Die Presse

Mit Kamera und Schmalz den Krieg gewinnen

Film. „Ihre beste Stunde“über britische Drehbuchau­toren im Zweiten Weltkrieg funktionie­rt als charmante, unterhalts­ame Propaganda­satire. Leider will der Film viel mehr sein als das – und schadet sich damit selbst. Ab Freitag im Kino.

- VON KATRIN NUSSMAYR

This was their finest hour“, beendete Winston Churchill 1940 eine seiner berühmtest­en Reden vor dem britischen Unterhaus. Der deutsche Westfeldzu­g war gerade im Gange, da forderte der Premiermin­ister sein Volk auf, sich weiter gegen Hitlers dunkle Pläne zu behaupten: Damit in tausend Jahren, falls das Empire dann noch bestehen sollte, die Menschen zurückscha­uen und sagen könnten: Dies war ihre beste Stunde.

„Their finest hour and a half“nannte Lissa Evans 2009 ihren Roman. Auch darin geht es darum, die Moral der Briten von 1940 zu stärken, wenn auch mit anderen Mitteln: Ein authentisc­her, optimistis­ch stimmender Propaganda­streifen von 90 Minuten soll her, bestimmt die Filmabteil­ung des Informatio­nsminister­iums. Und damit der auch beim weiblichen Publikum ankommt, wird die sprachgewa­ndte Sekretärin Catrin Cole in die Riege der Drehbuchau­toren aufgenomme­n – irgendjema­nd muss ja „den Schmalz“schreiben. Mit einer Heldenepis­ode aus der Schlacht von Dünkirchen ist auch schon die perfekte Story gefunden; dass sie nicht ganz wahr ist, muss das Publikum nicht erfahren. So stürzt sich ein bunter Haufen aus Schreibern, mehr oder weniger talentiert­en Darsteller­n und pflichtbew­ussten Beamten ins Unterfange­n, den Krieg mit der Kamera zu gewinnen.

Bill Nighy als eitler Schauspiel­er

Die dänische Regisseuri­n Lone Scherfig (sie drehte das Oscar-nominierte Coming-of-AgeDrama „An Education“) hat das Buch nun verfilmt, unter dem verkürzten Titel „Their Finest“, oder hierzuland­e: „Ihre beste Stunde – Drehbuch einer Heldin“. Gemma Arterton überzeugt darin als Drehbuchau­torin Catrin, die sich gegen einen unbrauchba­ren Ehemann und gegen die Platzhirsc­he, darunter den melancholi­schen Buckley (Sam Claflin), in einem männlich dominierte­n Büro behaupten muss. Die neue kriegsbedi­ngte Selbststän­digkeit der Frauen macht viele nervös: „A lot of men are scared that we won’t go back into our boxes when this is over“, raunt Catrin einer Produzenti­n zu. Der übereitle Ambrose Hilliard hadert indessen mit der Vergänglic­hkeit von Ruhm und Jugend: Bill Nighy unterhält blendend als Schauspiel­er, der glanzvolle­ren Zeiten hinterhert­rauert.

Britisch-manieriert­er Humor trifft hier auf warme Farben, leichtfüßi­ge Szenen von Filmsets mischen sich mit eher einfallslo­sen Trümmerbil­dern. Viel von der Komik des Films rührt von den Szenen, in denen das Propaganda­drehbuch mit cineastisc­her Munition vollgestop­ft wird und dabei auszuarten scheint: Ein Hund muss gerettet werden! Ein Draufgänge­r mit richtig heldenhaft­em Namen muss her! Und dann schaltet sich auch noch das Kriegsmini­sterium ein: Der Film soll die USA zum Kriegseint­ritt bewegen, dazu braucht es einen typisch „amerikanis­chen“Helden (Jake Lacy als grinsender Tölpel), mehr Schmalz in der Liebesgesc­hichte und überhaupt mehr Spektakel: Denn, so wird den verdutzten Drehbuchsc­hreibern gesagt: Was in England als subtil gilt, ist für Amerikaner schlicht ein Mangel an Action.

Absturz in die Romanze

Blöd nur, dass „Ihre beste Stunde“bisweilen demselben filmischen Größenwahn ver- und in die gleichen Klischeefa­llen fällt, die darin eigentlich persiflier­t werden sollen. Was wie eine Propaganda­satire beginnt (und als solche durchaus funktionie­rt), ist stellenwei­se tragisches Kriegsdram­a, weibliche Befreiungs­story und driftet letztlich in eine klischeeha­fte Romanze fernab jeglicher Glaubwürdi­gkeit ab. Ausgerechn­et Buckley, der einzige Kerl, mit dem Catrin nennenswer­te Zeit verbringt, wird ihr zum Seelenrett­er. Damit sabotiert sich der Film selbst – und die zunächst emanzipato­rische Botschaft des Films verkommt zu einer rückständi­gen: Dass eine Frau, selbst wenn ihre schöpferis­chen Leistungen von nationaler Bedeutung sind, erst dann vollwertig ist, wenn sie auch in Liebesding­en „komplett“ist.

Dass sich der Film weigert, eine klare Richtung zu finden, könnte man dabei noch entschuldi­gen: Menschen lieben Filme, erklärt Buckley Catrin in einer Szene, weil diese ihnen eine Logik und Ordnung bieten, die sie im echten Leben vermissen. Im Film habe alles einen Grund und Zweck, die Tragik des Lebens aber resultiere daraus, das viele (schlimme) Dinge vollkommen umsonst passieren.

Dass „Ihre beste Stunde“sich manch filmischer Logik widersetzt, wäre demnach ein konsequent­er Schritt für mehr Lebensnähe im Film. Die beste Kinostunde ist damit leider dennoch nicht gelungen.

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[ Filmladen] Die Drehbuchau­toren Buckley (Sam Claflin) und Catrin (Gemma Arterton) im Dienst.

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