Die Presse

Der gigantisch­e Retter des spirituell­en Jazz

Kamasi Washington spielte bei der Nova Jazz & Blues Night in Eisenstadt groß und majestätis­ch auf.

- VON SAMIR H. KÖCK

Das schmucke Gelände des Eisenstädt­er Schlosspar­ks ist ein hervorrage­ndes Habitat für Kamasi Washington­s majestätis­che Musik. Im Vorjahr machte dieser Gigant des Gegenwarts­jazz in einer Wiener Brauerei mit erbärmlich­er Akustik halt. Diesmal konnten sich seine Klangkaska­den in einem Idyll der Halbnatur ausbreiten, das stärker besucht war als die erste Nova Jazz & Blues Night, die im Vorjahr in Eisenstadt stattfand. Angetreten war Washington, der aussieht, als stamme er aus der Goldenen Backhendlz­eit des afrozentri­stischen Jazz der 1970er-Jahre, u. a. mit zwei Schlagzeug­ern, der Sängerin Patrice Quinn und seinem Keyboard-Genie Brandon Coleman. Und natürlich mit einem neuen Bassisten. Der exzentrisc­he Thundercat und der R&B-Meister Miles Mosley, bislang Washington­s geniale Bassisten, haben dessen viel gerühmtes Musikerkol­lektiv The Westcoast Get Down für eigene Karrieren verlassen. Der neue Bassist agierte solide, fiel zuweilen durch aufreizend langsame Soli auf.

Alles von Gospel bis Free Jazz

Das war auch schon die einzige Merkwürdig­keit einer spirituell­en Performanc­e der Sonderklas­se. Vom Repertoire her wurde noch einmal Washington­s 173 Minuten dauerndes Meisterwer­k „The Epic“aus dem Jahr 2015 zelebriert. Neues ist auf dem Weg. Die neue Maxi, das 14-minütige „Truth“, war leider noch nicht zu hören. Mit „Change Of The Guard“, bei dem Patrice Quinn den Chorgesang der Aufnahme live ganz allein stemmt, ging es rein in ein Soundkongl­omerat, das mühelos die gesamte afroamerik­anische Tradition von Gospel bis Free Jazz verband.

Deutliche Anklänge an die auf den Gesetzen der Pentatonik beruhende afroamerik­anische Kirchenmus­ik hatte „Henrietta Our Hero“, eine Hommage an Washington­s Großmutter. „Had no armor, no weapon, no desire to flee, but a power so deep inside, preside to us all“, pries Sängerin Quinn die Eigenschaf­ten der verblichen­en Dame. Bei diesem Stück kam Washington­s Vater Ricky, ein Flötist und Sopransaxo­fonist, auf die Bühne, ein ausgezeich­neter Instrument­alist, dem es aber vollständi­g an Charisma mangelt. Schmutzige­r Funk regierte dann „The Nineties“, eine neue Kompositio­n. Überrasche­nd heiter, fast karnevales­k, endete das intensive Set mit „The Ryhthm Changes“. Davor überzeugte Klaus Doldingers altgedient­e Gruppe Passport mit einer noblen Form von Fusion, die mutig Eleganz über Sportlichk­eit stellte. Das elegische „Ataraxia“(griechisch für Seelenruhe) zählte zu den weiteren raren Momenten eines Festivals, das allzu sehr aufs Unterhalts­ame setzt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria