Erst die Champions League, dann die Formel 1
Analyse. Ecclestone-Nachfolger Chase Carey pflegt Pay-TV-Verträge, sucht neue Märkte und strebt mit F1-Eigentümer Liberty Media einen Mix an. Highlights wie Monte Carlo im Free-TV, aber der GP von Spielberg hinter einer Paywall?
Spielberg. Er trägt einen buschigen Schnauzer, wirkt umgänglich. Doch wer mit dem Amerikaner Chase Carey, 63, über die Formel 1, ihre Neuausrichtung oder Vermarktung spricht, merkt augenblicklich, dass dieser Mann geschäftsorientiert denkt. Muss er auch, denn er ist seit Jänner Nachfolger von Bernie Ecclestone, lenkt als „Vice-Chairman“die Geschicke von F1-Eigentümer Liberty Media und will auch am Sonntag beim Österreich-GP in Spielberg nichts unversucht lassen, um sein Produkt bestmöglich zu verkaufen.
„Motorsport sells“, ist einer der Leitsprüche Careys, der HavardAbsolvent ist und als engster Vertrauter des Medienmoguls Rupert Murdoch gilt, den TV-Sender Fox in Amerika etablierte und der Formel 1 neue Märkte sichern will. Entweder im Paid-Content-Sektor mit Bezahlsendern, Onlinestreams oder anderen sozialen Netzwerken. Für Carey ist die „Formel 1 ein globales Unternehmen. Die Kosten der Teams sind weiterhin unser Problem. Und wir brauchen mehr Dramen auf der Rennstrecke.“
Lauter Sound statt Magermotor
Er bekräftigt seine Vision, die Motorsport-Königsklasse spannender zu machen, indem er Leistungsunterschiede zwischen Teams abbauen wolle, schon nächste Saison, „mit billigeren, lauteren Motoren.“Damit läuft er offene Türen ein bei Red Bull oder Ferrari, Mercedes wird seine Ansicht weniger freuen. Ob 1,6 Liter-Hybridmotoren (V6) der Renner sind, daran habe er Zweifel.
Zumindest sucht er bereits neue Strecken und Partner, dass sich der US-Konzern dabei jedoch Diktatoren und Regimen anbiedert wie es Ecclestone aus Liebe zum Mitgliedsbeitrag kultiviert hat, ist ausgeschlossen. Dass Sebastian Vettel für den Baku-Rempler an Lewis Hamilton von der FIA nicht weiter sanktioniert worden ist, lässt den Geschäftsmann strahlen. Nichts anderes hatte er erwartet, wäre der Ferrari-Star gesperrt worden, hätten womöglich die Quoten gelitten. Auch diese Sicht muss ins Kalkül gezogen werden.
Pay-TV statt ORF
Beim ORF sieht man Careys Auftritt mit eher gemischten Gefühlen. Bei Ecclestone wusste man, dass der Preis den Markt regulierte, der Brite aber der breiten Wahrnehmung (Free-TV) Tribut zollte, den Sponsoren zuliebe. Das Bekenntnis von Liberty Media zu Pay-TV lässt im Doppelpass mit einem Sparpaket beim ORF darauf schließen, dass nach der Champions League (2018) auch die Formel 1 im öffentlich-rechtlichen Sender ab 2020 ausläuft. Sportchef Hans Peter Trost beteuert, dass diese Gespräche nicht abgeschlossen sind. Aber ja, der Zug scheine in diese Richtung zu fahren.
Amerikaner lieben Statistik, die Welt der Zahlen ist ihnen im Sport sogar heilig. In den USA hätten mehr als 80 Prozent der Haushalte mindestens ein Pay-TV-Angebot, in Deutschland seien es sieben Prozent, in Österreich wird darüber geschwiegen. Dennoch: die Verträge von RTL und Sky laufen nach dieser Saison aus, die Onlineplattform DAZN steht parat, Carey wird den Mix forcieren. „Wir möchten so viele Zuschauer wie möglich, Fans auf allen Plattformen. Ob Free-TV, Pay-TV, digitale Medien – all das gehört dazu“, „Unser Fokus liegt darauf, aus den Rennen alles herauszuholen, was wir haben, und dem Fan das bestmögliche Paket zu bieten.“Das heißt: Highlight-Events a´ la Monte Carlo sind weiter im Free-TV zu sehen, der GP von Spielberg womöglich nicht mehr. Welche Rolle dann Red Bull spielen wird, bleibt abzuwarten. (fin)