Auch Lehrer haben Gefühle Wer Angst hat, gibt Angst weiter
Kinder brauchen Wertschätzung von ihren Lehrern. Und diese brauchen Wertschätzung vom Rest der Gesellschaft. In diesem Sinn: Schöne Sommerferien!
Die wichtigste Aufgabe eines guten Lehrers ist, jedes Kind, das ihm anvertraut ist, wertzuschätzen. Warum? Damit er dem Kind etwas beibringen kann. Wertschätzung ist die Voraussetzung dafür, dass eine Beziehung entsteht. Und eine Beziehung wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass man lernt. Sicherheit plus Neugier plus Spieltrieb plus Beziehung treiben ein Kind beinahe von selbst auf seinem Lernweg an, vom Einmaleins zur Geometrie, bis es sich irgendwann einmal furchtlos in den Raum der irrationalen Zahlen wagt.
Eine gute Lehrerin sieht in jedem Kind ein Individuum, mit besonderen Eigenheiten, Vorlieben und Talenten. Sie schert Kinder nicht über einen Kamm, misst sie nicht an ihren Defiziten, vergleicht sie nicht ständig miteinander, sondern sieht jedes in seiner speziellen Gesamtheit. Sie interessiert sich dafür, aus welchem Milieu es kommt, welche Erfahrungen es im Leben gemacht hat, welche Konflikte es von daheim mitschleppt, und was es an seiner Entfaltung hindert.
Ein guter Lehrer muss Kinder grundsätzlich mögen. Was natürlich nicht heißt, dass er jedes einzelne Kind mag. Ein guter Lehrer kann distanziert sein – manchmal macht genau das seine Qualität aus. Aber er muss fair sein. Kaum etwas ist schlimmer für Kinder, als Willkür und Ungerechtigkeit zu erleben. Kaum etwas zerstört die Atmosphäre in einer Klasse so nachhaltig, wie wenn ein Lehrer an immer denselben Schülern sein Mütchen kühlt, sie vor den anderen herunterputzt. Ein guter Lehrer lässt sich nicht hinreißen von dem Machtgefühl, das einen dabei überkommen kann.
Eine gute Lehrerin ist bei all dem nie blind für die großen gesellschaftlichen Zusammenhänge, in denen Schule stattfindet. Sie behält stets im Blick, wie sich Arbeitswelt, Kommunikation und Technologie verändern. Sie weiß, welche Kräfte an einem Kind zerren (soziale, materielle, religiöse), welchen ökonomischen Zwängen es ausgesetzt ist, und auf welchen Märkten es sich behaupten wird müssen.
Insgesamt ziemlich viel, was die Gesellschaft da von ihren Lehrern und Lehrerinnen erwartet. Da wäre es hilfreich, wenn sie ihnen genau dasselbe entgegenbringt: Wertschätzung nämlich.
Lehrer und Lehrerinnen brauchen, um Leistung bringen zu können, nämlich grundsätzlich nichts anderes als Schüler und Schülerinnen. Sie müssen sich sicher fühlen. Sie müssen das Gefühl bekommen, nicht pauschal über einen Kamm geschoren, sondern in ihrer Individualität wahrgenommen zu werden – samt ihren jeweils speziellen Eigenarten und Talenten. Es freut sie, wenn sie nicht ständig mit anderen verglichen werden, sondern wenn man sich dafür interessiert, woher jeder einzelne kommt, welche Erfahrungen und Konflikte er mitschleppt, was ihn eigentlich in diesen Beruf gebracht hat, und was ihn an seiner Entfaltung hindert.
Es hilft auch, wenn die Gesellschaft ihre Lehrer grundsätzlich mag (auch wenn man nicht jeden einzelnen mögen muss). Es hilft niemandem – den Kindern am allerwenigsten – wenn sich der Rest der Gesellschaft einen Sport draus macht, die Berufsgruppe der Lehrer gezielt herunterzuputzen, zum Gaudium aller anderen, und sich dabei mächtig zu fühlen. Die destruktive Energie, die dabei entsteht, verschwindet ja nicht. Sie wird garantiert weitergereicht – im Klassenzimmer.
Und es ist auch gut, wenn man bei alldem nie die großen gesellschaftlichen Zusammenhänge aus dem Blick verliert, mit denen die Lehrerinnen und Lehrer jeden Tag zu tun haben. Die rasante Geschwindigkeit etwa, in der sich Arbeitswelt, Technologie und Kommunikation verändern – ohne dass die Lehrerschaft sich dafür gerüstet fühlt. Die allgegenwärtigen Verwerfungen durch Migration und Mehrsprachigkeit, mit denen die meisten nie gelernt haben umzugehen.
Ja, auch Lehrer und Lehrerinnen haben Gefühle. Manchmal fürchten sie sich auch. Je ernster wir das nehmen, desto besser wird es unseren Kindern in der Schule gehen.