Von den kleinen Wundern hinter den großen Fassaden
Zu besichtigen: das Atelier des Erich Katzmann – ein Stück Wiener Nachkriegskunstgeschichte.
Es ist ja nicht so, dass ich übertrieben neugierig wäre. Jedenfalls nicht mehr, als es mein Beruf erfordert (sofern die eigene Wahrnehmung in solcher Sache ein verlässlicher Zeuge ist). Andererseits, manchmal würde man halt schon gern hinter manche Fassade schauen, an der man Tag für Tag vorübergeht. Manchmal wüsste man gern, wie das Leben so ist hinter den schweren roten Vorhängen an der Ecke dort oder hinter jenem Fenster im dritten Stock, das immer einen Spaltbreit offensteht.
Und dann, wie fühlt es sich an, wenn sich ausnahmsweise der Blick in sonst Verborgenes öffnet? Der Ort: ein Gründerzeitbau in bester Leopoldstädter Lage, ein Damenmodengeschäft im Erdgeschoß, neben dem Geschäftsportal ein schmaler Gang zum Entree Richtung Stiegenhaus, das den Besucher mit bestrevitalisierter Gediegenheit empfängt, von der geprägten Wandtapete des Treppenrunds bis zum gusseisernen Geländer.
Im ersten Stock: die Wohnung des Wiener Malers und Grafikers Erich Katzmann, geboren 1920, erst im März dieses Jahres hoch betagt gestorben, knapp 190 lichtdurchflutete Quadratmeter, die auf jedem Schritt Kunst atmen, in unzähligen Gemälden, einer Handvoll Plastiken, auch auf dem Arbeitstisch, der so da liegt, als wäre er eben erst verlassen worden. Eine Wohnung als ein Stück hiesiger Nachkriegsmoderne, Geschichte eines Mitglieds der Gruppe „Wiener Kreis“, das sich zwecks Lebensunterhalt als Kunsterzieher verdingte und doch nie, bis in seine letzten Tage nicht vergaß, wer und was er war: Künstler auf Lebenszeit.
Im Gedenken an seinen Vater gibt Helmut Katzmann noch bis 16. Juli Interessenten Gelegenheit, die kleine, berührend private und doch als Zeugnis Wiener Kunstgeschichte zu Recht derzeit öffentliche Schau zu sehen. Terminvereinbarung unter Tel. 0680/304 25 84 oder via E-Mail (55katzmann3@utanet.at).