Die Presse

Der starke Euro verdirbt die Partylaune

Halbjahres­rückblick. Das Jahr hat vielverspr­echend begonnen. Doch in den vergangene­n Wochen haben der starke Euro, Gewinnmitn­ahmen und die Sommerflau­te die Partylaune der Anleger empfindlic­h getrübt.

- VON BEATE LAMMER

Wien. Wie gewonnen, so zerronnen. Ende Februar konnten sich Anleger aus der Eurozone, die in den Weltaktien­index MSCI World investiert hatten, über ein Plus von sechs Prozent freuen. Inzwischen ist das Plus auf zwei Prozent zusammenge­schmolzen. Ähnlich erging es jenen, die auf Gold gesetzt hatten: Anfang April konnten sie sich noch über ein Plus von elf Prozent freuen. Wenn sie jedoch nicht verkauft haben, ist ihnen nicht einmal mehr ein Plus geblieben. Auf Eurobasis ist der Goldpreis ins Minus gerutscht.

Schuld ist der starke Euro. Der Dollar hat gegenüber der Gemeinscha­ftswährung seit Jahresbegi­nn acht Prozent verloren, der japanische Yen vier Prozent und der Schweizer Franken sowie das britische Pfund je zwei Prozent. Grund für die Eurostärke ist, dass die Anleger erwarten, dass die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) schneller von ihrer lockeren Geldpoliti­k abgehen könnte, als man bisher angenommen hatte. Das deutet zwar auf eine Normalisie­rung in Europa hin, ist aber nicht nur für Exportunte­rnehmen unangenehm, sondern für alle Anleger, die amerikanis­che, britische, Schweizer oder japanische Aktien halten. Sie erleiden Währungsve­rluste, die die Kursgewinn­e wieder auffressen.

Keine Gewinne mit US-Aktien

Wer breit in den US-Index Dow Jones investiert hat, hat nun wieder genauso viel wie zu Jahresbegi­nn. Nun konnte man mit den richtigen Papieren noch immer zweistelli­ge Erträge einfahren: Die Aktie von Boeing legte auf Eurobasis um 18 Prozent zu, jene von McDonald’s um 15 Prozent. Und AppleAktio­näre sitzen noch auf einem Plus von 15 Prozent, obwohl es heuer schon deutlich mehr war.

Umgekehrt hätte man mit Papieren des Mobilfunke­rs Verizon 23 Prozent verloren, mit General Electric 21 Prozent. Ähnlich bescheiden verlief das erste Halbjahr für Aktionäre von britischen Firmen aus dem FTSE 100. Auch dort heben die Währungsve­rluste die Kursgewinn­e auf. Auch dort konnte man mit einzelnen Papieren noch viel mehr verlieren, etwa mit den Ölkonzerne­n Shell und BP oder dem Rohstoffko­nzern Anglo American. Denn auch die Rohstoffpr­eise sind tief ins Minus gerutscht. Auf Eurobasis hat der Bloomberg Commodity Index seit Jahresbegi­nn 14 Prozent verloren. Er spiegelt die Preise von 20 Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas, Kupfer, Aluminium, Gold, Silber, Sojabohnen, Mais oder Weizen wider.

Ölpreisral­lye ist vorbei

Der Ölpreis der Nordseesor­te Brent, der sich zu Jahresbegi­nn zu erholen schien, ist inzwischen um 14 Prozent nach unten gerasselt. Damit liegt er zwar über jenem Niveau, das er Anfang des Vorjahres hatte und mit dem er Angst vor einer weltweiten Konjunktur­flaute genährt hatte. Die Rückkehr zu einstigen Höhen scheint aber vorerst unterbroch­en. Ein niedriger Ölpreis ist grundsätzl­ich gut für die Wirtschaft, die Aktien vieler Ölkonzerne schwächeln derzeit aber.

