Standln statt Gastronomie
Regeln. Die Wiener Märkte sollen wieder werden, was sie lange waren: Nahversorger. Um die Gastronomie zurückzudrängen, dürfen neue Lebensmittelstände keine Sitzplätze mehr haben.
Die Wiener Märkte sollen nach dem Willen der Stadt wieder werden, was sie einmal waren: Nahversorger.
Wien. Gemütlich am Markt Lebensmittel einkaufen und sie vorher am Stand auch verkosten – das soll in Wien bald Geschichte sein. Zumindest, wenn es nach dem Marktamt geht – denn das informierte Interessenten für Lebensmittelstände per Merkblatt, dass ab 1. Juli keine Speisen und Getränke mehr ausgeben werden dürfen. Wer einen Stand übernehmen will, muss Küche und Sitznischen vorher sogar zurückbauen.
Warum das Marktamt plötzlich so agiert, hat einen komplizierten Hintergrund. Prinzipiell gibt es für Marktstände unterschiedliche Genehmigungen: Gastronomie, Handelsgewerbe und Dienstleistung. In der Marktordnung ist festgehalten, dass höchstens ein Drittel der Stände reine Gastronomiebetriebe sein dürfen. Spaziert man aber etwa über den Nasch- oder Karmelitermarkt, bekommt man den Eindruck, dass schon der überwiegende Teil Gastronomiebetriebe sind.
Das liegt daran, dass sich in den vergangenen zehn Jahren Mischformen entwickelt haben – also Stände, wo man sowohl Kaffee trinken als auch Lebensmittel kaufen kann. Diese Stände (die meist eine Handelsgenehmigung haben), dürfen nicht mehr als acht sogenannte „Verabreichungsplätze“haben. Zuletzt gab es deswegen immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Marktamt und Betreibern, die oft mehr Sitzplätze als erlaubt hatten – die Strafen aber nicht akzeptieren wollten.
Wildwuchs wieder eindämmen
Prominent ist ein Fall am Karmelitermarkt, wo es zwischen den Betreibern zweier Lokale deswegen regelmäßig zu medial ausgetragenen Streitereien kommt. „Es gibt einen Wildwuchs an Gastronomie auf den Märkten, den wir eindämmen wollen. Wir wollen, dass die Märkte ihre ursprüngliche Funktion langsam zurückbekommen: Nämlich Nahversorger zu sein“, heißt es aus dem Büro der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Die neue Regelung würde nur Neuübernahmen betreffen – alte Stände müssten nichts rückbauen.
Allerdings fallen deren Betreiber um ihre Ablöse um, wenn sie den Stand weitergeben wollen – beziehungsweise ist es fraglich, ob sie überhaupt einen Abnehmer finden, der dann zunächst einmal mit hohen Rückbaukosten konfrontiert ist. Und gleichzeitig mit der Gastronomie ein ganzer Geschäftszweig wegbricht.
Am Meidlinger Markt herrscht Ärger über die neue Regelung. „Ich verstehe ja, dass man nicht überall so etwas wie den Naschmarkt will, aber alle über einen Kamm zu scheren, ist auch keine Lösung“, sagt Mark Ruiz Hellin, der dort seit April die Konditorei Hüftgold betreibt. Gerade der Meidlinger Markt hätte sich durch die Mischformen vom toten Lebensmittelmarkt zum lebendigen Bezirkszentrum gewandelt. „Wenn das bei uns umgesetzt wird, ist der Markt bald wieder so tot wie vorher.“
Sein künftiger Nachbar Michael Strangl hatte noch einmal Glück: Er eröffnet sein steirisches Spezialitätengeschäft „Die zwei am Markt“Anfang August. „Natürlich wollen die Kunden vorher kosten, bevor sie bei mir einkaufen“, sagt Strangl. „Ich habe den Antrag für die Genehmigung ein paar Tage vor dem Druck des Merkblatts eingereicht“, sagt er. „Darum konnten wir noch eine Lösung mit dem Marktamt finden.“
Die beiden arbeiten übrigens gerade an einem Konzept für den Markt, das sie der Stadt dann vor- stellen wollen: „Die Märkte und die Grätzel sind so unterschiedlich – nicht alle brauchen dasselbe“, sagt Hellin. Um das gut abzustimmen, brauchte es nicht eine einheitliche, für viele schädliche Regelung, sondern ein auf die Bedürfnisse abgestimmtes Konzept.
Um die Neuregelung doch noch zu kippen, haben die Meidlinger Marktstandler nun einen offenen Brief an Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) gerichtet. Unterstützt werden sie von der Wiener Wirtschaftskammer, die die Neuregelung für rechtlich bedenklich hält. Die Nebengewerbe – also das Anbieten von Verabreichungsplätzen – sei ein Recht, das in einem Bundesgesetz festgehalten ist. Die Wiener Marktordnung steht diesem Recht aber entgegen.
Die Marktordnung wird aktuell novelliert. Die Genehmigungen sollen dabei genauso neu geregelt werden wie der Anteil der Gastronomiebetriebe – das gilt auch für die Weihnachtsmärkte. Die Novelle soll im Herbst vorliegen.