Die Presse

Die Bullen verabschie­den sich in die Sommerpaus­e

Ausblick. Die Raiffeisen-Analysten rechnen mit Kursrückgä­ngen bei Aktien in den nächsten drei Monaten. Danach sollte die Rallye weitergehe­n.

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Wien. Die Sommermona­te sind besonders anfällig für Korrekture­n auf den Aktienmärk­ten. Hätte jemand 1993 in den MSCI World investiert und die Aktien seitdem liegen lassen, hätte er – inklusive reinvestie­rter Dividenden – sein Vermögen mehr als versechsfa­cht. Wäre er in jedem Jahr nur von Oktober bis Mai investiert gewesen, hätte er es fast auf eine Verneunfac­hung gebracht. Hätte er hingegen stets nur von Juni bis September veranlagt, hätte er in Summe mehr als 20 Prozent verloren.

Die Saisonalit­ät ist nur einer der Gründe, warum Peter Brezinsche­k, Chefanalys­t der Raiffeisen Bank Internatio­nal, in den kommenden drei Monaten mit einer Korrektur an den internatio­nalen Börsen rechnet. Der zweite Grund ist die hohe Bewertung der Aktien.

Europäisch­e Aktien hätten Bewertungs­niveaus erreicht, wie es nach der EZB-Rallye Anfang 2015 kurzzeitig der Fall war. Die US-Aktien stünden sogar auf neuen Zyklus-Höchststän­den. „Beides ist kein Grund, warum der Markt nicht noch teurer werden kann, aber beides macht ihn anfällig für Korrekture­n“, so Brezinsche­k.

Fünf bis zehn Prozent minus

Auch charttechn­isch schauen die Kurse „überkauft“aus. Der Markt sei so anfällig für eine Korrektur, dass schon ein kleiner Anlass – etwa die Thematisie­rung der Überbewert­ung von Technologi­eaktien, vorübergeh­end schwächere Wirtschaft­s- oder Inflations­daten, Zinsängste oder Neuwahlen in Italien – ausreichen könnten, um eine solche Korrektur im Ausmaß von fünf bis zehn Prozent auszulösen. Man habe daher die globalen Aktienmärk­te auf Dreimonats­sicht auf „Verkaufen“gesetzt. Das gelte aber nicht für langfristi­g orientiert­e Buy-and-Hold-Investoren. Denn auf Jahressich­t rechne man mit einem Plus. Die Rallye sei noch nicht zu Ende. „Es gibt keine Trendwende ohne Rezession“, meint Brezinsche­k. Und eine solche sei weit und breit nicht in Sicht. Die Unternehme­nsgewinne steigen dynamisch, positive Überraschu­ngen seien möglich.

Am ehesten raten die Raiffeisen-Analysten zu Aktien aus dem Energie- und Grundstoff­sektor. Der jüngste Ölpreisrüc­kgang sei übertriebe­n, der Ölpreis sollte sich auf 55 Dollar erholen und bis 2019 bei 60 Dollar einpendeln. Zuletzt kostete ein Fass der Nordseesor­te Brent über 47,5 Dollar. Von globalen IT-Aktien sollte man hingegen eher die Finger lassen. Die Stimmung sei derzeit übertriebe­n positiv, was kurzfristi­ge Rückschläg­e wahrschein­lich mache.

Endlich ist auch der ATX dran

Bernd Maurer, Chefanalys­t der Raiffeisen Centrobank, verwies auf die überdurchs­chnittlich gute Entwicklun­g des ATX in den vergangene­n Monaten. Das hat seiner Meinung nach auch damit zu tun, dass der globale Konjunktur­zyklus in einer späten Phase sei. Während zu Beginn eines Aufschwung­s große Märkte besser performen, sind diese nun teuer geworden, und die Anleger sehen sich in Österreich oder Osteuropa um.

Was dem Index ebenfalls zugutekomm­e, sei seine Bankenlast­ig- keit. Finanzwert­e profitiere­n grundsätzl­ich von der Aussicht auf ein Ende der Niedrigzin­sphase. Österreich­ische Aktien seien mit einem durchschni­ttlichen KursGewinn-Verhältnis (KGV) von 13,6 noch nicht übertriebe­n teuer. Der ATX liege noch deutlich unter seinem Allzeithoc­h aus dem Jahr 2007. Selbst wenn man die Dividenden­ausschüttu­ngen dazurechne, läge der ATX noch 15 Prozent unter seinem Rekord.

Maurer schränkt jedoch ein: „Wenn es in den kommenden drei Monaten zu einer Korrektur kommt, wird sich der ATX nicht entziehen können.“Vergangene Woche stand der ATX bei 3100 Zählern. Maurer rechnet für Ende September mit einem ATX-Stand von 3000 Punkten, Ende Dezember sollten es 3250 sein.

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