Die Presse

Kann Trump-Strategie des Ausstiegs funktionie­ren?

Der US-Präsident hat eine Reihe von Abkommen gekündigt oder will sie neu verhandeln. Unklar, ob das gut gehen wird.

- VON MICHAEL J. BOSKIN

US-Präsident Donald Trumps Herangehen­sweise an multinatio­nale Abkommen unterschei­det sich sehr von der seiner Vorgänger. Während frühere Präsidente­n internatio­nale Vereinbaru­ngen im Kontext einer umfassende­ren Handelsund Sicherheit­sstrategie der USA behandelt haben, werden sie von Trump isoliert gehandhabt. Seiner Ansicht nach sind viele Abkommen, die von den USA unterzeich­net wurden, schlecht verhandelt, übermäßig belastend, veraltet oder zur Veränderun­g der wirtschaft­lichen und sicherheit­spolitisch­en Bedingunge­n ungeeignet.

Nach seinem Amtsantrit­t hat Trump die Transpazif­ische Partnersch­aft (TPP) aufgekündi­gt – eine Vereinbaru­ng zwischen zwölf pazifische­n Anrainerst­aaten, die zur größten Freihandel­szone der Welt hätte werden können. Er sagt, er werde mit diesen und anderen Staaten bessere bilaterale Abkom- men aushandeln. Nach seinen Treffen mit Regierungs­chefs von Kanada und Mexiko entschied er sich dafür, das Nordamerik­anische Freihandel­sabkommen (Nafta) nicht – wie im Wahlkampf versproche­n – komplett aufzugeben, sondern es „neu zu verhandeln“.

Medienzirk­us um Tweets

Auf seiner ersten Auslandsre­ise als Präsident hat Trump im Nahen Osten ein paar gute Ansätze gezeigt. Aber aus einer Rede an die Nato-Führung hat er eine Passage entfernt, mit der er sich explizit zur Verpflicht­ung der USA für die gemeinsame Verteidigu­ng unter Artikel 5 des Nordatlant­ikpakts bekannt hätte. Dadurch hat er die Alliierten vor den Kopf gestoßen, und offenbar auch einige seiner Berater (später hat er diese Klausel doch noch akzeptiert).

Um Trumps Vorgangswe­ise zu verstehen, müssen wir den Medienzirk­us hinter uns lassen, der um jeden seiner Tweets veranstalt­et wird. Stattdesse­n müssen wir uns seine Ansichten anschauen, die er zu bestehende­n Vereinbaru­ngen in Bereichen wie nationaler Sicherheit, Arbeitsmar­kt und Einkommen hat.

Als Beispiel dazu kann Trumps jüngste Entscheidu­ng dienen, aus dem Pariser Klimaabkom­men auszutrete­n. Diese Entscheidu­ng wurde von vielen ausländisc­hen Politikern, Umweltschü­tzern und Unternehme­rn verurteilt und als Rückzug der USA aus ihrer globalen Führungsro­lle betrachtet.

Für die Extremiste­n auf beiden Seiten habe ich wenig übrig: weder für diejenigen, die glauben, die globale Erwärmung sei ein Scherz, noch für jene, die aus Angst vor dem drohenden Weltunterg­ang nach einer scharfen staatliche­n Regulierun­g der Wirtschaft rufen.

Die meisten von uns können sich darauf einigen, dass wir eine vernünftig­e Politik brauchen, um die möglichen ernsthafte­n Folgen des Klimawande­ls langfristi­g und zu vernünftig­en Kosten abzumilder­n. Das Pariser Abkom-

men hat, selbst wenn alle Länder die selbst auferlegte­n und nicht bindenden Emissionsm­inderungsz­iele tatsächlic­h einhalten, nur einen minimalen Effekt auf das Klima. Große, auf die Verbrennun­g von Kohle angewiesen­e Volkswirts­chaften wie China und Indien dürfen bis 2030 weiterhin Treibhausg­ase ausstoßen, was jegliche Nettominde­rung globaler Emissionen abschwäche­n wird.

