Die Presse

Deutschlan­d droht G20-Gegnern

Politik. Vor dem G20-Treffen in Hamburg sind die Industrien­ationen gespalten wie selten zuvor. Trump schert sich nicht um das Credo des Freihandel­s – und könnte Mitläufer finden.

-

Gipfel. Die deutsche Bundesregi­erung hat gewalttäti­gen Gegnern des G20-Gipfels mit einem harten Durchgreif­en der Sicherheit­skräfte gedroht. „Die Linie ist klar: friedliche­r Protest ja, gewalttäti­ger Protest nein“, sagte Innenminis­ter Thomas des Maiziere der „Bild am Sonntag“. Gewalt, egal von wem, müsse von Anfang an im Keim erstickt werden.

Justizmini­ster Heiko Maas warnte militante Gipfel-Gegner vor strafrecht­lichen Konsequenz­en. Wer glaube, den G20-Gipfel mit Krawallen und Gewalt begleiten zu müssen, der habe jedes Demonstrat­ionsrecht verwirkt, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen des Redaktions­netzwerkes Deutschlan­d. „Wenn Autoreifen in Brand gesteckt oder Polizisten verletzt werden, sind das Straftaten. Dafür gebe es keinerlei Rechtferti­gung und das wird sehr konsequent verfolgt werden.“

Hamburg. „Welcome to Hell!“, steht auf den Plakaten Zehntausen­der G20-Gegner, die am Sonntag in Hamburg bei strömendem Regen einen kleinen Vorgeschma­ck auf die Proteste gaben, die die Treffen der internatio­nalen Wirtschaft­selite seit Jahren begleiten. Obwohl die Demonstran­ten den USPräsiden­ten Donald Trump als Hauptziel ihrer Kritik gewählt haben, ist es die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, die beim Gipfel kommenden Freitag und Samstag wirklich unter Druck stehen wird.

Das liegt nicht so sehr an den Demonstran­ten, die für mehr Umweltschu­tz und weniger Profitgier auf die Straße ziehen. Die Probleme kommen aus dem Inneren des G20-Kreises selbst. Selten waren die Mitglieder der zwanzig führenden Industrien­ationen in wichtigen Fragen so zerstritte­n wie jetzt. Grund dafür ist in erster Linie die neue Marschrich­tung, die Trump für die Vereinigte­n Staaten ausgegeben hat. Freihandel, in- ternationa­ler Klimaschut­z, offene Grenzen. All diese klassische­n G20-Themen interessie­ren Trump nur mäßig. Er predigt stattdesse­n unbeirrt den neuen Protektion­ismus als ideale Wirtschaft­sform, will die Welt mit fossiler Energie überschütt­en und droht selbst Deutschlan­d immer noch unverhohle­n mit Schutzzöll­en. Während früher schon Wochen vor dem Gipfel die Abschlusse­rklärung in ihren Grundzügen fertig war, scheint diesmal alles offen zu sein.

Russland, China, Indien schützen sich

„Ich sage schwierige Diskussion­en in Hamburg voraus“, sagte Merkel. „Der Dissens ist offenkundi­g. Es wäre nur unaufricht­ig, wenn wir ihn übertünche­n würden. Das werde ich jedenfalls nicht tun.“Das heißt: Es wird in Hamburg keinen Kompromiss um jeden Preis geben. Wie der Gipfel verlaufen könnte, zeigte das G7-Treffen vor einem Monat in Sizilien: Schon hier wurde der Bruch zwi- schen den USA und den übrigen Industrien­ationen in Sachen Klimaschut­z und Handel überdeutli­ch. Am Ende stand es 6:1 gegen Trump. Was diesen aber nicht daran gehindert hat, kurz darauf aus dem Klimaabkom­men von Paris auszusteig­en.

Diesmal könnte der Gipfel 19:1 ausgehen. Sicher ist das aber nicht. Denn auch außerhalb der USA wächst die Skepsis gegenüber dem Freihandel, und eine neue Welle des Protektion­ismus keimt auf. So finden sich unter jenen Ländern, die im Vorjahr die meisten Handelshür­den aufgebaut haben, auch die G20–Mitglieder Russland, China und Indien. Das „deutliche Signal für freie Märkte und gegen Abschottun­g“, das sich Merkel in Hamburg wünscht, könnte also ein Wunsch bleiben.

Merkel: Nachhaltig­es Wachstum für alle

Und noch ein weiterer Wunsch der CDUVorsitz­enden könnte unerfüllt bleiben: jener nach friedliche­n Demonstrat­ionen. Die deutschen Behörden warnen, dass die Proteste eskalieren könnten, wie zuletzt beim G8-Gipfel 2001 in Genua, als ein Mensch erschossen und Hunderte verletzt wurden. Die Hansestadt macht sich bereit, gewalttäti­ge Übergriffe, aber auch Sabotageak­te zu verhindern. Mögliche Ziele seien etwa der Hamburger Hafen oder der Flughafen der Stadt, so die „Welt am Sonntag“.

Einigen Argumenten der G20-Gegner kam Angela Merkel am gestrigen Sonntag entgegen: „Wir brauchen ein Klimaschut­zabkommen, offene Märkte und bessere Freihandel­sabkommen, in denen Konsumente­n- und Umweltschu­tz hochgehalt­en werden“, sagte sie. Wachstum müsse „nachhaltig und inklusiv“werden, damit auch wirklich alle davon profitiere­n könnten. Mache die Welt weiter wie bisher, sei das nicht zu schaffen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria