil ich mir meiner Verantwortung sehr bewusst bin, dass wir nicht mit unseren eigenen Mitteln agieren, sondern mit dem Geld des Steuerzahlers. Mit dem muss man sorgfältig umgehen. Da sind wir sehr streng, auch beim Ausgeben. Wir schauen uns alles sehr genau an und holen uns für alle Projekte – auch wenn sie nicht ausgeschrieben werden müssen – drei Angebote ein und verhandeln.
Fällte es Ihnen leichter, für die Nationalbibliothek um Geld zu kämpfen als für sich selbst? Selbstverständlich. Das hat wohl etwas mit einer gewissen Scham zu tun, dass man für sich selbst nicht wirklich gern etwas erbitten möchte. Es gibt Menschen, die können das, aber ich habe davor eine gewisse Scham. Aber für die Nationalbibliothek kann ich das sehr gut. Wir haben uns über die Jahre ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut und sehen, dass auch das gute Image unseres Hauses uns viel erleichtert und Möglichkeiten schafft, immer wieder neue Mittel zu akquirieren.
Die Finanzen der Nationalbibliothek haben Sie demnach im Griff. Wie wichtig war es Ihnen, für sich selbst vorzusorgen? Schon wichtig. Ich glaube, diese Verantwortung hat man sich selbst und auch den Menschen gegenüber, mit denen man zusammen ist. Was mir völlig fremd ist, ist diese Gier, die manche Menschen haben. Das hat man bei dem Aktienboom vor der Finanzkrise erlebt. Ich bin eine, die konservativ und sicher veranlagt, aber ich denke nicht daran, dass es immer noch und noch mehr werden muss.
Würden Sie sich selbst als bescheiden bezeichnen? Bescheiden ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber ich würde sagen, dass ich doch sehr auf dem Boden geblieben bin.
Fiele es Ihnen schwer, Ihre Ansprüche zurückzuschrauben? Wenn es sein muss, bin ich überzeugt, das gut managen zu können. Aber ich würde es mir nicht unbedingt wünschen.