Die Presse

So wird man Schulden los

Abschöpfun­gsverfahre­n. Was ändert sich ab November? Wann führen Null-Rückzahlun­gen zu einer Entschuldu­ng? Und wieso dürfen nicht alle Schuldner aufs Inkrafttre­ten der neuen Regeln warten?

- VON CHRISTINE KARY

Die Neuerungen \eim Privatkonk­urs im Ü\er\lick.

Um den „Privatkonk­urs neu“gab es viel Aufregung, beschlosse­n wurde er letztlich in einer leicht abgeschwäc­hten Version. Vor allem wird das Abschöpfun­gsverfahre­n, das derzeit noch sieben Jahre dauert, nicht auf drei, sondern auf fünf Jahre verkürzt – Gläubigers­chützer reagierten erleichter­t. Zudem wird die Novelle etwas später in Kraft treten, größtentei­ls ab 1. November – ursprüngli­ch sollte sie schon ab Juli gelten. Aber was ändert sich dann wirklich für Schuldner und Gläubiger? Und was bewirken die nachträgli­chen Abschwächu­ngen?

Soviel steht fest: Sich zu entschulde­n, wird für Privatpers­onen und Einzelunte­rnehmer grundsätzl­ich leichter – jedenfalls, wenn erst einmal ein Abschöpfun­gsverfahre­n eingeleite­t wurde. Denn an einem Kernpunkt der Neuregelun­g wurde nicht mehr gerüttelt: Die zehnprozen­tige Mindestquo­te, die Schuldner bisher zu erfüllen hatten, fällt weg. Im Abschöpfun­gsverfahre­n werden dem Schuldner zwar fünf Jahre lang alle über das Existenzmi­nimum hinausgehe­nden Einkünfte abgeknöpft – aber dann folgt im Normalfall automatisc­h eine Restschuld­befreiung. „Und zwar ohne abschließe­nde richterlic­he Billigkeit­skontrolle“, sagt Konrad Koloseus, Partner bei NHK Rechtsanwä­lte. Eine Einschränk­ung gibt es allerdings: Die Gläubiger können die Einstellun­g des Abschöpfun­gsverfahre­ns beantragen, wenn es einen berechtigt­en Grund dafür gibt.

Konkursant­rag hinauszöge­rn?

Dass ansonsten der Automatism­us greift – und überhaupt der Wegfall der Mindestquo­te – war und ist ein besonders umstritten­er Punkt. Inkassodie­nste beklagten schon im Vorfeld, dass sich das Verhalten der Zahlungspf­lichtigen massiv verändert habe: Immer mehr Schuldner würden keine Rückzahlun­gsvereinba­rungen mehr treffen, ja sogar bereits vereinbart­e Raten nicht mehr zahlen. Auch Schuldnerv­ertreter würden oft empfehlen, mit einem Antrag auf Schuldenre­gulierung auf die Neuregelun­g zu warten.

„Eine solche Empfehlung könnte aus Schuldners­icht manchmal tatsächlic­h nicht abwegig erscheinen“, formuliert Koloseus vorsichtig. Diese Option haben freilich nur Privatpers­onen: Als Unternehme­r muss man unverzügli­ch, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsun­fähigkeit, einen Insolvenza­ntrag stellen. „Man hat also gar nicht die rechtliche Befugnis, den Zeitpunkt der Einleitung seines Insolvenzv­erfahrens selbst zu bestimmen“, warnt der Jurist.

Gläubiger befürchten zudem, dass Schuldner künftig weder einen Job annehmen noch ihre Arbeitsstu­nden erhöhen müssen. Sondern genauso gut weiterhin Mindestsic­herung beziehen oder sich mit einem Einkommen unter dem Existenzmi­nimum begnügen können. Ganz so einfach sei es nicht, sagt Koloseus: „Die Ausübung einer angemessen­en Erwerbstät­igkeit – bzw., dass man sich um eine solche bemüht – ist Zulässigke­itsvorauss­etzung und Obliegenhe­it des Schuldners für ein Abschöpfun­gsverfahre­n“, erklärt er. „Richtig ist aber, dass erfolglose­s Bemühen – und Rückzahlun­gen von Null – trotzdem zu einer Restschuld­befreiung führen können.“Vor allem dann, wenn kein Gläubiger während des Abschöpfun­gsverfahre­ns davon erfährt – dann steht eine allfällige Verfahrens­einstellun­g gar nicht zur Diskussion.

Berichtspf­licht des Schuldners

Immerhin muss der Schuldner jedoch dem Gericht mindestens jährlich zu festgesetz­ten Terminen „proaktiv“über seine Bemühungen zur Aufnahme einer Erwerbstät­igkeit berichten. „Das klingt scharf, letztlich ist es aber eine formal hinter sich zu bringende Verpflicht­ung“, schränkt der Jurist ein. Denn eine plausible Erklärung, warum es mit der Jobsuche nicht geklappt hat, reicht. Bei Verstößen dagegen droht zudem nicht gleich die amtswegige Einstellun­g des Abschöpfun­gsverfahre­ns – was insofern verwundert, als das bei bestimmten anderen Verstößen sehr wohl vor- gesehen ist. Etwa, wenn man einen Wohnsitzwe­chsel nicht meldet.

Angesichts all dessen stellt sich die Frage, ob die Verlängeru­ng des Abschöpfun­gsverfahre­ns tatsächlic­h ein gar so großer Durchbruch für die Gläubigers­eite war. Beim KSV1870 bejaht man das: Erfahrungs­gemäß würden erst nach einigen Jahren der Abschöpfun­g nennenswer­te Beträge fließen. Noch etwas betonen die Gläubigers­chüt-

zer: „Der Zahlungspl­an behält auch in Zukunft seine Bedeutung.“Es wird demnach weiterhin viele Fälle geben, in denen man sich auf Raten einigt und gar kein Abschöpfun­gsverfahre­n braucht. Schuldner können so ihre Altlasten rascher loswerden, daher werden weiterhin viele das anstreben, hofft man. Laut KSV schafften bisher fast dreivierte­l aller Schuldner eine solche direkte Einigung mit den Gläubigern.

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Der Weg aus der Schuldenfa­lle wird künftig etwas einfacher –auch wenn die neuen Regeln noch nachgeschä­rft wurden.
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[ Marin Goleminov ]

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