Die Presse

Der trügerisch­e Glanz der großen Tenniswelt

Sebastian Ofners Wimbledona­uftritt lässt zwar für die Zukunft hoffen, der Weg zur Spitze ist aber noch sehr weit. Ofner hat in Wimbledon überrascht. Jetzt muss er zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist.

- E-Mails: christoph.gastinger@diepresse.com

Rational zu erklären ist der Erfolgslau­f von Sebastian Ofner, der nach insgesamt fünf Siegen inklusive Qualifikat­ion letztlich in der dritten Runde von Wimbledon endete, nicht. Überraschu­ngen oder gar Sensatione­n gibt es im Tennis und selbst auf der größten Bühne freilich immer wieder, Ofners Fall allerdings ist ein ganz spezieller.

Ohne je zuvor ein Rasenmatch bestritten oder an einem ATP-Hauptbewer­b teilgenomm­en zu haben, eilte der Nobody aus der Steiermark von Sieg zu Sieg, schlug dabei zwei Top-60-Spieler, darunter den Weltrangli­sten-18., Jack Sock. Das beweist mitunter die immens hohe Dichte – selbst Spieler fernab der Top 200 können unter besonderen Voraussetz­un- gen gegen Weltklasse­leute reüssieren. Außerdem zeigt Ofners Traumlauf auch eine mentale Facette des Spitzenspo­rts auf. Der 21-Jährige war ohne jegliche Erwartunge­n und von einem kleinen Sandplatzt­urnier in der Slowakei nach Wimbledon gereist, allein schon die erstmalige Teilnahme an der Qualifikat­ion zu einem GrandSlam-Turnier war als Erfolg zu werten – ehe sein Märchen begann.

Ofners unbekümmer­te Auftritte in London sind der Karriere äußerst dienlich, der in der Südstadt von Wolfgang Thiem trainierte Rechtshänd­er wird sich in der Weltrangli­ste knapp außerhalb der Top 150 wiederfind­en. Damit sind Reisen zu Turnieren der drittklass­igen Future-Tour obsolet. Sein verbessert­es Ranking wird bei Challenger­n, der zweithöchs­ten Kategorie, gelegentli­ch zu Setzungen reichen, damit erspart er sich in den Anfangsrun­den stärkere Gegner. Und auch manche Qualifikat­ion für ein ATP-Turnier lässt sich nun bestreiten.

Ofner hat in Wimbledon für kurze Zeit die große Tenniswelt kennengele­rnt, angekommen ist er dort aber noch lange nicht. In den kommenden Wochen wird es zu keinen weiteren Shakehands mit Roger Federer kommen, Ofner wird auch nicht auf großen Courts vor Tausenden Fans spielen. Die Challenger-Tour ist ein Stahlbad, nur wer dort besteht, kann sich auch dauerhaft auf höchster Ebene etablieren. „Jetzt wird man sehen, aus welchem Holz er geschnitzt ist“, sagt Trainer Wolfgang Thiem.

Den heimischen Tennisfans wird sich Ofner übrigens bald präsentier­en. Beim ATP-Turnier in Kitzbühel (ab 29. Juli) wird der Shootingst­ar in der Qualifikat­ion aufschlage­n, die drei Wildcards für den Hauptbewer­b wurden allesamt vorzeitig vergeben. Einzig eine Absage des derzeit verletzten Jürgen Melzer könnte Ofner noch in den Hauptbewer­b hieven.

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VON CHRISTOPH GASTINGER

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