Der trügerische Glanz der großen Tenniswelt
Sebastian Ofners Wimbledonauftritt lässt zwar für die Zukunft hoffen, der Weg zur Spitze ist aber noch sehr weit. Ofner hat in Wimbledon überrascht. Jetzt muss er zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist.
Rational zu erklären ist der Erfolgslauf von Sebastian Ofner, der nach insgesamt fünf Siegen inklusive Qualifikation letztlich in der dritten Runde von Wimbledon endete, nicht. Überraschungen oder gar Sensationen gibt es im Tennis und selbst auf der größten Bühne freilich immer wieder, Ofners Fall allerdings ist ein ganz spezieller.
Ohne je zuvor ein Rasenmatch bestritten oder an einem ATP-Hauptbewerb teilgenommen zu haben, eilte der Nobody aus der Steiermark von Sieg zu Sieg, schlug dabei zwei Top-60-Spieler, darunter den Weltranglisten-18., Jack Sock. Das beweist mitunter die immens hohe Dichte – selbst Spieler fernab der Top 200 können unter besonderen Voraussetzun- gen gegen Weltklasseleute reüssieren. Außerdem zeigt Ofners Traumlauf auch eine mentale Facette des Spitzensports auf. Der 21-Jährige war ohne jegliche Erwartungen und von einem kleinen Sandplatzturnier in der Slowakei nach Wimbledon gereist, allein schon die erstmalige Teilnahme an der Qualifikation zu einem GrandSlam-Turnier war als Erfolg zu werten – ehe sein Märchen begann.
Ofners unbekümmerte Auftritte in London sind der Karriere äußerst dienlich, der in der Südstadt von Wolfgang Thiem trainierte Rechtshänder wird sich in der Weltrangliste knapp außerhalb der Top 150 wiederfinden. Damit sind Reisen zu Turnieren der drittklassigen Future-Tour obsolet. Sein verbessertes Ranking wird bei Challengern, der zweithöchsten Kategorie, gelegentlich zu Setzungen reichen, damit erspart er sich in den Anfangsrunden stärkere Gegner. Und auch manche Qualifikation für ein ATP-Turnier lässt sich nun bestreiten.
Ofner hat in Wimbledon für kurze Zeit die große Tenniswelt kennengelernt, angekommen ist er dort aber noch lange nicht. In den kommenden Wochen wird es zu keinen weiteren Shakehands mit Roger Federer kommen, Ofner wird auch nicht auf großen Courts vor Tausenden Fans spielen. Die Challenger-Tour ist ein Stahlbad, nur wer dort besteht, kann sich auch dauerhaft auf höchster Ebene etablieren. „Jetzt wird man sehen, aus welchem Holz er geschnitzt ist“, sagt Trainer Wolfgang Thiem.
Den heimischen Tennisfans wird sich Ofner übrigens bald präsentieren. Beim ATP-Turnier in Kitzbühel (ab 29. Juli) wird der Shootingstar in der Qualifikation aufschlagen, die drei Wildcards für den Hauptbewerb wurden allesamt vorzeitig vergeben. Einzig eine Absage des derzeit verletzten Jürgen Melzer könnte Ofner noch in den Hauptbewerb hieven.