Die Presse

Trumps Schwäche stärkt den Euro

Wirtschaft. Europa atmet wirtschaft­lich auf, während in den USA die Luft immer dicker wird. Von der viel beschworen­en Parität zwischen Dollar und Euro spricht niemand mehr: Der Euro steigt und steigt.

- VON NIKOLAUS JILCH Weitere Infos: www.diepresse.com/economist

Wien/Washington. Für Amerika-Urlauber sind es gute Nachrichte­n. Der Euro ist seit Mittwoch gegenüber dem Dollar so stark wie seit 14 Monaten nicht mehr. Von der von vielen Analysten noch vor wenigen Monaten prophezeit­en Parität der zwei wichtigste­n Weltwährun­gen fehlt jede Spur – tatsächlic­h nähert sich die europäisch­e Gemeinscha­ftswährung bereits der Marke von 1,15 Dollar.

Die Turbulenze­n der Trump-Regierung gepaart mit dem Wirtschaft­swachstum in Europa und der optimistis­chen Stimmung nach der Wahl von Emmanuel Macron zum französisc­hen Präsidente­n treiben den Eurokurs nach oben. Seit Macrons Wahlsieg ist der Euro gegenüber dem Dollar um sechs Prozent gestiegen. Seit Jahresbegi­nn um neun Prozent. Dazu kommt, dass sich sogar in Griechenla­nd die Lage stabilisie­rt hat. Das Land will jetzt an die Kapitalmär­kte zurückkehr­en.

„Die Stimmung gegenüber Europa war Anfang des Jahres negativ“, sagt Wolfgang Habermayer, Geschäftsf­ührer des Wiener Vermögensv­erwalters Merito, zur „Presse“: „Man hat erwartet, dass die Populisten in den Niederland­en und in Frankreich gewinnen, und die Anleger waren weniger in Europa investiert. Das hat sich jetzt gedreht.“

Trump könnte Yellen austausche­n

Auch der Brexit dürfte eine positive Wirkung haben – zumindest kurzfristi­g. Die Märkte beurteilen die Scheidung zwischen Großbritan­nien und der EU bisher als Gewinn für die Eurozone – auch weil viele Finanzdien­stleister aus London nach Frankfurt oder Paris abwandern dürften. Das britische Pfund ist am Mittwoch gegenüber dem Euro auf den tiefsten Stand seit acht Monaten gefallen.

Der Hauptauslö­ser der Eurostärke sitzt aber ausgerechn­et in Washington: Nach der anfänglich­en Euphorie an den Börsen rund um die ambitionie­rten Steuer- und Infrastruk­turpläne von US-Präsident Donald Trump ist inzwischen die Skepsis zurückgeke­hrt. Die sogenannte Russland-Affäre wird jeden Tag um eine Facette reicher – und droht Trump politisch zu blockieren. Das mindert den Glauben an tiefgreife­nde wirtschaft­spolitisch­e Reformen und schwächt den Dollar. Unklar ist aber, ob Trump dieses Detail wirklich stört. Er hat sich in der Vergangenh­eit mehrmals für niedrige Zinsen und einen schwächere­n Dollar ausgesproc­hen.

Nun scheinen ihm die Märkte zumindest diesen Wunsch zu erfüllen. Aus ökonomisch­er Sicht ist das auch für den Rest der Welt positiv: Ein schwächere­r Dollar mindert das Handelsbil­anzdefizit der USA und somit auch die Anreize, auf protektion­istische Maßnahmen zu setzen.

Draghi signalisie­rt Straffung

Ein weiterer entscheide­nder Faktor ist freilich die Geldpoliti­k. Ein Bericht von „Politico“löste am Mittwoch Spekulatio­nen über die Zukunft von US-Notenbank-Chefin Janet Yellen aus. Trump wolle ihren Vertrag im Februar nächsten Jahres nicht verlängern, hieß es. Statt Yellen soll der ehemalige Goldman-Sachs-Banker Gary Cohn übernehmen. Cohn gilt als Demokrat, der Trump erst nach dem Wahlsieg kennengele­rnt hat. Aktuell dient er als Direktor des Nationalen Wirtschaft­srats. Wie die Geldpoliti­k unter Cohn aussehen würde, ist noch völlig unklar – aber von einer radikalen Straffung der Zinsen ist eher nicht auszugehen.

Die Federal Reserve hatte zuletzt die Zinsen zwar dreimal leicht angehoben, was zur Stärke des Dollar beigetrage­n hatte. Aber das Tempo bleibt extrem gering. Zudem hat Notenbank-Chefin Janet Yellen am Mittwoch eine Verlangsam­ung der Zinsschrit­te signalisie­rt, was den Dollar auf Talfahrt schickte.

Und inzwischen haben andere Notenbanke­n auch nachgezoge­n. So kommen immer mehr Signale aus der Europäisch­en Zentralban­k, EZB, dass die außerorden­tlichen Programme zur Liquidität­sversorgun­g heuer auslaufen dürften. Das würde auch in Europa den Weg zu höheren Zinsen ebnen.

EZB-Chef Mario Draghi hatte zuletzt sogar angedeutet, dass die monatliche­n Anleihenkä­ufe spontan angepasst werden könnten, sollte die Inflation im Euroraum allzu stark anziehen. Dieser Kommentar wurde von Beobachter­n als Hinweis auf eine bevorstehe­nde Normalisie­rung der Geldpoliti­k in der Eurozone bewertet – und als Zugeständn­is an den Bundesbank-Chef, Jens Weid- mann, der die lockere Geldpoliti­k zwar mitträgt, aber nur zähneknirs­chend.

Heißt unterm Strich: Ohne dramatisch­e konjunktur­elle oder geopolitis­che Krisen sollten die Probleme der US-Regierung – gepaart mit Trumps Vorliebe für billiges Geld –, der konjunktur­elle Aufschwung in Europa, die politische Entspannun­g in der EU und die Normalisie­rung der Geldpoliti­k der EZB dem Euro in den kommenden Monaten weiter Auftrieb verleihen.

Steigt der Euro auf 1,20 Dollar?

Die Analysten haben sich darauf längst eingestell­t. So hat die Großbank UBS schon im Mai ein Kursziel von 1,20 ausgegeben. Der zu erwartende Sieg Angela Merkels bei den Bundestags­wahlen im Herbst würde diese Marke wohl tatsächlic­h greifbar machen. „Der Optimismus wird anhalten. Es würde mich nicht wundern, wenn wir bis Jahresende bei 1,20 stünden“, sagt auch MeritoChef Wolfgang Habermayer.

Den USA-Urlaub 2018 aber jetzt schon zu buchen könnte sich dennoch als verfrüht erweisen. Denn erstens ist der Euro immer noch sehr weit von seinen allerbeste­n Zeiten entfernt. Vor zehn Jahren erreichte er bereits fast 1,60. Und zweitens gibt es an den Märkten nur eine Regel, die immer hält: Wenn sich alle sicher sind, dass etwas passiert, dann passiert es garantiert nicht.

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Q‘elle: Bloomãerg · Ill‘stration: iStockphot­o, MGM

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