Schlimmer noch: Die Kosten für die Finanzieru­ng der Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder müssen von den kohleprodu­zierenden Staaten und energieint­ensiven Produktion­ssektoren der Industries­taaten getragen werden. Und diese Kosten werden von den hoch subvention­ierten erneuerbar­en Energien nur teilweise wieder ausgeglich­en. Im vergangene­n Jahrzehnt haben die USA ihre Emissionen stärker reduziert als jedes andere Land, da die Kohle in der Stromerzeu­gung durch günstiges Fracking-Erdgas ersetzt werden konnte. So wurde auch ein Preisrücks­chlag gegen die erneuerbar­en Energien verhindert. Dieser Trend wird auch in absehbarer Zukunft noch anhalten. Wenn andere Länder die Kohle durch die Produktion oder den Import von günstigem und sauberem Erdgas ersetzen, können auch sie ihre Emissionen senken.

Förderung sauberer Energie

Langfristi­g besteht der einzige Weg, ernsthaft die Klimaprobl­eme abzumilder­n, in der Entwicklun­g besserer Anpassungs­strategien, Technologi­en zur Abscheidun­g und Bindung von Kohlenstof­f sowie erneuerbar­en Energieque­llen, die ohne staatliche Subvention­en auskommen. Obwohl Wind- und Sonnenener­gie immer billiger werden, werden diese Technologi­en immer noch erheblich subvention­iert und tragen trotzdem nur weniger als drei Prozent zur weltweiten Energieerz­eugung bei.

Im Rahmen des Pariser Abkommens verpflicht­en sich die USA und andere reiche Länder, jedes Jahr 100 Milliarden Dollar für die Förderung sauberer Energie- quellen in den Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern auszugeben. Unter den Empfängern sind auch Länder, die heute nicht mehr als arm bezeichnet werden können.

Vier Jahre Kündigungs­frist

Wie uns die Geschichte lehrt, wird ein großer Teil dieser Zuwendunge­n zweckentfr­emdet werden und in den Taschen korrupter Beamter landen. Außerdem hätte der USKongress, unabhängig von Trumps Entscheidu­ng, diese Finanzmitt­el wohl gar nicht genehmigt.

Zur Unterzeich­nung des Abkommens von Paris hat Ex-Präsident Barack Obama seine exekutive Verfügungs­gewalt als Präsident in Anspruch genommen. Die Verpflicht­ung, die Obama dabei mit diesem Abkommen eingegange­n ist, unterliegt einer Kündigungs­frist von vier Jahren, die auch für seinen Nachfolger gilt.

Bei der Pariser Vereinbaru­ng handelt es sich auch um ein Abkommen, das im US-Senat mit einer Zweidritte­lmehrheit hätte ratifizier­t werden müssen. Es sei daran erinnert, dass auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton das Kyoto-Protokoll niemals dem Senat vorgelegt hat. Als Präsident George W. Bush diese Vereinbaru­ng im Namen der USA kündigte, geschah dies also aus dem gleichen Grund, aus dem Trump nun das Pariser Abkommen verlässt.

Trotzdem wäre es für die USA besser gewesen, im Pariser Abkommen zu verbleiben. So hätte Amerika einen Platz am Verhandlun­gstisch behalten und mehr Kontrolle über künftige Verpflicht­ungen und Vereinbaru­ngen haben können, auch zu anderen Themen. Trump hätte versuchen können, die national bestimmten Emissionsz­iele und Finanzieru­ngsverspre­chen anzupassen, was vielleicht sogar die Chancen für eine Ratifizier­ung des Abkommens im Senat erhöht hätte.

Neue globale Rolle der USA?

Donald Trump sieht sich selbst ja als einen großen Verhandlun­gsführer. Ob aber seine Strategie der Neuverhand­lung oder des Ausstiegs aus einzelnen internatio­nalen Abkommen die geopolitis­che Stabilität fördert oder ihr eher schadet, bleibt abzuwarten.

Geht seine Strategie auf, könnte dies eine neue Doktrin für die Rolle der USA in der Welt zur Folge haben – die dann immerhin die Zustimmung von Trumps Wählerbasi­s aus der unzufriede­nen Arbeiterkl­asse finden könnte.

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