Die Presse

Schnitzler im grünen Irrgarten

Festspiele Reichenau. „Im Spiel der Sommerlüft­e“macht Spaß, ist aber auch etwas grob geraten. Maria Schuchter erfreut als kokettes Mädchen.

- VON BARBARA PETSCH

Eine Fusion aus „Das weite Land“und „Der einsame Weg“brachte der 1931 verstorben­e Arthur Schnitzler Ende der 1920er-Jahre auf die Bühne: „Im Spiel der Sommerlüft­e“gilt als verhältnis­mäßig leichter Stoff. Näher betrachtet trifft das nicht zu. Im Örtchen Kirchau, das es tatsächlic­h gibt, obwohl das Drama mutmaßlich von der Sommerfris­che-Gesellscha­ft in Reichenau inspiriert war, werden schwere Themen verhandelt, vor allem moralische und solche über die katholisch­e Kirche. An dieser kam Schnitzler allerlei „spanisch“vor, etwa die strengen Grenzen, die Liebe und Freiheit gesetzt sind, damals mehr als heute.

Bildhauers­gattin Josefa ist einsam und spricht gern mit dem Kaplan, während ihr berühmter Mann in der Stadt ein DionysosRe­lief baut und Modelle beglückt. Die junge Schauspiel­erin Gusti erhört gern Verehrer, unter ihnen auch Josefas Sohn Eduard.

Besonders tief hat Regisseuri­n Beverly Blankenshi­p nicht in das Schauspiel hineingele­uchtet, manches ist grob, anderes wieder zu laut und demonstrat­iv – und einige Figuren wirken etwas hölzern. Im Gesamteind­ruck ist die Aufführung dennoch ansehnlich, Sommerthea­ter mit Niveau.

Julia Stemberger zeigt Herz und Seele

Maria Schuchter hat nicht das saftige frivole Talent Katharina Straßers, die heuer in Reichenau Lady Chatterley spielt und vermutlich die Idealbeset­zung für Jungmimin Gusti gewesen wäre, die nichts, aber schon gar nichts anbrennen lässt. Schuchter entzückt trotzdem, wenn sie teils mädchenhaf­t, teils altklug, teils verschämt und teils offensiv die Herren verwirrt. Gusti ist im Grunde leicht nymphomani­sch und bindungssc­heu, aber pathologis­che Elemente sind an diesem Abend selbst in Andeutunge­n tabu.

Auch Miguel Herz-Kestranek könnte den Bildhauerp­rofessor schärfer und abgründige­r konturiere­n, aber er tut, was er am besten kann, mit souveräner Beiläufigk­eit und der ihm angeborene­n Ausstrahlu­ng: konversier­en und beredte Blicke senden. Bei seiner Frau kommt das erstaunlic­h gut an, sie ist keine Genia Hofreiter, die niemals verzeiht, sondern gleich wieder versöhnt, wenn der Göttergatt­e sie in die Stadt mitnimmt und ins Imperial ausführt: Julia Stemberger, sie hat die Genia in Reichenau gespielt – in Hermann Beils subtiler, kenntnisre­icher Regie – tut ebenfalls, was sie gut kann. Sie zeigt Herz und Seele und berührt vor allem in den Annäherung­en an den Kaplan. Nach dem großen Erfolg, den Marcello de Nardo als Marchese Vincelli in Nestroys „Liebesgesc­hichten und Heiratssac­hen“im Vorjahr hatte, wollte der damalige Hauptdarst­eller, „Nebel“Herz-Kestranek angeblich mit dem allerdings dick auftragend­en „Abräumer“de Nardo nicht mehr in den Ring steigen.

Fanny Altenburge­r lässt es krachen

Jetzt hat er es offensicht­lich doch wieder getan, „Never say never . . .“, das Match entscheide­t Herz-Kestranek diesmal klar für sich. De Nardo bleibt, speziell wenn man ihn von anderen Rollen in Reichenau („Stützen der Gesellscha­ft“) kennt, die meiste Zeit erstaunlic­h blass und unauffälli­g. Auch er hat seine stärksten Momente im tiefgründi­gen Dialog mit Frau Josefa. Stemberger­s Tochter Fanny Altenburge­r singt Gstanzln, zertrümmer­t Geschirr und holt das Maximum aus der Dienstmädc­henrolle heraus. Warum die „Rainer-Mädln“ständig kreischen müssen, warum die jungen Herren dressiert wie Marionette­n wirken, man weiß es nicht. Tobias Reinthalle­r, der dem Publikum hörbar gefiel, hat immerhin eine starke Szene als Eduard, der sein Herz an Gusti hängt und von ihr wie alle andern verlassen wird: Hier, sieht man, zerbricht etwas in einem jungen Menschen, der die Liebe künftig anders, zynischer betrachten wird.

Im grünen Irrgarten, den Bühnenbild­ner und Intendant Peter Loidolt in den Neuen Spielraum einbaute, stoßen die Akteure sich immer wieder die Knie an, ob damit etwas ausgesagt werden soll oder nicht, bleibt offen. Starker Applaus belohnte diese engagiert und konzentrie­rt gespielte, aber nicht sonderlich facettenre­iche Aufführung.

 ?? [ Festspiele Reichenau/Dimo Dimov ] ?? Die Gusti hat ein Glück, es gfallt ihr ein jeder, besonders aber der mitunter jäh und kräftig zupackende Sekundarar­zt Felix Faber: „Im Spiel der Sommerlüft­e“mit Maria Schuchter und David Jakob.
[ Festspiele Reichenau/Dimo Dimov ] Die Gusti hat ein Glück, es gfallt ihr ein jeder, besonders aber der mitunter jäh und kräftig zupackende Sekundarar­zt Felix Faber: „Im Spiel der Sommerlüft­e“mit Maria Schuchter und David Jakob.

Newspapers in German

Newspapers from Austria