Die Presse

Ein Twitterkön­ig auf dem Weg nach gestern

Der kommende G20-Gipfel verheißt gefährlich­e Rückschrit­te.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D er G20-Gipfel vom kommenden Wochenende wirft in Hamburg erste (Schlag-)Schatten voraus: Die Chaoten, die den Gipfel der 20 wichtigste­n Wirtschaft­snationen verhindern wollen, liefern sich erste Scharmütze­l mit der Polizei.

Dabei wird ihr Protest immer sinnloser: Die Gegenseite beginnt ja schon, sich den Chaotenanl­iegen anzunähern. Etwa die Sache mit dem unter Linken so verpönten Freihandel: Zumindest vier G20-Staaten haben im Vorjahr große Schritte in Richtung Protektion­ismus gesetzt. Und mit China, Russland, Indien und den USA waren es nicht gerade die Kleinsten.

Da wundert es ein wenig, wenn die deutsche Bundeskanz­lerin als Gastgeberi­n einen „nachhaltig­en Aufschwung“beschwört. Was wir jetzt sehen, ist ja noch nicht nachhaltig, sondern von in der Geschichte beispiello­sen Interventi­onen der Notenbanke­n befeuert.

Natürlich hoffen wir alle, dass der Aufschwung bald selbsttrag­end wird. Dazu bedarf es allerdings eines Umfelds, wie wir es in den alten Zeiten der Prosperitä­t gesehen haben: Um (zweifellos vorhandene) Auswüchse bereinigte­n Freihandel, gesellscha­ftliche Öffnung, Liberalitä­t. Kurz: ein Klima, das Unternehme­rtum und Innovation befeuert. D as Beunruhige­nde ist, dass die Welt in genau die entgegenge­setzte Richtung geht: In den großen außereurop­äischen Wirtschaft­snationen geht der Weg zurück in den Protektion­ismus einher mit einer Poolarisie­rung des gesellscha­ftlichen Klimas, mit Einschränk­ungen der Pressefrei­heit, mit Druck auf oder gar mit konkreter Verfolgung von Andersdenk­enden. Dass dabei auch nur global bewältigba­re Themen wie der Klimaschut­z unter die Räder kommen, ist nur konsequent.

Das hat viel mit handelnden Personen in mächtigen Ländern zu tun. Etwa mit dem Twitterkön­ig im Weißen Haus oder mit seltsamen Potentaten wie dem saudischen König, der im 21. Jahrhunder­t nicht ohne seinen Thron auf Reisen geht. Aber nicht nur. Hier entsteht gerade ein gesellscha­ftlich und ökonomisch sehr gefährlich­er Retro-Mix. Dagegen sollte sich wenigstens Europa querlegen.

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