Die Presse

Ein süßes Wahlzucker­l als Danaergesc­henk

Der Mindestloh­nerhöhung gehört noch der Giftzahn gezogen.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Welche Auswirkung­en wird eigentlich das neulich beschlosse­ne Wahlzucker­l Mindestloh­n haben? Kostet Arbeitsplä­tze und verteuert Dienstleis­tungen, sagen die einen. Also ziemlich schädlich für den Standort. Fördert die Arbeitnehm­ermotivati­on, steigert die Produktivi­tät und wirkt durch mehr Bares im Börserl wirtschaft­sbelebend, sagen die anderen. Also ziemlich gut für den Standort.

Und was sagt die Praxis? In Deutschlan­d, wo es den Mindestloh­n seit ein paar Jahren gibt, halten sich die Auswirkung­en in Grenzen. Aber: Der deutsche Mindestloh­n liegt mit rund 1500 Euro ziemlich deutlich unter dem österreich­ischen. Denn die jetzt hierzuland­e beschlosse­nen 1500 Euro Mindestloh­n sind der übliche österreich­ische Schmäh: Sie werden, im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern, 14-mal ausbezahlt. Vergleicht man internatio­nal, dann muss man die „Sonderzahl­ungen“natürlich einrechnen.

Und dann halten wir ab 2020 bei exakt 1750 Euro Mindestein­kommen. Das ist der zweithöchs­te Wert in Europa – hinter Luxemburg.

Das ist schon ein Brocken, der erst einmal in der Kalkulatio­n untergebra­cht werden muss. Weniger in der exportorie­ntierten Industrie, in der die Löhne im Regelfall (mit Ausnahme des Dienstleis­tungsexpor­teurs Tourismus) ohnehin darüber liegen. Und mehr in Niedrigloh­n-Dienstleis­tungssekto­ren, in denen auch der Spielraum kleiner ist: Ein Friseur etwa kann nicht groß rationalis­ieren. Er bringt die Mehrkosten in seinen Preisen unter – oder er verschwind­et vom Markt. W omit wir beim Kern der Sache sind: Der hohe Mindestloh­n (der nicht gerade als Magnet für ausländisc­he Investitio­nen wirken wird) ist wahrschein­lich kein großes Problem – wenn den Unternehme­n die Möglichkei­t geboten wird, ihn beispielsw­eise durch mehr Flexibilit­ät bei der Arbeitspla­nung zu kompensier­en.

Dieser Part ist aber leider dem Wahlkampf zum Opfer gefallen. Da wird die Gewerkscha­ft noch „liefern“müssen, wenn sich das Ganze nicht als Danaergesc­henk für ihre Mitglieder entpuppen soll. Bis 2020 hat man für die Rückkehr zur Vernunft ja noch Zeit.

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