Mitarbeiteraktien verfassungswidrig begünstigt?
Steuerrecht. Das vom Nationalrat beschlossene Modell der Mitarbeiterbeteiligungsstiftung kommt nur Angestellten von Aktiengesellschaften zugute. Angestellte von GmbHs wären jedoch gleichermaßen unterstützenswert.
Wien. Vorige Woche haben die Regierungsparteien im Nationalrat das Mitarbeiterbeteiligungsstiftungsgesetz 2017 beschlossen. Kernstück ist die Einführung einer Steuerbegünstigung für „Mitarbeiteraktien“: Zukünftig soll der Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Weitergabe von Aktien des Arbeitgebers (oder von Konzernunternehmen) an Arbeitnehmer im Höchstausmaß von 4500 Euro pro Jahr steuer- und sozialversicherungsfrei sein. Diese Aktien sollen während des Dienstverhältnisses von einer eigenen Privatstiftung für die Arbeitnehmer treuhändig verwaltet werden, um die Stimmen der Arbeitnehmer zu bündeln. Mit 4500 Euro ist diese Steuerbegünstigung eine der größten für Arbeitnehmer.
Mitarbeiterbeteiligungsmodelle steuerlich zu unterstützen ist sinnvoll: Die Mitarbeiter partizipieren am Erfolg des Unternehmens, sie identifizieren sich mit dem Unternehmen, sind somit motivierter, denken unternehmerisch, bringen öfters Verbesserungsideen ein und können mit ihrem Stimmrecht über das Schicksal des Unternehmens mitentscheiden. Da aktuell das Geld auf der Bank kaum noch Zinsen abwirft bzw. von der Inflation aufgefressen wird, erscheint die Anschaffung von Wertpapieren (insbesondere Anteilen am Unternehmen) heute noch interessanter als je zuvor. Dennoch ist in Österreich der Aktionärsanteil an der Gesamtbevölkerung mit 7% besonders gering. In den Niederlanden beträgt er 30%, in der Schweiz 20% und sogar in Frankreich 15%.
Neben der Begünstigung der Mitarbeiteraktien existiert heute bereits eine andere, generelle Begünstigung für Mitarbeiterbeteiligungen in der Höhe von 3000 Euro pro Jahr. Im Gegensatz zur Begünstigung der Mitarbeiteraktien ist diese generelle Begünstigung bei allen Unternehmen (Körperschaften) möglich. Der Arbeitge- ber muss daher – nicht wie bei den Mitarbeiteraktien – eine Aktiengesellschaft sein. Vielmehr kann der Arbeitgeber auch eine GmbH oder eine Genossenschaft sein.
Sollen bei einer GmbH die Mitarbeiter beteiligt werden, ist die Mitarbeiterbeteiligung von 3000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei. Dagegen können die Mitarbeiter von Aktiengesellschaften mit der neuen Regelung nicht nur die generelle Steuerbefreiung in Anspruch nehmen, sondern auch zusätzlich (!) die neue Steuerbefreiung. Diese Kumulierung führt zu einem möglichen steuerfreien Betrag von 7500 Euro pro Jahr bei Aktiengesellschaften.
Mehrfachnutzung möglich
Da die neue Steuerbegünstigung (Mitarbeiteraktien) pro Dienstverhältnis zusteht, könnten Arbeitnehmer von Aktiengesellschaften mit mehreren Dienstverhältnissen im Konzern (z. B. bei der Mutter- und bei der Tochtergesellschaft) die Steuerbegünstigung sogar mehrfach geltend machen. Dagegen würde ein großer Teil der österreichischen Arbeitnehmer, die bei GmbHs (z. B. Red Bull GmbH oder Porsche Holding GmbH oder Raddatz Fleischwaren Vertriebs- ges.m.b.H) beschäftigt sind, bedeutend schlechter gestellt werden.
Die neue Steuerbefreiung beeinträchtigt insbesondere den Wettbewerb am Arbeitsmarkt: Wenn derselbe Arbeitnehmer für dieselbe Tätigkeit neben dem Fixgehalt bei einer Aktiengesellschaft Mitarbeiteraktien in Höhe von 7500 Euro (steuerfrei) und bei einer GmbH Mitarbeiteranteile in Höhe von 7500 Euro (davon 4500 steuerpflichtig) bekommt, dann wird er sich – wegen der besseren Besteuerung – für die AG entscheiden. Und nicht für die GmbH, weil er sich bei der Aktiengesellschaft im Normalfall je nach Steuertarif etwa 2000 Euro an Steuern (und Sozialversicherung) ersparen kann. Eine solche Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich bedenklich, wenn für die Ungleichbehandlung keine geeignete sachliche Rechtfertigung existiert.
Gesetzeszweck der Begünstigung für Mitarbeiteraktien sind: 1. Die Bildung und Stärkung eines Kernaktionärs; 2. Die Vermeidung Übernahmen; sowie 3. Die Sicherung von Arbeitsplätzen und Standort.
Diese Gründe scheinen allerdings nicht geeignet zu sein, um feindlicher die Ungleichbehandlung zwischen Aktiengesellschaften und anderen Gesellschaften zu rechtfertigen. Die Stärkung eines Kerngesellschafters ist bei jeder Gesellschaftsform unterstützungswürdig. Zumal der Kerngesellschafter (bestehend aus Arbeitnehmern) immer dazu dienen soll, die Abwanderung von Arbeitsplätzen zu verhindern. Dieses Argument greift aber sowohl bei Aktiengesellschaften als auch bei GmbHs. Da es in Österreich kaum Fälle feindlicher Übernahmen gab, geht auch das zweite Argument ins Leere. Da- rüber hinaus sind feindliche Übernahmen auch bei einer GmbH nicht ausgeschlossen, wenn ein Gesellschafter gegen den Willen der übrigen Gesellschafter seine Anteile verkaufen kann.
Kleinere Betriebe im Nachteil
Weiters sichern nicht nur Aktiengesellschaften, sondern auch die anderen Gesellschaftsformen hunderttausende Arbeitsplätze in Österreich. Schließlich stellt sich die Frage, warum nur die Arbeitnehmer großer Aktiengesellschaften und nicht auch Klein- und Mittelbetriebe begünstigt werden sollen. Die neue Regelung soll mit 1. Jänner 2018 in Kraft treten und ist augenscheinlich verfassungsrechtlich problematisch. Zu hoffen ist, dass letztlich der Gesetzgeber oder der Verfassungsgerichtshof die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer sicherstellt.