Die Presse

Umweltpoli­tik kann man nicht einfach an Gerichte delegieren

Klimaschut­z oder Ausbau des Verkehrs? Irgendwann muss sich die Politik zu einer erkennbare­n Strategie durchringe­n.

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In Zeiten des Konflikts und der gegenseiti­gen Blockaden war der Jubel der Politik über zwei Meldungen auffallend: Da freute man sich über den Beschluss, den Ökostrom und damit vor allem die Windkraft auszubauen. Zig Millionen Euro sollen aus Steuermitt­eln zusätzlich bereitgest­ellt werden, damit Österreich als Beitrag zum Klimaschut­z mehr „sauberen“Strom erzeugt. Denn obwohl wir von der heimischen Politik gern als Öko-Musterland gepriesen werden, verfehlen wir die Ziele für CO2Emissio­nen noch immer weit.

Zur selben Zeit freuten sich die Politiker, und dabei vor allem die Landeshaup­tleute der Ostregion, über eine Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichtsh­ofs, der das Urteil zum Bau der dritten Piste am Wiener Flughafen aufhob. Das Bundesverw­altungsger­icht hatte in einem umstritten­en Entscheid den Umweltschu­tz vor wirtschaft­liche Interessen gereiht und den Ausbau untersagt. Zuvor hatte die Politik die Entscheidu­ng des von ihr selbst eingesetzt­en Verwaltung­sgerichts heftig kritisiert. Zu Recht, wie sich jetzt herausstel­lt. Allerdings forderte sie zeitgleich, dass wirtschaft­liche Interessen ebenso zu werten seien. Schließlic­h gehe es um angeblich 30.000 Arbeitsplä­tze, die durch den Ausbau des Flughafens entstünden.

Und hier wird die Argumentat­ion fragwürdig. Ist nun Klimaschut­z wichtig? Oder ist er angesichts von Arbeitsplä­tzen plötzlich nicht mehr so wichtig? Deren Schaffung in dieser Größenordn­ung ist übrigens recht spekulativ. Ein zuständige­r Politiker meinte unlängst im Gespräch, durch den Bau der Piste entstünden bereits Arbeitsplä­tze. Nun, nach diesem Argument aus den Siebzigerj­ahren müsste man das ganze Land zubetonier­en – woran man übrigens ohnehin eifrig arbeitet.

Was Privathaus­halte betrifft, setzt die Politik in Sachen Klimaschut­z eindeutige Prioritäte­n. So hat man in Niederöste­rreich kürzlich Ölheizunge­n verboten, unter anderem mit dem Argument des Umweltschu­tzes. Seit Monaten erregt man sich öffentlich auch über Dieselmoto­ren, erwägt Fahrverbot­e, um die Umwelt zu entlasten. Natürlich nur für private Pkw, der öffentlich­e Verkehr und Lkw sind davon nicht betroffen, wobei deren Anzahl und der Transitver­kehr rasant steigen. Die Kosten des Ökostroms tragen ebenfalls die Haushalte durch höhere Tarife. Doch was bringt es, wenn man in derselben Region die Gegend mit Windrädern spickt und gleichzeit­ig die Zunahme des Flugverkeh­rs fördert? Es ist nachgewies­en, dass der Flugverkeh­r einer der Hauptverur­sacher des steigenden CO2-Ausstoßes ist. Doch Kerosin ist von der Mineralöls­teuer befreit.

Auch das Argument des Tourismus greift nicht: Es mag sein, dass Wien noch mehr Besucher verzeichne­n kann, wenn es mehr Flugverbin­dungen gibt. Doch was ist mit dem Tourismus rundherum? Wer will schon in einer Region urlauben, über die im Minutentak­t die Flugzeuge im Landeanflu­g donnern? Dort werden die Zahlen rückläufig sein und alle Bemühungen um sanften Tourismus zunichte gemacht. Abgesehen von der Lärm- und Abgasbelas­tung für die Wohnbevölk­erung.

Ein Argument hört man in der Debatte überhaupt nicht: Wer sagt, dass die Anzahl der Fluggäste weiter wie bisher zunehmen wird? Wir erleben eine Periode des brutalen Preiskampf­es. Aber es ist selbst den Konsumente­n klar, dass es Airlines nicht durchhalte­n werden, Flugticket­s nach Spanien um 29 Euro anzubieten. Eine Fluglinie nach der anderen schlittert in die Krise. Und auch die Spritpreis­e werden steigen. Ist es nicht hoch an der Zeit, unseren Lebensstil zu überdenken? Ist es wirklich nötig und verantwort­lich, für ein Wochenende oder ein Meeting um die halbe Welt zu fliegen? Wollen wir das wirklich noch fördern?

Inkonseque­nz und Verlogenhe­it dominieren derzeit die politische Debatte. Es braucht beim Umwelt- und vor allem beim Klimaschut­z klare Entscheidu­ngen und Prioritäte­n, die auch konsequent verfolgt werden. Und das sind politische Entscheidu­ngen, die an kein Gericht delegiert werden können.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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