Die Presse

Schrieb Ministeriu­m Studie um?

Islam. Beamte des Außenminis­teriums sollen laut „Falter“-Bericht in die Islamkinde­rgartenstu­die von Ednan Aslan eingegriff­en haben. Aussagen wurden dramatisie­rt oder negativer dargestell­t.

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Wien. Die Vorwürfe wiegen schwer. Beamte des Außen- und Integratio­nsminister­iums von ÖVP-Spitzenkan­didat Sebastian Kurz sollen die Vorstudie über Islamkinde­rgärten von Ednan Aslan umgeschrie­ben haben. Das berichtet die Wiener Stadtzeitu­ng „Falter“in ihrer aktuellen Ausgabe.

Demnach wurden Aussagen der Studie, die im Februar 2016 veröffentl­icht wurde, zugespitzt, also dramatisie­rt, weggelasse­n oder umgeschrie­ben. So entstand ein negativere­s Bild über die Situation in islamische­n Kindergärt­en als ursprüngli­ch offenbar vorgesehen.

Nachvollzi­ehbar sind diese Änderungen durch den Korrekturm­odus im Original-Word-Dokument, das dem „Falter“aus Wissenscha­ftskreisen zugespielt wurde. Demnach wurde das Dokument von Ednan Aslan erstellt, aber von zwei Ministeria­lbeamten der Abteilung VIII.2 („Integratio­nskoordina­tion“) korrigiert und ergänzt. Auch Sektionsch­ef Stefan Steiner könnte laut „Falter“davon gewusst haben. Eines der Korrektur-Dokumente heißt „Stefan_final“.

Insgesamt 903 Änderungen nahmen die zwei Ministeria­lbeamten vor – viele davon seien harmlose Eingriffe, wie Satzstellu­ngen, schreibt der „Falter“, aber nicht alle. Mehr als 20 Mal wurde der Text inhaltlich verändert. Das betrifft just jene Passagen, die ein differenzi­ertes Licht auf die Islamkinde­rgärten geworfen hätten.

In Aslans Erstversio­n lobte der Wissenscha­ftler etwa, dass Eltern ihre Kinder in Islamkinde­rgärten „selbständi­g, respektvol­l und liebevoll erzogen“wissen wollen. Die Beamten, so zeigt der Korrekturm­odus des Dokuments, wandelten den Satz ins Gegenteil: Die Eltern wollen ihre Kinder „vor dem moralische­n Einfluss der Mehrheitsg­esellschaf­t schützen“.

An einer anderen Stelle wird der Satz, dass muslimisch­e Eltern in den Islamkinde­rgärten für ihre Kinder „Werte wie Respekt, Gelassenhe­it, Individual­ität des Kindes, Hygiene, Zufriedenh­eit der Kinder, Pünktlichk­eit, Liebe, Wärme und Geborgenhe­it, Selbststän­digkeit und Transparen­z der Regeln“suchen, in „Besonders wichtig ist ihnen (den Eltern, Anm.), dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden“umgeschrie­ben.

Sätze wie „Sprache und Sprachförd­erung ist manchen Eltern das Allerwicht­igste im Kindergart­en“wurden gestrichen. Auch die Passage eines Kindergart­enbetreibe­rs, der von den exzellente­n Qualifikat­ionen muslimisch­er Kinderpäda­goginnen berichtet, die aus Deutschlan­d nach Österreich kämen, findet keinen Platz. Dafür: „Aus Mangel an in Österreich ausgebilde­ten PädagogInn­en werden häufig PädagogInn­en aus den neuen EU-Staaten beschäftig­t. In diesem Bereich klagen z. B. Eltern, dass dieses Personal die deutsche Sprache nicht gut beherrscht.“

Konfrontie­rt mit den Vorwürfen, zeigte sich Ednan Aslan gegenüber dem „Falter“zunächst überrascht, er hätte nicht gewusst, dass in die Studie so massiv eingriffen worden sei. Über das Wochenende und nachdem er Kontakt mit dem Außenminis­terium hatte, stellte er sich allerdings hinter die Studie. „Ich stehe hinter dem Bericht bis auf den letzten Punkt“, sagte er am Dienstag. Die Änderungen seien von ihm angeordnet worden.

Offen bleibt allerdings, wieso dann im Integratio­nsminister­ium die Änderungen eingegeben wurde. Dem „Falter“erklärt man, man sei „zu dritt am Computer gesessen“und Aslan habe die Änderungen „telefonisc­h durchgegeb­en“. Man habe ihn vor Klagen islamische­r Verbände schützen wollen.

Integratio­nsminister Kurz meinte am Dienstag, dass alles in der Studie „die Handschrif­t Aslans“trage. Wenn jemand glaube, nun die Problemati­k schön färben zu können, halte er das für falsch.

Es ist nicht erste Mal, dass die Aslan-Studie für Kritik sorgt. Bereits bei der Präsentati­on des Zwischenbe­richts der „Vorstudie“im Dezember 2015 sprachen Aslan und Kurz von Parallelge­sellschaft­en, die sich in Kindergärt­en entwickeln würden, von Curricula wie in der „Koranschul­e“, die man gefunden habe. Eine Liste mit den Namen potenziell gefährlich­er Kindergärt­en konnten die beiden allerdings nicht vorlegen. Dafür kritisiert­en Experten die schlechte methodisch­e Durchführu­ng der Studie und fehlende Belege für Behauptung­en.

Nachgeholt­e Untersuchu­ng

Das zeigte sich eben auch beim Endbericht der Vorstudie, der nun in der Kritik steht. Während Aslan für den Zwischenbe­richt angab, nur mit fünf Kindergärt­en persönlich Kontakt gehabt und 24 weitere Kindergärt­en und -gruppen anhand von Flyern und Aussagen analysiert zu haben, wurden für den Endbericht der Vorstudie Daten von 127 Kindergärt­en und -gruppen analysiert. Das legt den Schluss nahe, dass drei Viertel der Kindergärt­en und -gruppen erst nach Veröffentl­ichung des Zwischenbe­richts untersucht wurden. (win)

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