Trumps Schwäche stärkt den Euro
Wirtschaft. Europa atmet wirtschaftlich auf, während in den USA die Luft immer dicker wird. Von der viel beschworenen Parität zwischen Dollar und Euro spricht niemand mehr: Der Euro steigt und steigt.
Wien/Washington. Für Amerika-Urlauber sind es gute Nachrichten. Der Euro ist seit Mittwoch gegenüber dem Dollar so stark wie seit 14 Monaten nicht mehr. Von der von vielen Analysten noch vor wenigen Monaten prophezeiten Parität der zwei wichtigsten Weltwährungen fehlt jede Spur – tatsächlich nähert sich die europäische Gemeinschaftswährung bereits der Marke von 1,15 Dollar.
Die Turbulenzen der Trump-Regierung gepaart mit dem Wirtschaftswachstum in Europa und der optimistischen Stimmung nach der Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten treiben den Eurokurs nach oben. Seit Macrons Wahlsieg ist der Euro gegenüber dem Dollar um sechs Prozent gestiegen. Seit Jahresbeginn um neun Prozent. Dazu kommt, dass sich sogar in Griechenland die Lage stabilisiert hat. Das Land will jetzt an die Kapitalmärkte zurückkehren.
„Die Stimmung gegenüber Europa war Anfang des Jahres negativ“, sagt Wolfgang Habermayer, Geschäftsführer des Wiener Vermögensverwalters Merito, zur „Presse“: „Man hat erwartet, dass die Populisten in den Niederlanden und in Frankreich gewinnen, und die Anleger waren weniger in Europa investiert. Das hat sich jetzt gedreht.“
Trump könnte Yellen austauschen
Auch der Brexit dürfte eine positive Wirkung haben – zumindest kurzfristig. Die Märkte beurteilen die Scheidung zwischen Großbritannien und der EU bisher als Gewinn für die Eurozone – auch weil viele Finanzdienstleister aus London nach Frankfurt oder Paris abwandern dürften. Das britische Pfund ist am Mittwoch gegenüber dem Euro auf den tiefsten Stand seit acht Monaten gefallen.
Der Hauptauslöser der Eurostärke sitzt aber ausgerechnet in Washington: Nach der anfänglichen Euphorie an den Börsen rund um die ambitionierten Steuer- und Infrastrukturpläne von US-Präsident Donald Trump ist inzwischen die Skepsis zurückgekehrt. Die sogenannte Russland-Affäre wird jeden Tag um eine Facette reicher – und droht Trump politisch zu blockieren. Das mindert den Glauben an tiefgreifende wirtschaftspolitische Reformen und schwächt den Dollar. Unklar ist aber, ob Trump dieses Detail wirklich stört. Er hat sich in der Vergangenheit mehrmals für niedrige Zinsen und einen schwächeren Dollar ausgesprochen.
Nun scheinen ihm die Märkte zumindest diesen Wunsch zu erfüllen. Aus ökonomischer Sicht ist das auch für den Rest der Welt positiv: Ein schwächerer Dollar mindert das Handelsbilanzdefizit der USA und somit auch die Anreize, auf protektionistische Maßnahmen zu setzen.
Draghi signalisiert Straffung
Ein weiterer entscheidender Faktor ist freilich die Geldpolitik. Ein Bericht von „Politico“löste am Mittwoch Spekulationen über die Zukunft von US-Notenbank-Chefin Janet Yellen aus. Trump wolle ihren Vertrag im Februar nächsten Jahres nicht verlängern, hieß es. Statt Yellen soll der ehemalige Goldman-Sachs-Banker Gary Cohn übernehmen. Cohn gilt als Demokrat, der Trump erst nach dem Wahlsieg kennengelernt hat. Aktuell dient er als Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats. Wie die Geldpolitik unter Cohn aussehen würde, ist noch völlig unklar – aber von einer radikalen Straffung der Zinsen ist eher nicht auszugehen.
Die Federal Reserve hatte zuletzt die Zinsen zwar dreimal leicht angehoben, was zur Stärke des Dollar beigetragen hatte. Aber das Tempo bleibt extrem gering. Zudem hat Notenbank-Chefin Janet Yellen am Mittwoch eine Verlangsamung der Zinsschritte signalisiert, was den Dollar auf Talfahrt schickte.
Und inzwischen haben andere Notenbanken auch nachgezogen. So kommen immer mehr Signale aus der Europäischen Zentralbank, EZB, dass die außerordentlichen Programme zur Liquiditätsversorgung heuer auslaufen dürften. Das würde auch in Europa den Weg zu höheren Zinsen ebnen.
EZB-Chef Mario Draghi hatte zuletzt sogar angedeutet, dass die monatlichen Anleihenkäufe spontan angepasst werden könnten, sollte die Inflation im Euroraum allzu stark anziehen. Dieser Kommentar wurde von Beobachtern als Hinweis auf eine bevorstehende Normalisierung der Geldpolitik in der Eurozone bewertet – und als Zugeständnis an den Bundesbank-Chef, Jens Weid- mann, der die lockere Geldpolitik zwar mitträgt, aber nur zähneknirschend.
Heißt unterm Strich: Ohne dramatische konjunkturelle oder geopolitische Krisen sollten die Probleme der US-Regierung – gepaart mit Trumps Vorliebe für billiges Geld –, der konjunkturelle Aufschwung in Europa, die politische Entspannung in der EU und die Normalisierung der Geldpolitik der EZB dem Euro in den kommenden Monaten weiter Auftrieb verleihen.
Steigt der Euro auf 1,20 Dollar?
Die Analysten haben sich darauf längst eingestellt. So hat die Großbank UBS schon im Mai ein Kursziel von 1,20 ausgegeben. Der zu erwartende Sieg Angela Merkels bei den Bundestagswahlen im Herbst würde diese Marke wohl tatsächlich greifbar machen. „Der Optimismus wird anhalten. Es würde mich nicht wundern, wenn wir bis Jahresende bei 1,20 stünden“, sagt auch MeritoChef Wolfgang Habermayer.
Den USA-Urlaub 2018 aber jetzt schon zu buchen könnte sich dennoch als verfrüht erweisen. Denn erstens ist der Euro immer noch sehr weit von seinen allerbesten Zeiten entfernt. Vor zehn Jahren erreichte er bereits fast 1,60. Und zweitens gibt es an den Märkten nur eine Regel, die immer hält: Wenn sich alle sicher sind, dass etwas passiert, dann passiert es garantiert nicht.