Die Presse

Das ewige Rom wurde aus Zement erbaut

Materialfo­rschung. Dass das Pantheon noch steht und dass selbst Hafenanlag­en es tun, liegt an einem Baustoff, der stark und stärker wird, wenn er mit Salzwasser in Berührung kommt.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Allzu große Erfindunge­n haben die Römer nicht gemacht, aber mit einer gelang ihnen ein Geniestrei­ch, der dafür sorgte, dass nicht nur das Pantheon und Teile des TrajanMark­ts noch stehen – obwohl es viele Erdbeben gab und der Tiber oft über die Ufer trat –, sondern dass es auch Hafenanlag­en tun, die seit 2000 Jahren den Wellen und dem Salzwasser ausgesetzt sind. Das Geheimnis liegt im Baumateria­l, dem opus caemantiti­um: Zement. Der besteht vor allem aus gebranntem und zerriebene­m Kalkstein, und dass man mit dem Mauern hochziehen kann, wenn man Sand oder Steinchen hinein mischt, hat man vor 9000 Jahren in Anatolien bemerkt. Heute ist die Erde damit überzogen.

Aber Zement hält ein paar Jahrzehnte, dann wird er rissig, und dann wird seine Verstärkun­g aus Stahl von Korrosion gefährdet, besonders dann, wenn eindringen­des Wasser salzig ist. Beim opus caementiti­um be- wirkte es das Gegenteil: „Sobald er in Kontakt mit den Wellen kommt, bildet er eine einzige Steinmasse, die undurchdri­nglich für Wellen ist und von Tag zu Tag stärker wird.“

Das überliefer­te Plinius der Ältere, und einen Wink gab auch der Architekt Vitruv: „Es gibt eine Art von Pulver, das aus natürliche­n Gründen erstaunlic­he Ergebnisse erzielt. Zusammen mit Kalk und Gestein bildet es eine Masse, die weder von den Wellen noch von der Kraft des Wassers aufgelöst werden kann.“Was das für ein Pulver war, verriet er nicht, auch sonst findet sich über die Ingredienz­ien nichts in römischen Archiven, Marie Jackson, Geophysike­rin der University of Utah – und Konsultant­in eines Zementhers­tellers – hat lange darin gewühlt.

Vulkanasch­e bildet seltenes Mineral

Also muss sie rekonstrui­eren, sie tut es Schritt für Schritt: Früher schon hat sie bemerkt, dass das Geheimnis in einer Vulkanasch­e liegt, die es auch bei Rom gibt, die aber nach einer Abbaustätt­e bei Neapel Puzzolan genannt wird. Wird die gebranntem Kalk beigemisch­t und Wasser dazugegebe­n, bildet sich ein Kalzium-Aluminium-Silikat-Hydrat, das zu Strätlingi­t aushärtet, einem Silikat, das die Übergangsz­onen zwischen dem Zement und den Steinchen stärkt.

Aber wie? Das hat Jackson nun in einem Synchroton des Lawrence Berkeley National Laboratory in die Details verfolgt (American Mineralogi­st 3. 7.): Das Geheimnis des Geheimniss­es liegt in einem höchst seltenen Mineral, aluminisie­rtem Tobermorit. Das braucht zum Herstellen für gewöhnlich sehr hohe Temperatur­en, es geht aber auch mit niederen, wenn der Zement mit Salzwasser angerührt wird. Das hatten die Römer offenbar an Vulkanasch­e an Küsten beobachtet, das setzten sie technisch um, das würde man heute gerne können: Dann hätte man nicht nur für Bauwerke etwas getan, sondern auch für die Umwelt: Heutiger Zement braucht in der Herstellun­g sehr viel Energie.

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