Die Presse

Zu wenig Wettbewerb? Republik drohen Klagen

Schiene. Der Wettbewerb im Personenve­rkehr nimmt erstmals wieder ab. ÖBB bauen Marktantei­le aus.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Österreich­s Bahnuntern­ehmen haben 2016 rund 288,6 Millionen Passagiere und 114,9 Millionen Tonnen Güter befördert – mehr als je zuvor, schreibt die SchienenCo­ntrol im aktuellen Jahresberi­cht. Doch der Bahn-Regulator versteckt in den grundsätzl­ich guten Zahlen auch eine kleine Warnung: Der Wettbewerb im Personenve­rkehr ist erstmals seit Jahren wieder gesunken. Der Marktantei­l der privaten ÖBB-Konkurrent­en sank leicht von 15,7 auf 15,5 Prozent.

Interessan­t ist diese Entwicklun­g vor allem, weil die beiden Koalitions­partner gerade darüber streiten, wie Österreich das vierte Eisenbahnp­aket der EU umsetzen soll, mit dem Brüssel mehr Wettbewerb auf die Schiene bringen will. Während die SPÖ auf dem Standpunkt steht, dass sich nicht sonderlich viel ändern müsse und der Schienenve­rkehr weiter mittels Direktverg­abe dem staatliche­n Monopolist­en zugeschanz­t werden könne, drängt die ÖVP im überregion­alen Verkehr auf Ausschreib­ungen, um Steuergeld zu sparen.

Schienen-Control-Chefin Maria-Theresia Röhsler will in die politische Diskussion nicht einsteigen: Ausschreib­ungen hätten Vorund Nachteile, sagt sie. „Man muss darüber nachdenken, ob sich das wirklich auszahlt“und abwägen, ob mögliche Einsparung­en von den Zusatzkost­en einer Ausschreib­ung zunichtege­macht werden würden. „Ich sehe nicht die Notwendigk­eit, etwas übers Knie zu brechen.“

Nächste Regierung entscheide­t

Grundsätzl­ich wolle die EU-Kommission „natürlich mehr Wettbewerb“. Doch gerade kleine Länder wie Österreich hätten die Möglichkei­t, unter bestimmten Bedingunge­n auf Direktverg­aben zu beharren. Bis Ende 2018 muss die EUVorschri­ft in nationales Recht gegossen sein, spätestens 2023 laufen die Übergangsf­risten aus. Mit wie viel Konkurrenz es die ÖBB dann aufnehmen wird müssen, entscheide­t die nächste Regierung.

Aber auch dem Bahn-Regulator wird hier eine pikante Aufgabe zuteil. Er muss bei jeder Vergabe prüfen, ob die EU-Regeln eingehalte­n wurden – sprich: ob Bund und Länder Aufträge etwa zu Recht direkt an die ÖBB vergeben haben oder nicht. Wie genau diese Prüfung aussehen soll, weiß Röhsler noch nicht. Eines scheint hingegen klar: Hält die Regierung an den umstritten­en Direktverg­aben fest, dürften verhindert­e Mitbewerbe­r wohl gegen jede einzelne Vergabe Rechtsmitt­el einbringen. Der Republik drohen dadurch Klagen, bestätigte auch die SchienenCo­ntrol – wenn auch nur indirekt: „Mit der Möglichkei­t Vergaben überprüfen zu lassen und mehr Mitbewerbe­rn am Markt steigt immer auch die Chance auf Klagen.“

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