Wenn die Börsenlemminge rennen
Veranlagen. In Zeiten mehrjähriger Aufwärtstrends ignorieren viele Investoren wichtige Grundregeln und folgen lieber dem Herdentrieb. Das kann zu kostspieligen Fehlern führen.
Wien. „Diesmal ist es anders!“Noch immer lassen sich Anleger von dem alten Spruch beeindrucken. Dabei werden vor allem in Zeiten langjähriger Aufwärtstrends zahlreiche Grundregeln des Veranlagens gerne ignoriert. Sie sind kein Allheilmittel, können aber helfen, vernünftiger mit der eigenen Veranlagung umzugehen, und Verluste während einer Korrektur zu verringern.
Dabei steigt die Gefahr eines Rücksetzers, je länger die Hausse andauert. Wer alles auf eine Karte gesetzt und auf eine breite Diversifizierung verzichtet hat, den kann die Korrektur umso schmerzhafter treffen. Und trotzdem zählt die mangelnde Streuung noch immer zu den klassischen Anlegerfehlern, moniert Silvia Pecha, Dachfondsmanagerin bei der Gutmann KAG.
Denn in einem gut diversifizierten Depot gebe es eben Anlageklassen, die sich besser, und andere, die sich weniger gut entwickelten. Wobei ausgerechnet in Zeiten tiefer Zinsen Anleger bereit sein müssten, ein größeres Aktienrisiko einzugehen, um möglichst Chancen auf eine positive Rendite zu nutzen, meint die langjährige Marktexpertin. „Umso mehr sind bei einem hohen Aktienanteil Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten ein adäquater Gegenpol“, verdeutlicht Pecha das Prinzip der Streuung.
Doch bedeutet Diversifizierung nicht, nur in verschiedene Wertpapiere am Heimmarkt zu investieren. Das ist aber oft der Fall. Für Kathrein-Privatbank-Chefin Susanne Höllinger liegt der Grund auf der Hand: „Durch die Konzentration auf den Heimmarkt glaubt der Investor, besser informiert zu sein.“Ein Fehler, wie Höllinger betont, „da dies zu einer Konzentration auf wenige Branchen oder Regionen führt“. Globale oder überregionale Einflüsse würden einfach ignoriert.
Auch von vermeintlich „heißen Tipps“sollte man die Finger lassen. Solche stoßen vor allem dann auf offene Ohren, wenn die Märkte teuer und günstige Investments schwer zu finden sind. Doch das kann ins Auge gehen. Anleger, die kurzfristig auf die Übernahme des deutschen Pharmakonzerns Stada gesetzt hatten, sitzen nun womöglich auf einem Minus. Denn die Übernahme wurde überraschend abgeblasen, der Kurs der Stada-Aktie knickte kräftig ein.
Nicht ohne Grund, meint Höllinger: „Disziplin bezüglich der Anlagestrategie, die man einmal gewählt hat, ist extrem wichtig.“Davon würden viele Anleger immer wieder abweichen und sich irritieren lassen. Dabei gelingt nur den wenigsten Anlegern das richtige Timing, ständiges Wechseln bringt selten Erfolge. Obendrein kostet ein häufiger Wertpapiertausch eine Menge Spesen.
Auch an den Ausstieg denken
Bleibt man seiner Strategie treu, sollte man auch auf den Ausstiegszeitpunkt nicht vergessen. Je besser ein Wertpapier läuft, desto größer wird nämlich der Appetit auf ein weiteres Kursplus. Auch das kann zu falschen Entscheidungen führen. „Hohe Renditen sind verlockend, aber selten realisierbar, und gehen mit hohen Verlustmöglichkeiten einher“, mahnt Höllinger vor überzogenen Erwartungen. Gerade in gut laufenden Aktienmärkten neigten Anleger dazu, das Risiko zu unterschätzen. Gewinne sollte man vernünftig realisieren, wobei der Ausstieg auch in Etappen erfolgen kann. Bei längeren Verlustpositionen sollte man eventuell einen Schlussstrich in Erwägung ziehen.
Wer seine Geldanlage also selbst in die Hand nehmen möchte, sollte Erfahrungswerte berücksichtigen. Auch wenn man die Börse nicht steuern kann, lässt sich zumindest das eigene Verhalten hinterfragen. „Die Umsetzung von Annahmen in einem Portfolio muss entsprechend vorsichtig erfolgen“, meint Pecha von der Gutmann KAG. Und selbst wenn eine Meinung einmal nicht zutreffe, müssten Anleger mit dem Ergebnis ebenso leben können. Schließlich ist die Börse keine Einbahnstraße.