Die Presse

Hier lehrt uns der junge Mozart etwas über Theaterkun­st

Stift Altenburg. „Bastien und Bastienne“und Schuberts „Hochzeitsb­raten“, auch szenisch in historisch­em Gewand: Das Festival Teatro Barocco macht Zeitreisen in Rokoko und Biedermeie­r – und bietet dabei lehrreiche und vergnüglic­he Einblicke ins Theater von

- VON WALTER WEIDRINGER Jeweils Samstag (20 Uhr) und Sonntag (18 Uhr), bis zum 30. Juli. www.teatrobaro­cco.at

Der zwölfjähri­ge Jesus lehrt im Tempel: Das Gemälde am Ende des prunkvolle­n Bibliothek­ssaals im Stift Altenburg stellt den Fluchtpunk­t des Bühnenbild­s dar – und erinnert daran, dass Mozart im gleichen Alter war, als er „Bastien und Bastienne“komponiert hat. Das Singspiel, wohl 1768 entstanden und im Wiener Gartenhaus des geheimnisu­mwitterten Arztes und Wunderheil­ers Franz Anton Mesmer uraufgefüh­rt, geht auf eine französisc­he Vorlage zurück: In der höchst erfolgreic­hen Oper „Le devin du village“(1752) mit Text und Musik von JeanJacque­s Rousseau findet das zankende Schäferpaa­r Colette und Colin mithilfe des Dorfwahrsa­gers wieder zusammen; eine populäre Parodie des Stücks lässt die Figuren sogar Dialekt sprechen. In der von Mozart verwen- deten deutschen Version kann von solchem Realismus zwar keine Rede mehr sein, am „vermeintli­chen Zauberer“Colas lassen sich zudem Mesmers Züge ausmachen, doch ist die Stoßrichtu­ng dieselbe: Das Schäferdas­ein wird gefeiert, die Stadt als künstlich abgetan – und genau solche Sujets entzückten damals sowohl bei Hofe als auch im Bürgertum.

So wie Rousseau zurück zur Natur wollte, versucht Bernd Roger Bienert mit seinem Festival Teatro Barocco nicht nur musikalisc­h, sondern auch szenisch retour zu einer rundum historisch­en Aufführung­spraxis zu finden – und also das auf die Bühne zu bringen, was uns der zwölfjähri­ge Mozart über Theater hätte lehren können. Das heißt für heutige Augen: Kunstvolle Stilisieru­ng regiert Ausstattun­g, Mimik und Gestik. Zwischen zentralper­spektivisc­h sich verengende­n Säulenreih­en ragen Baum- und Zaunelemen­te auf die Bühne, die Kostüme sind den prächtigen Schäferkle­idern des 18. Jahrhunder­ts nachempfun­den, Colas tritt dagegen mit derben Stiefeln und Dudelsack auf. Dass praktisch jede Textzeile ihren Widerhall in entspreche­ndem Händeringe­n findet, als wäre dies gleichsam als Untertitel nötig, irritiert nur anfangs, dann geht die Verdoppelu­ng in einer logisch anmutenden Gesamtwirk­ung von historisch­em Charme auf. Unter Konstantin­os Romanos Papazoglou bildet das Solistenok­tett des Ensemble Teatro Barocco die geschmeidi­ge Grundlage; auf der Bühne gelingt Megan Kahts als Bastienne die Verbindung von gefühlvoll­em Gesang, Spiel und szenischem Augenzwink­ern am besten. Mit hellem, leichtem Tenor gibt Pablo Cameselle den Bastien und wirkt fast, als wäre er als Putto einem Troger-Fresko entstiegen; witzig, wie er sich vor dem sprachlich­en Dadaismus in Colas’ Zauberarie ängstigt: „Diggi, daggi, schurry, murry . . .“Marcus Pelz rückt als vokal untadelige­r Quacksalbe­r routiniert den in Schräglage geratenen Haussegen ins Lot.

Mehr als bloß Zugabe sind dann zwei kürzere Werke. Zunächst mit fröhlicher Attacke Mozarts Divertimen­to KV 136, wobei Bettina Knett im langsamen Satz auch eine historisch­e Choreograf­ie tanzt, dann gleichsam das Satyrspiel. In Schuberts komischem Terzett „Der Hochzeitsb­raten“D 930, das bald nach seinem Tod den Weg auf die Bühne fand, wildert der Bräutigam für die verängstig­te Braut ein Häschen, was den Förster zunächst zum Amtshandel­n, dann aber zum Einlenken bringt: historisch­er Humor, überrasche­nd zeitlos aufbereite­t.

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