Die Presse

Lebensgefü­hl „werkzeugH“

Szene. Noch bis Montag feiert das Lokal im Fünften sein zehnjährig­es Bestehen. Was als Kunstproje­kt begann, wurde zum Wohnzimmer eines ganzen Grätzels.

- VON KÖKSAL BALTACI Infos zum Programm: www.werkzeugh.at

Er fällt zwar auf einen undankbare­n Montag, der sogenannte Erzähl-Abend wird aber möglicherw­eise den tiefsten Einblick in das Lebensgefü­hl im werkzeugH gewähren. Denn am letzten Tag der seit Samstag andauernde­n Zehnjahrfe­ier des Lokals werden Stammgäste von ihren Erinnerung­en aus der Schönbrunn­er Straße 61 berichten.

Als „dilettanti­sche Talkshow mit reichlich Anekdoten“bezeichnet Manfred Wuits, einer der Betreiber, den Rückblick auf Erlebnisse und Begegnunge­n in der Bar, die er am 1. Dezember 2016 mit zwei Freunden gründete. Und empfiehlt, einen Schlafsack mitzunehme­n, da das Erzählen der vielen Geschichte­n die ganze Nacht dauern könnte.

Schließlic­h sei im werkzeugH so manche Idee geboren worden. So habe etwa einer der Gäste hier das Konzept für sein Musiklabel erstellt. Ein anderer habe als Lektor für einen Verlag gearbeitet und daher über Jahre hinweg täglich Stunden mit seinem Laptop im Lokal verbracht, um dem Büroalltag zu entkommen. Wiederum ein anderer habe im Gastgarten ein komplettes Theaterstü­ck geschriebe­n.

Der Montag bildet das große Finale eines Partymarat­hons mit täglich wechselnde­m Programm – der heutige Mittwoch wird eine Art Zirkustag mit „Aerial Silk“(Akrobatik an speziellen, von einem Kran hängenden Tüchern) und einer Feuershow. Bezirksvor­ste- herin Susanne Schaefer-Wiery wird zudem eine Torte anschneide­n. Am Donnerstag folgt „Kino im Kopf“– also Kino ohne Leinwand. Die Gäste hören über Kopfhörer nur die Blindenbes­chreibung der beiden Filme, die parallel gezeigt werden. Anschließe­nd kann zu Silent Disco im Freien getanzt werden. Am Freitag steht ein „klassische­r Bandtag“auf dem Programm, wie es Wuits ausdrückt – mit Auftritten von Christoph & Lollo, Little Big Sea und Gasmac Gilmore.

Keine Zugeständn­isse bei der Feier

Der Samstag ist den Kellnern des werkzeugH gewidmet, die sich ein DJLine-up aussuchen durften. Gefolgt von einem Tagebuch-Slam am Sonntag, durch das Programm führt SlamModera­torin Diana Köhle. Vier Gäste werden aus ihren Tagebücher­n vorlesen, die mindestens drei Jahre alt sind. „Das wird ein Abend zum Fremdschäm­en“, sagt Wuits. „Die Nachfrage ist derart groß, dass ich auf die Website schreiben musste, dass der Eintritt frei ist. So viele Leute haben angerufen, um Tickets zu kaufen.“

Zwar freue sich der 42-Jährige natürlich über so viel Zuspruch seiner Stammgäste, aber noch einmal würde er eine zehntägige Feier nicht organisier­en, meint er. Zu groß sei der Aufwand für so ein umfangreic­hes Programm. Aber sein Team und er hätten bei der Planung zur Jubiläumsf­eier eben keine Zugeständn­isse machen wollen. „Wenn du nur an zwei Tagen feierst, musst du dich auf einen ge- meinsamen Nenner einigen, meistens sind das Musikabend­e mit Bands“, sagt er. „Zudem kann es an diesen Tagen regnen, oder die Gäste haben genau dann keine Zeit. Daher dachten wir, wir ziehen das über zehn Tage, und die Gäste bekommen die gewohnte Lokalatmos­phäre mit einem überrasche­nden Zusatzprog­ramm.“

Überrascht zeigt sich auch Wuits selbst – und zwar über den anhaltende­n Erfolg seines ursprüngli­ch als Kunstproje­kt konzipiert­en Lokals, das auch von den Gästen mitgestalt­et werden kann – der Name ist im Übrigen eine Hommage an den Traditions­betrieb Werkzeug Huber, der einst an dieser Adresse beheimatet war. Durststrec­ken oder interne Streiterei­en mit seinem Partner Zˇeljko Jovanovic´ und dessen Sohn habe es nie gegeben. Das werkzeugH sei im Bezirk rasch angenommen worden. Was wohl vor allem dem Gastgarten zu verdanken sei – in einem sonst nicht allzu grünen Grätzel.

„Der Gastgarten wurde im Laufe der Jahre immer grüner, bis er sich schließlic­h zum heutigen Stadturwal­d entwickelt hat“, sagt Wuits, der seinen Job als selbststän­diger Softwarepr­ogrammiere­r nie aufgab. Denn das werkzeugH betrachte er bis heute nicht als Arbeit, sondern als Hobby. „Als einen Ort, an dem ich den Akkuschrau­ber nehmen, Möbel zusammenba­uen und entspannen kann. Und ich denke, dass es vielen Gästen ganz ähnlich geht.“

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[ Valerie Voithofer ] Manfred Wuits im „Stadturwal­d“werkzeugH in der Schönbrunn­er Straße.

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