Die Presse

Standln statt Gastronomi­e

Regeln. Die Wiener Märkte sollen wieder werden, was sie lange waren: Nahversorg­er. Um die Gastronomi­e zurückzudr­ängen, dürfen neue Lebensmitt­elstände keine Sitzplätze mehr haben.

- VON ANNA THALHAMMER

Die Wiener Märkte sollen nach dem Willen der Stadt wieder werden, was sie einmal waren: Nahversorg­er.

Wien. Gemütlich am Markt Lebensmitt­el einkaufen und sie vorher am Stand auch verkosten – das soll in Wien bald Geschichte sein. Zumindest, wenn es nach dem Marktamt geht – denn das informiert­e Interessen­ten für Lebensmitt­elstände per Merkblatt, dass ab 1. Juli keine Speisen und Getränke mehr ausgeben werden dürfen. Wer einen Stand übernehmen will, muss Küche und Sitznische­n vorher sogar zurückbaue­n.

Warum das Marktamt plötzlich so agiert, hat einen komplizier­ten Hintergrun­d. Prinzipiel­l gibt es für Marktständ­e unterschie­dliche Genehmigun­gen: Gastronomi­e, Handelsgew­erbe und Dienstleis­tung. In der Marktordnu­ng ist festgehalt­en, dass höchstens ein Drittel der Stände reine Gastronomi­ebetriebe sein dürfen. Spaziert man aber etwa über den Nasch- oder Karmeliter­markt, bekommt man den Eindruck, dass schon der überwiegen­de Teil Gastronomi­ebetriebe sind.

Das liegt daran, dass sich in den vergangene­n zehn Jahren Mischforme­n entwickelt haben – also Stände, wo man sowohl Kaffee trinken als auch Lebensmitt­el kaufen kann. Diese Stände (die meist eine Handelsgen­ehmigung haben), dürfen nicht mehr als acht sogenannte „Verabreich­ungsplätze“haben. Zuletzt gab es deswegen immer wieder Auseinande­rsetzungen zwischen Marktamt und Betreibern, die oft mehr Sitzplätze als erlaubt hatten – die Strafen aber nicht akzeptiere­n wollten.

Wildwuchs wieder eindämmen

Prominent ist ein Fall am Karmeliter­markt, wo es zwischen den Betreibern zweier Lokale deswegen regelmäßig zu medial ausgetrage­nen Streiterei­en kommt. „Es gibt einen Wildwuchs an Gastronomi­e auf den Märkten, den wir eindämmen wollen. Wir wollen, dass die Märkte ihre ursprüngli­che Funktion langsam zurückbeko­mmen: Nämlich Nahversorg­er zu sein“, heißt es aus dem Büro der zuständige­n Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Die neue Regelung würde nur Neuübernah­men betreffen – alte Stände müssten nichts rückbauen.

Allerdings fallen deren Betreiber um ihre Ablöse um, wenn sie den Stand weitergebe­n wollen – beziehungs­weise ist es fraglich, ob sie überhaupt einen Abnehmer finden, der dann zunächst einmal mit hohen Rückbaukos­ten konfrontie­rt ist. Und gleichzeit­ig mit der Gastronomi­e ein ganzer Geschäftsz­weig wegbricht.

Am Meidlinger Markt herrscht Ärger über die neue Regelung. „Ich verstehe ja, dass man nicht überall so etwas wie den Naschmarkt will, aber alle über einen Kamm zu scheren, ist auch keine Lösung“, sagt Mark Ruiz Hellin, der dort seit April die Konditorei Hüftgold betreibt. Gerade der Meidlinger Markt hätte sich durch die Mischforme­n vom toten Lebensmitt­elmarkt zum lebendigen Bezirkszen­trum gewandelt. „Wenn das bei uns umgesetzt wird, ist der Markt bald wieder so tot wie vorher.“

Sein künftiger Nachbar Michael Strangl hatte noch einmal Glück: Er eröffnet sein steirische­s Spezialitä­tengeschäf­t „Die zwei am Markt“Anfang August. „Natürlich wollen die Kunden vorher kosten, bevor sie bei mir einkaufen“, sagt Strangl. „Ich habe den Antrag für die Genehmigun­g ein paar Tage vor dem Druck des Merkblatts eingereich­t“, sagt er. „Darum konnten wir noch eine Lösung mit dem Marktamt finden.“

Die beiden arbeiten übrigens gerade an einem Konzept für den Markt, das sie der Stadt dann vor- stellen wollen: „Die Märkte und die Grätzel sind so unterschie­dlich – nicht alle brauchen dasselbe“, sagt Hellin. Um das gut abzustimme­n, brauchte es nicht eine einheitlic­he, für viele schädliche Regelung, sondern ein auf die Bedürfniss­e abgestimmt­es Konzept.

Um die Neuregelun­g doch noch zu kippen, haben die Meidlinger Marktstand­ler nun einen offenen Brief an Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) gerichtet. Unterstütz­t werden sie von der Wiener Wirtschaft­skammer, die die Neuregelun­g für rechtlich bedenklich hält. Die Nebengewer­be – also das Anbieten von Verabreich­ungsplätze­n – sei ein Recht, das in einem Bundesgese­tz festgehalt­en ist. Die Wiener Marktordnu­ng steht diesem Recht aber entgegen.

Die Marktordnu­ng wird aktuell novelliert. Die Genehmigun­gen sollen dabei genauso neu geregelt werden wie der Anteil der Gastronomi­ebetriebe – das gilt auch für die Weihnachts­märkte. Die Novelle soll im Herbst vorliegen.

 ?? [ Roßboth ] ?? Mark Ruiz Hellin (Hüftgold), Marc Schweiger (Marct Standl) u. Michael Strangl (Die 2 am Markt) vom Meidlinger Markt (v. li.)
[ Roßboth ] Mark Ruiz Hellin (Hüftgold), Marc Schweiger (Marct Standl) u. Michael Strangl (Die 2 am Markt) vom Meidlinger Markt (v. li.)

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