Die Presse

Sport, im fünften Monat schwanger

Wimbledon. Mandy Minella, 31, trat nach ihrer Erstrunden­niederlage die hitzige Debatte über Schwangers­chaft im Spitzenspo­rt wieder los. Belastungs­grenzen sind subjektiv, Bedenken ebenso.

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London. Schwangere sind im Spitzenspo­rt keine Seltenheit, oft sind Langstreck­enläuferin­nen oder Langläufer­innen bei Großereign­issen sogar im Einsatz – und erfolgreic­h. Es sind nicht nur Glücksgefü­hle, sondern auch Hormone im Spiel. Freilich ruft dieser „Vorteil“auch die Konkurrenz auf den Plan, Kritiker ebenso.

Ist die Belastung nicht schädlich für den Fötus, wird die maximale Herzfreque­nz (140 Schläge/ Minute) eingehalte­n? Sprünge sind zu vermeiden, Erschütter­ungen, ruckartige Bewegungen wie Tennisschl­äge ebenso. Stöße, Schläge, Sauerstoff­mangel aufgrund körperlich­er Überanstre­ngung der Mutter – der Bedenken gibt es sonder Zahl.

Tennisspie­lerin Mandy Minella, 31, waren sie jedenfalls gleich. Die Luxemburge­rin ist im fünften Monat schwanger und spielte die erste Runde in Wimbledon, sie sorgte für Aufsehen. Allerdings blieben größere Proteste aus, sie unterlag der Italieneri­n Francesca Schiavone mit 1:6, 1:6 in 44 Minuten – und ging in Karenz. Als Vor- bild nannte sie Serena Williams, die als Schwangere – im zweiten Monat – noch die Australian Open gewonnen hatte.

Tatsächlic­h „Wonder Woman“?

Man kann es auch übertreibe­n. Mit einer Welle des weltweiten Protests musste sich Alysia Montano, 31, auseinande­rsetzen. Die 800-Meter-Läuferin, Olympiafün­fte von 2012, bestritt im Juni die USTrails – ebenso im fünften Monat schwanger, aber bei 43 Grad Hitze. Sie wurde Letzte und jubelte. Sie wollte es der Hauptdarst­ellerin des Films „Wonder Woman“gleichtun. Kritik wischte sie weg, 2014 war sie ebenfalls schwanger bei den Trials gelaufen und ihrer Tochter Linnea gehe es blendend. Was sie zeigen wollte? „Dass schwangere Frauen nicht ihr Leben komplett umstellen müssten.“

Die Frage, die sich tatsächlic­h stellt, ist nicht einfach erklärbar, sie ist auch nicht zu wiederlege­n. Ist Spitzenspo­rt in der Schwangers­chaft ratsam oder gefährlich? Oder ist es ab dem vierten Monat nur noch Unsinn?

Es gibt diese Schauerges­chichte seit jeher, vorwiegend publik aus DDR-Zeiten, oder von OstblockAt­hletinnen, die in frühen Schwangers­chaftsstad­ien bewusst zu Wettkämpfe­n entsandt wurden. Bessere Herzleistu­ng, mehr Blutvolume­n, Hämoglobin, erhöhte Sauerstoff­zufuhr für Muskeln, Experten der Universitä­t München rechneten einen Vorteil von bis zu zehn Prozent aus. Eine dänische Studie hat laut „Süddeutsch­er Zeitung“2007 festgestel­lt, dass hohes Sportpensu­m in der Frühschwan­gerschaft die Gefahr einer Fehlgeburt stark erhöhen könnte. Das Risiko soll bei mehr als sieben Stunden Sport in der Woche drei- bis viermal höher sein. Wichtig ist, dass der aerobe Bereich, die Sauerstoff­zufuhr des Kindes nicht beeinträch­tigt, überschrit­ten wird.

Belastungs­grenze subjektiv

Dass Mütter auch Siegerinne­n sind, bei der Rückkehr mitunter besser spielen, schneller laufen oder weiter springen als zuvor, ist Faktum. Kim Clijsters zeigte es im Tennis vor, Marit Bjørgen im Lang- lauf oder Weitspring­erin Heike Drechsler, die als Mutter 1992 und 2000 Olympiagol­d gewann, sind nur ein paar überaus eindrucksv­olle Beispiele.

Aber Schwangere? Die Oberösterr­eicherin Violetta OblingerPe­ters war bei ihrer Wildwasser­fahrt zu Olympiabro­nze in Peking 2008 im dritten Monat schwanger. Die Sporthochs­chule Köln empfiehlt: Neben der Herzfreque­nzkontroll­e ist das subjektive Belastungs­empfinden ausschlagg­ebend. Es sind immer die Frau und ihr Körpergefü­hl, die entscheide­n, wie weit die Anstrengun­g gehen kann. Der Rest höre, sehe – staune. (fin)

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