Die Presse

München: Schrekers Oper im Bilderraus­ch

„Die Gezeichnet­en“eröffneten am Samstag die Münchner Opernfests­piele.

- VON WALTER DOBNER

Fast wäre es ein Stück zweier Komponiste­n geworden, denn Alexander von Zemlinsky hatte sich von Franz Schreker eine Tragödie über einen hässlichen Menschen als Libretto gewünscht. Dem gefiel aber sein eigenes Textbuch so gut, dass er Zemlinsky bat, es ihm zur Vertonung zu überlassen. Im Original spielt dieser sich um Eros, Sex und Macht drehende Dreiakter im Genua des 16. Jahrhunder­ts. Der Adelige Alviano Salvago hat sein „Elysium“genanntes Eiland für seine Freunde geöffnet, um trotz seiner körperlich­en Gebrechen ein geachtetes Mitglied der Gesellscha­ft zu sein. Sie missbrauch­en diese Gastfreund­schaft, woraufhin Salvago seine Insel nun für ganz Genua öffnen will, was die vermeintli­chen Freunde mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Dass einer von ihnen Salvago seine Carlotta ausspannt, passt zu diesem an Intrigen reichen, mit mystischen Momenten kokettiere­nden Stoff.

Bildende Kunst als Inspiratio­n

Nicht in Genua, sondern in einem kühlklassi­zistischen Einheitsbü­hnenraum verortet Regisseur Krzysztof Warlikowsk­y mit seiner Bühnen- und Kostümbild­nerin Malgorzata Szcze˛sniak´ das Geschehen. Beide lassen sich sehr – oft zu sehr – von der bildenden Kunst beeinfluss­en. Voran den Performanc­es von Marina Abramovic:´ Carlotta wird als deren Ebenbild dargestell­t. Dass sie zum Sterben in eine Vitrine steigt, erinnert an die Schauspiel­erin Tilda Swinton, die einen Tag lang im New Yorker MoMa in einem Glaskasten vor Publikum schlief. Dazu kommen Videoeinbl­endungen von Denis Gueguin.´ Wenn die Protagonis­ten am Ende mit Tierköpfen auftreten, sind endgültig alle sich auf der Bühne tummelnden Personen zu Kunstfigur­en geworden. Deshalb kämpft auch Herzog Adorno lieber im Boxring als gegen die Wirrnisse der realen Welt. Das ergibt viele beeindruck­ende Bilder, die mehr die Interaktio­n von Kunst und Mensch als die menschlich­en Beziehunge­n in den Fokus rücken. Kluge Personenfü­hrungen schließt das, vor allem im Finale, nicht aus.

Tomasz Konieczny gab einen prägnanten Herzog Adorno, Christophe­r Maltmann brillierte als Tamare, souverän, wenngleich mit unterschie­dlichem Höhenglanz, agierte John Daszak in der Partie des Alviano. Catherine Nagelstadt präsentier­te sich mit kühl-berechnend­em Charme als ideale Carlotta. Ingo Metzmacher am Pult ließ sich anfangs von den oft schwülstig­en Klangentla­dungen Schrekers zu sehr mitreißen, ehe er auf durchsicht­igere Klanglichk­eit setzte, es damit den Sängern leichter machte.

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