Bei Freihandel geht es um mehr als nur um freien Handel
Das Abkommen der EU mit Japan hat wirtschaftlich und geopolitisch Sinn. Dennoch gibt es den üblichen automatischen Anti-Freihandels-Reflex.
K ennen Sie Jefta? Noch nicht? Keine Sorge, Sie werden schon demnächst viel darüber hören. Denn das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan steht kurz vor seinem Abschluss. Am Donnerstag soll im Vorfeld des G20-Gipfels mit Japans Premier, Shinzo¯ Abe, eine Grundsatzeinigung darüber geschlossen werden. Freihandelsgegner dürften dies als Startpunkt für groß angelegte Anti-Jefta-Kampagnen nutzen.
Ein erster Vorgeschmack wurde vor zwei Wochen geliefert. Da veröffentlichte Greenpeace 200 Seiten geheimen Verhandlungstexts. Aus den Papieren war ersichtlich, dass sich die EU und Japan in vielen Bereichen – etwa dem heftig umstrittenen Thema Schiedsgerichte – noch lange nicht einig sind. Das hinderte die Kritiker nicht daran, schon jetzt ein eindeutiges Urteil über Jefta zu fällen: Das Abkommen sei undemokratisch, verschlechtere Umwelt- und Sozialstandards und diene nur dem Interesse von Konzernen.
Das stimmt zwar alles nicht, macht aber Schlagzeilen und bringt die Spendenkassen zum Klingeln. Es wäre also ein Wunder, wenn sich dieser Tenor in Zukunft änderte. D och was steht in Jefta eigentlich drin? Vereinfacht gesagt geht es darum, sowohl Zölle – für die EU-Unternehmen rund eine Milliarde Euro pro Jahr – als auch andere Handelshemmnisse zu beseitigen. Wenn also eine Maschine in Japan zum Verkauf zugelassen wird, gilt diese Zulassung auch in Europa und umgekehrt. Das soll den Handel verstärken und für mehr Wachstum sorgen. Dass diese Harmonisierung der Standards nicht zu einer Verschlechterung führen darf, wurde dabei explizit im Vertragstext festgehalten. Ebenso, dass Staaten natürlich weiterhin das Recht haben, Gesetze bezüglich wichtiger Themen wie Umweltschutz oder Arbeitszeiten zu erlassen.
Und was ist mit den Schiedsgerichten? Dieser Punkt ist noch alles andere als fixiert. Die EU will hier einen ständigen Investitionsgerichtshof nach dem Vorbild des Ceta-Abkommens mit Kanada. Japan will weiterhin je nach Einzelfall Schiedsgerichte einsetzen. Letzteres wäre zwar die weniger progressive Variante, aber auch keine Veränderung zum Status quo. Denn Schiedsgerichte sind in den bilateralen Handelsverträgen seit Jahrzehnten vorhanden. Nur wurden sie halt nicht von Umweltschutzorganisationen regelmäßig als Teufelszeug gebrandmarkt. I n Summe steht die Kritik an Jefta auf weit schwächeren Beinen als etwa beim Vertrag mit den USA (TTIP). Denn anders als dort kann nicht einmal die Landwirtschaft als potenzielle Gefahr herhalten. So ist es schließlich die EU, die auf Öffnung des japanischen Marktes für Agrarprodukte drängt. Die Sorge, dass Europa künftig mit „Gen-Sushi“überflutet wird, ist hingegen enden wollend.
Schlussendlich bleibt von der Kritik nicht viel mehr als ein automatischer Anti-Freihandels-Reflex von NGOs übrig, die sich von ihrem ursprünglichen Gründungszweck bereits weit entfernt haben. Diese treiben dabei jedoch ein gefährliches Spiel. So ist es zwar kein Weltuntergang, wenn Abkommen wie Jefta aufgrund negativer öffentlicher Meinung nicht zustande kommen. Es würde aber ein wichtiger Impuls in einer Zeit ausgelassen, in der gesättigte Industrienationen ihr Wachstum immer öfter mit der Lupe suchen müssen.
Beinahe noch wichtiger ist aber die geopolitische Funktion von Freihandelsabkommen. Asien ist nach wie vor die aufstrebende Weltregion. Viele asiatische Länder haben aber starke Vorbehalte gegen den lokalen Hegemon China und suchen daher einen anderen großen Partner. Bisher waren das die USA. US-Präsident Donald Trump hat die jahrzehntelange Aufbauarbeit seiner Vorgänger in diesem Bereich jedoch mit einem Federstreich beseitigt.
Dieses Vakuum könnte nun die EU füllen. Das würde die globale Bedeutung Europas stärken und den Einfluss – etwa beim Setzen internationaler Standards – absichern. Das Abkommen mit Japan wäre ein erster Schritt einer solchen Asien-Strategie. Lässt die EU ihn aus, wird China die Lücke zwangsläufig füllen.