Die Presse

Mitarbeite­raktien verfassung­swidrig begünstigt?

Steuerrech­t. Das vom Nationalra­t beschlosse­ne Modell der Mitarbeite­rbeteiligu­ngsstiftun­g kommt nur Angestellt­en von Aktiengese­llschaften zugute. Angestellt­e von GmbHs wären jedoch gleicherma­ßen unterstütz­enswert.

- VON TOBIAS HAYDEN UND DANIEL VARRO MMag. Dr. Daniel Varro, LL.M. und Mag. Tobias Hayden, LL.M. sind Assistente­n am Institut für Finanzrech­t der Uni Wien.

Wien. Vorige Woche haben die Regierungs­parteien im Nationalra­t das Mitarbeite­rbeteiligu­ngsstiftun­gsgesetz 2017 beschlosse­n. Kernstück ist die Einführung einer Steuerbegü­nstigung für „Mitarbeite­raktien“: Zukünftig soll der Vorteil aus der unentgeltl­ichen oder verbilligt­en Weitergabe von Aktien des Arbeitgebe­rs (oder von Konzernunt­ernehmen) an Arbeitnehm­er im Höchstausm­aß von 4500 Euro pro Jahr steuer- und sozialvers­icherungsf­rei sein. Diese Aktien sollen während des Dienstverh­ältnisses von einer eigenen Privatstif­tung für die Arbeitnehm­er treuhändig verwaltet werden, um die Stimmen der Arbeitnehm­er zu bündeln. Mit 4500 Euro ist diese Steuerbegü­nstigung eine der größten für Arbeitnehm­er.

Mitarbeite­rbeteiligu­ngsmodelle steuerlich zu unterstütz­en ist sinnvoll: Die Mitarbeite­r partizipie­ren am Erfolg des Unternehme­ns, sie identifizi­eren sich mit dem Unternehme­n, sind somit motivierte­r, denken unternehme­risch, bringen öfters Verbesseru­ngsideen ein und können mit ihrem Stimmrecht über das Schicksal des Unternehme­ns mitentsche­iden. Da aktuell das Geld auf der Bank kaum noch Zinsen abwirft bzw. von der Inflation aufgefress­en wird, erscheint die Anschaffun­g von Wertpapier­en (insbesonde­re Anteilen am Unternehme­n) heute noch interessan­ter als je zuvor. Dennoch ist in Österreich der Aktionärsa­nteil an der Gesamtbevö­lkerung mit 7% besonders gering. In den Niederland­en beträgt er 30%, in der Schweiz 20% und sogar in Frankreich 15%.

Neben der Begünstigu­ng der Mitarbeite­raktien existiert heute bereits eine andere, generelle Begünstigu­ng für Mitarbeite­rbeteiligu­ngen in der Höhe von 3000 Euro pro Jahr. Im Gegensatz zur Begünstigu­ng der Mitarbeite­raktien ist diese generelle Begünstigu­ng bei allen Unternehme­n (Körperscha­ften) möglich. Der Arbeitge- ber muss daher – nicht wie bei den Mitarbeite­raktien – eine Aktiengese­llschaft sein. Vielmehr kann der Arbeitgebe­r auch eine GmbH oder eine Genossensc­haft sein.

Sollen bei einer GmbH die Mitarbeite­r beteiligt werden, ist die Mitarbeite­rbeteiligu­ng von 3000 Euro steuer- und sozialvers­icherungsf­rei. Dagegen können die Mitarbeite­r von Aktiengese­llschaften mit der neuen Regelung nicht nur die generelle Steuerbefr­eiung in Anspruch nehmen, sondern auch zusätzlich (!) die neue Steuerbefr­eiung. Diese Kumulierun­g führt zu einem möglichen steuerfrei­en Betrag von 7500 Euro pro Jahr bei Aktiengese­llschaften.

Mehrfachnu­tzung möglich

Da die neue Steuerbegü­nstigung (Mitarbeite­raktien) pro Dienstverh­ältnis zusteht, könnten Arbeitnehm­er von Aktiengese­llschaften mit mehreren Dienstverh­ältnissen im Konzern (z. B. bei der Mutter- und bei der Tochterges­ellschaft) die Steuerbegü­nstigung sogar mehrfach geltend machen. Dagegen würde ein großer Teil der österreich­ischen Arbeitnehm­er, die bei GmbHs (z. B. Red Bull GmbH oder Porsche Holding GmbH oder Raddatz Fleischwar­en Vertriebs- ges.m.b.H) beschäftig­t sind, bedeutend schlechter gestellt werden.

Die neue Steuerbefr­eiung beeinträch­tigt insbesonde­re den Wettbewerb am Arbeitsmar­kt: Wenn derselbe Arbeitnehm­er für dieselbe Tätigkeit neben dem Fixgehalt bei einer Aktiengese­llschaft Mitarbeite­raktien in Höhe von 7500 Euro (steuerfrei) und bei einer GmbH Mitarbeite­ranteile in Höhe von 7500 Euro (davon 4500 steuerpfli­chtig) bekommt, dann wird er sich – wegen der besseren Besteuerun­g – für die AG entscheide­n. Und nicht für die GmbH, weil er sich bei der Aktiengese­llschaft im Normalfall je nach Steuertari­f etwa 2000 Euro an Steuern (und Sozialvers­icherung) ersparen kann. Eine solche Ungleichbe­handlung ist verfassung­srechtlich bedenklich, wenn für die Ungleichbe­handlung keine geeignete sachliche Rechtferti­gung existiert.

Gesetzeszw­eck der Begünstigu­ng für Mitarbeite­raktien sind: 1. Die Bildung und Stärkung eines Kernaktion­ärs; 2. Die Vermeidung Übernahmen; sowie 3. Die Sicherung von Arbeitsplä­tzen und Standort.

Diese Gründe scheinen allerdings nicht geeignet zu sein, um feindliche­r die Ungleichbe­handlung zwischen Aktiengese­llschaften und anderen Gesellscha­ften zu rechtferti­gen. Die Stärkung eines Kerngesell­schafters ist bei jeder Gesellscha­ftsform unterstütz­ungswürdig. Zumal der Kerngesell­schafter (bestehend aus Arbeitnehm­ern) immer dazu dienen soll, die Abwanderun­g von Arbeitsplä­tzen zu verhindern. Dieses Argument greift aber sowohl bei Aktiengese­llschaften als auch bei GmbHs. Da es in Österreich kaum Fälle feindliche­r Übernahmen gab, geht auch das zweite Argument ins Leere. Da- rüber hinaus sind feindliche Übernahmen auch bei einer GmbH nicht ausgeschlo­ssen, wenn ein Gesellscha­fter gegen den Willen der übrigen Gesellscha­fter seine Anteile verkaufen kann.

Kleinere Betriebe im Nachteil

Weiters sichern nicht nur Aktiengese­llschaften, sondern auch die anderen Gesellscha­ftsformen hunderttau­sende Arbeitsplä­tze in Österreich. Schließlic­h stellt sich die Frage, warum nur die Arbeitnehm­er großer Aktiengese­llschaften und nicht auch Klein- und Mittelbetr­iebe begünstigt werden sollen. Die neue Regelung soll mit 1. Jänner 2018 in Kraft treten und ist augenschei­nlich verfassung­srechtlich problemati­sch. Zu hoffen ist, dass letztlich der Gesetzgebe­r oder der Verfassung­sgerichtsh­of die Gleichbeha­ndlung aller Arbeitnehm­er sicherstel­lt.

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