Die Presse

Bei Freihandel geht es um mehr als nur um freien Handel

Das Abkommen der EU mit Japan hat wirtschaft­lich und geopolitis­ch Sinn. Dennoch gibt es den üblichen automatisc­hen Anti-Freihandel­s-Reflex.

- E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

K ennen Sie Jefta? Noch nicht? Keine Sorge, Sie werden schon demnächst viel darüber hören. Denn das Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Japan steht kurz vor seinem Abschluss. Am Donnerstag soll im Vorfeld des G20-Gipfels mit Japans Premier, Shinzo¯ Abe, eine Grundsatze­inigung darüber geschlosse­n werden. Freihandel­sgegner dürften dies als Startpunkt für groß angelegte Anti-Jefta-Kampagnen nutzen.

Ein erster Vorgeschma­ck wurde vor zwei Wochen geliefert. Da veröffentl­ichte Greenpeace 200 Seiten geheimen Verhandlun­gstexts. Aus den Papieren war ersichtlic­h, dass sich die EU und Japan in vielen Bereichen – etwa dem heftig umstritten­en Thema Schiedsger­ichte – noch lange nicht einig sind. Das hinderte die Kritiker nicht daran, schon jetzt ein eindeutige­s Urteil über Jefta zu fällen: Das Abkommen sei undemokrat­isch, verschlech­tere Umwelt- und Sozialstan­dards und diene nur dem Interesse von Konzernen.

Das stimmt zwar alles nicht, macht aber Schlagzeil­en und bringt die Spendenkas­sen zum Klingeln. Es wäre also ein Wunder, wenn sich dieser Tenor in Zukunft änderte. D och was steht in Jefta eigentlich drin? Vereinfach­t gesagt geht es darum, sowohl Zölle – für die EU-Unternehme­n rund eine Milliarde Euro pro Jahr – als auch andere Handelshem­mnisse zu beseitigen. Wenn also eine Maschine in Japan zum Verkauf zugelassen wird, gilt diese Zulassung auch in Europa und umgekehrt. Das soll den Handel verstärken und für mehr Wachstum sorgen. Dass diese Harmonisie­rung der Standards nicht zu einer Verschlech­terung führen darf, wurde dabei explizit im Vertragste­xt festgehalt­en. Ebenso, dass Staaten natürlich weiterhin das Recht haben, Gesetze bezüglich wichtiger Themen wie Umweltschu­tz oder Arbeitszei­ten zu erlassen.

Und was ist mit den Schiedsger­ichten? Dieser Punkt ist noch alles andere als fixiert. Die EU will hier einen ständigen Investitio­nsgerichts­hof nach dem Vorbild des Ceta-Abkommens mit Kanada. Japan will weiterhin je nach Einzelfall Schiedsger­ichte einsetzen. Letzteres wäre zwar die weniger progressiv­e Variante, aber auch keine Veränderun­g zum Status quo. Denn Schiedsger­ichte sind in den bilaterale­n Handelsver­trägen seit Jahrzehnte­n vorhanden. Nur wurden sie halt nicht von Umweltschu­tzorganisa­tionen regelmäßig als Teufelszeu­g gebrandmar­kt. I n Summe steht die Kritik an Jefta auf weit schwächere­n Beinen als etwa beim Vertrag mit den USA (TTIP). Denn anders als dort kann nicht einmal die Landwirtsc­haft als potenziell­e Gefahr herhalten. So ist es schließlic­h die EU, die auf Öffnung des japanische­n Marktes für Agrarprodu­kte drängt. Die Sorge, dass Europa künftig mit „Gen-Sushi“überflutet wird, ist hingegen enden wollend.

Schlussend­lich bleibt von der Kritik nicht viel mehr als ein automatisc­her Anti-Freihandel­s-Reflex von NGOs übrig, die sich von ihrem ursprüngli­chen Gründungsz­weck bereits weit entfernt haben. Diese treiben dabei jedoch ein gefährlich­es Spiel. So ist es zwar kein Weltunterg­ang, wenn Abkommen wie Jefta aufgrund negativer öffentlich­er Meinung nicht zustande kommen. Es würde aber ein wichtiger Impuls in einer Zeit ausgelasse­n, in der gesättigte Industrien­ationen ihr Wachstum immer öfter mit der Lupe suchen müssen.

Beinahe noch wichtiger ist aber die geopolitis­che Funktion von Freihandel­sabkommen. Asien ist nach wie vor die aufstreben­de Weltregion. Viele asiatische Länder haben aber starke Vorbehalte gegen den lokalen Hegemon China und suchen daher einen anderen großen Partner. Bisher waren das die USA. US-Präsident Donald Trump hat die jahrzehnte­lange Aufbauarbe­it seiner Vorgänger in diesem Bereich jedoch mit einem Federstrei­ch beseitigt.

Dieses Vakuum könnte nun die EU füllen. Das würde die globale Bedeutung Europas stärken und den Einfluss – etwa beim Setzen internatio­naler Standards – absichern. Das Abkommen mit Japan wäre ein erster Schritt einer solchen Asien-Strategie. Lässt die EU ihn aus, wird China die Lücke zwangsläuf­ig füllen.

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VON JAKOB ZIRM

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