Kinder auch vor den eigenen Eltern schützen
„Wer entscheidet, ob Charlie stirbt?“, von M. Kastenhofer, 6. 7. Meines Erachtens haben Eltern nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten, nämlich für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Sind sie dazu nicht imstande, weil ihre Weltanschauung konträr zu diesem Wohl steht, dann ist ihnen das Sorgerecht zumindest in dieser Frage zu entziehen. Ein klassisches Beispiel: die Zeugen Jehovas, die Bluttransfusionen aufgrund einer Bibelauslegung auch dann verboten haben, wenn sie damit ihr Kind zum Tod verdammt haben.
Klarerweise stellt sich dann die Frage, wieso andere in dieser Frage gegen die Eltern entscheiden sollen und dürfen. Während bei offensichtlichen Misshandlungen oder Schulverweigerung etc. die zuständigen Stellen sehr wohl aufgefordert werden einzuschreiten, bricht bei medizinischen Entscheidungen häufig ein Grundsatzstreit aus. Wann kippt die ideologisch geprägte Handlungsweise der Eltern in eine Misshandlung des Kindes? Dürfen sie allein über Leben und Tod der ihnen anvertrauten Kinder entscheiden? Oder muss die Allgemeinheit wie bei jedem Missbrauch hier verpflichtend einschreiten? – Für mich steht außer Diskussion, dass man sich mitunter gezwungen sieht, Kinder auch vor den eigenen Eltern schützen zu müssen, so unangenehm dies sein kann.
Gerade die Möglichkeiten der heutigen Intensivmedizin, die es schafft, auch cerebral schwerst Geschädigte über Jahre „am Leben“zu erhalten, zwingen dazu, sich genau zu überlegen,
was dem Betroffenen nützt und was seinen Angehörigen. Eine sinnlose und mit Sicherheit qualvolle Intensivmedizin wie im Fall Charlie, nur weil die Eltern die Wahrheit nicht akzeptieren können, ist m. E. in höchstem Maß unmoralisch und keinesfalls am Kindeswohl orientiert. Ein Weiterleben, egal unter welchen Umständen, kann nicht die Aufgabe einer verantwortungsbewussten Intensivmedizin sein. Die Parolen weiterzukämpfen, weil Charlie weiterkämpft, sind dumm und inhuman.