So wird man Schulden los
Abschöpfungsverfahren. Was ändert sich ab November? Wann führen Null-Rückzahlungen zu einer Entschuldung? Und wieso dürfen nicht alle Schuldner aufs Inkrafttreten der neuen Regeln warten?
Die Neuerungen \eim Privatkonkurs im Ü\er\lick.
Um den „Privatkonkurs neu“gab es viel Aufregung, beschlossen wurde er letztlich in einer leicht abgeschwächten Version. Vor allem wird das Abschöpfungsverfahren, das derzeit noch sieben Jahre dauert, nicht auf drei, sondern auf fünf Jahre verkürzt – Gläubigerschützer reagierten erleichtert. Zudem wird die Novelle etwas später in Kraft treten, größtenteils ab 1. November – ursprünglich sollte sie schon ab Juli gelten. Aber was ändert sich dann wirklich für Schuldner und Gläubiger? Und was bewirken die nachträglichen Abschwächungen?
Soviel steht fest: Sich zu entschulden, wird für Privatpersonen und Einzelunternehmer grundsätzlich leichter – jedenfalls, wenn erst einmal ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet wurde. Denn an einem Kernpunkt der Neuregelung wurde nicht mehr gerüttelt: Die zehnprozentige Mindestquote, die Schuldner bisher zu erfüllen hatten, fällt weg. Im Abschöpfungsverfahren werden dem Schuldner zwar fünf Jahre lang alle über das Existenzminimum hinausgehenden Einkünfte abgeknöpft – aber dann folgt im Normalfall automatisch eine Restschuldbefreiung. „Und zwar ohne abschließende richterliche Billigkeitskontrolle“, sagt Konrad Koloseus, Partner bei NHK Rechtsanwälte. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Die Gläubiger können die Einstellung des Abschöpfungsverfahrens beantragen, wenn es einen berechtigten Grund dafür gibt.
Konkursantrag hinauszögern?
Dass ansonsten der Automatismus greift – und überhaupt der Wegfall der Mindestquote – war und ist ein besonders umstrittener Punkt. Inkassodienste beklagten schon im Vorfeld, dass sich das Verhalten der Zahlungspflichtigen massiv verändert habe: Immer mehr Schuldner würden keine Rückzahlungsvereinbarungen mehr treffen, ja sogar bereits vereinbarte Raten nicht mehr zahlen. Auch Schuldnervertreter würden oft empfehlen, mit einem Antrag auf Schuldenregulierung auf die Neuregelung zu warten.
„Eine solche Empfehlung könnte aus Schuldnersicht manchmal tatsächlich nicht abwegig erscheinen“, formuliert Koloseus vorsichtig. Diese Option haben freilich nur Privatpersonen: Als Unternehmer muss man unverzüglich, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, einen Insolvenzantrag stellen. „Man hat also gar nicht die rechtliche Befugnis, den Zeitpunkt der Einleitung seines Insolvenzverfahrens selbst zu bestimmen“, warnt der Jurist.
Gläubiger befürchten zudem, dass Schuldner künftig weder einen Job annehmen noch ihre Arbeitsstunden erhöhen müssen. Sondern genauso gut weiterhin Mindestsicherung beziehen oder sich mit einem Einkommen unter dem Existenzminimum begnügen können. Ganz so einfach sei es nicht, sagt Koloseus: „Die Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit – bzw., dass man sich um eine solche bemüht – ist Zulässigkeitsvoraussetzung und Obliegenheit des Schuldners für ein Abschöpfungsverfahren“, erklärt er. „Richtig ist aber, dass erfolgloses Bemühen – und Rückzahlungen von Null – trotzdem zu einer Restschuldbefreiung führen können.“Vor allem dann, wenn kein Gläubiger während des Abschöpfungsverfahrens davon erfährt – dann steht eine allfällige Verfahrenseinstellung gar nicht zur Diskussion.
Berichtspflicht des Schuldners
Immerhin muss der Schuldner jedoch dem Gericht mindestens jährlich zu festgesetzten Terminen „proaktiv“über seine Bemühungen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berichten. „Das klingt scharf, letztlich ist es aber eine formal hinter sich zu bringende Verpflichtung“, schränkt der Jurist ein. Denn eine plausible Erklärung, warum es mit der Jobsuche nicht geklappt hat, reicht. Bei Verstößen dagegen droht zudem nicht gleich die amtswegige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens – was insofern verwundert, als das bei bestimmten anderen Verstößen sehr wohl vor- gesehen ist. Etwa, wenn man einen Wohnsitzwechsel nicht meldet.
Angesichts all dessen stellt sich die Frage, ob die Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens tatsächlich ein gar so großer Durchbruch für die Gläubigerseite war. Beim KSV1870 bejaht man das: Erfahrungsgemäß würden erst nach einigen Jahren der Abschöpfung nennenswerte Beträge fließen. Noch etwas betonen die Gläubigerschüt-
zer: „Der Zahlungsplan behält auch in Zukunft seine Bedeutung.“Es wird demnach weiterhin viele Fälle geben, in denen man sich auf Raten einigt und gar kein Abschöpfungsverfahren braucht. Schuldner können so ihre Altlasten rascher loswerden, daher werden weiterhin viele das anstreben, hofft man. Laut KSV schafften bisher fast dreiviertel aller Schuldner eine solche direkte Einigung mit den Gläubigern.