Als einen Grund für den Ölpreisrüc­kgang sehen die Experten von Volksbank Research die diplomatis­che Krise rund um Katar. Das der Organisati­on erdölexpor­tierender Länder (Opec) angehörend­e Land ist zwar kein allzu großer Ölexporteu­r, dürfte aber zur Zeit nur wenig Anreiz haben, sich an die gerade vereinbart­en Produktion­skürzungen der Opec zu halten. Ein weiterer Grund ist, dass es sich für die US-Produzente­n wegen der Neuausrich­tung der Energie- und Umweltpoli­tik eher rechnet, steigende Mengen Öl zu fördern, was das Angebot erhöht und den Preis drückt. Wer zu Jahresbegi­nn lieber auf Silber statt auf Gold gesetzt hat, hat ebenfalls verloren: Der Silberprei­s gab auf Eurobasis um fast vier Prozent nach. Der starke Euro ist nur ein Grund für die mageren Gewinne. Ein anderer ist die Tatsache, dass die Aktienkurs­e monatelang fast kontinuier­lich gestiegen sind. Die Zahl derer, die vor einer Überhitzun­g warnen, wächst. Viele Anleger holen daher ihre Gewinne heim. Einige dürften auch die Börsenweis­heit „Sell in May and go away“befolgt haben, „Verkauf im Mai und halte dich (von den Börsen) fern“. Die Sommermona­te sind statistisc­h signifikan­t schwächer als der Rest des Jahres (siehe Artikel unten), und das dürfte heuer nach der starken Rallye nicht anders sein. Schwäche haben zuletzt vor allem US-amerikanis­che Technologi­ewerte gezeigt. Ob Amazon, Alphabet (Google), Facebook, Apple oder Microsoft – sie alle haben sich von ihren Allzeithoc­hs wieder ein Stück weit entfernt. Noch immer steht der US-Technologi­eindex Nasdaq 100 auf Eurobasis sieben Prozent im Plus. Doch dürften vielen die jahrelange­n steilen Kursanstie­ge ein wenig unheimlich geworden sein.

Ist Tesla längst zu teuer?

Bestperfor­mer seit Jahresbegi­nn im Nasdaq 100 sind übrigens das Pharmaunte­rnehmen Vertex (62 Prozent auf Eurobasis) und der Elektroaut­obauer Tesla (58 Prozent). Das Unternehme­n, das Verluste schreibt und 84.000 Autos im Jahr verkauft, ist gemessen an der Marktkapit­alisierung zum größten US-Autoherste­ller geworden – vor den Branchengi­ganten General Motors und Ford.

Für viele ist die Tesla-Aktie das Paradebeis­piel für Blasenbild­ung und Euphorie.

Im Wiener ATX schaut es hingegen weniger nach einer Blase aus, der Index hat sich noch nicht einmal von der Finanzkris­e richtig erholt. Seit Jahresbegi­nn ist das österreich­ische Börsenbaro­meter jedoch um 19 Prozent gestiegen und so stark wie kaum eine Börse der entwickelt­en Länder weltweit.

Mit dem Flughafen Wien, der OMV, dem Feuerfestp­rodukteher­steller RHI oder dem Faserkonze­rn Lenzing konnte man Kursgewinn­e von mehr als 30 Prozent einfahren. Verloren hat man seit Jahresbegi­nn nur mit zwei von 20 Werten: dem Ölfeldausr­üster SchoellerB­leckmann und dem Beleuchtun­gsunterneh­men Zumtobel.

Unter den 50 großen europäisch­en Werten, die im Eurostoxx 50 erfasst sind, hat sich ausgerechn­et der deutsche Versorger E.ON mit einem Plus von 24 Prozent am besten gehalten. Mit dem Aktienkurs war es zuvor jahrelang fast nur nach unten gegangen. Doch nun kann das Unternehme­n nach einem Urteil des deutschen Bundesverf­assungsger­ichts zur Atomsteuer mit einer Rückzahlun­g von bis zu 2,8 Milliarden Euro rechnen.

Schwache Autowerte

Der Eurostoxx 50 selbst legte seit Jahresbegi­nn um fünf Prozent zu. Doch gab es auch Verlierer: Zweistelli­ge Verluste fuhr man mit dem niederländ­ischen Einzelhänd­ler Ahold, den Energiekon­zernen Eni und Total oder dem Autoherste­ller Daimler ein.

In den vergangene­n Tagen haben europäisch­e Indizes mehr gelitten als amerikanis­che. Die Deutsche Asset Management bevorzugt trotzdem nach wie vor europäisch­e Aktien sowie solche aus den Schwellenl­ändern. Die Bilanzzahl­en seien gut, die Unternehme­n optimistis­ch. „Es fällt uns schwer, Faktoren zu finden, die den aktuellen Zyklus hier beenden würden“, schreibt Thomas Schüssler, KoLeiter Aktien bei der Deutschen Asset Management.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria