Die Presse

US-Vizepräsid­ent Pence ar\eitet an Zukunft ohne Trump

USA. Vizepräsid­ent distanzier­t sich in der Russland-Affäre, nachdem das Weiße Haus aufgrund neuer Enthüllung­en immer mehr unter Druck geriet. Trump ist untergetau­cht, Mitarbeite­r sprechen von „Katastroph­enstimmung“.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Washington. Donald Trump ist untergetau­cht. Seit seiner Rückkehr vom G20-Gipfel am vergangene­n Wochenende ist der US-Präsident nicht mehr öffentlich aufgetrete­n – offenbar, um keine unangenehm­en Fragen zum Verhalten seines Sohnes im Russland-Skandal beantworte­n zu müssen. Nur einer spricht: Trumps Vize, Mike Pence, distanzier­t sich in der Russland-Affäre. Manche Beobachter sind überzeugt, dass Pence diskret an einer Zukunft ohne Trump arbeitet.

Trump jr. hatte zugegeben, sich bei den Russen um belastende­s Wahlkampfm­aterial über Hillary Clinton bemüht zu haben. Damit warf er die bisherige Strategie der Regierung im Russland-Skandal über den Haufen. Das Weiße Haus kann nicht mehr behaupten, es habe keine russischen Versuche zur Einflussna­hme auf den Wahlkampf gegeben. Selbst Trump-Anhänger wie der Ex-Abgeordnet­e Joe Walsh sprechen von „Schande“. Regierungs­anhänger betonen, Trump jr. sei unerfahren, oder ein „Idiot“, wie das Trump-freundlich­e Blatt „New York Post“es ausdrückt.

Chronische Krisenstim­mung

Trump senior bezeichnet­e auf Twitter seinen Sohn als „unschuldig“und kritisiert­e die Medien. Aber so richtig überzeugen­d wirkten die Tweets nicht. US-Medien beschreibe­n eine chronische Krisenstim­mung im Weißen Haus, wo Trump überzeugt sei, dass die ganze Affäre ein Komplott sei. Ein Mitarbeite­r des Weißen Hauses sagte „Politico“, der Beratersta­b fühle sich angesichts der immer neuen Enthüllung­en „hilflos“.

Gestern tauchten Berichte auf, wonach die ersten Stellungna­hmen von Trump jr. zu den RusslandKo­ntakten, in denen er Gespräche über Wahlkampfh­ilfe gegen Clinton dementiert hatte, im Weißen Haus entworfen worden sein sollen. Das würde bedeuten, dass die Regierung versucht, die Sache unter den Teppich zu kehren. Während die Regierung immer stärker in den Strudel der Affäre gerät, geht Vizepräsid­ent Pence seinen eigenen Weg. Er gebe sich nicht mit Dingen ab, die vor seinem Eintritt in den Wahlkampf geschehen seien.

Damit wäscht der Vizepräsid­ent mit Blick auf die Russland-Gespräche von Trump jr. vom Juni vergangene­n Jahres seine Hände in Unschuld: Pence wurde erst im Juli zum Vize nominiert. Im Weißen Haus sei die Stellungna­hme von Pence überhaupt nicht gut angekommen. Schließlic­h hätte Trumps Stellvertr­eter seinem Chef auch zu Hilfe eilen können. Dass er das ausdrückli­ch nicht tut, nährt Spekulatio­nen, wonach der 58-jährige erzkonserv­ative frühere Gouverneur des Bundesstaa­tes Indiana an die eigene Zukunft denkt.

So trifft sich Pence seit einiger Zeit regelmäßig mit potenziell­en Geldgebern für den nächsten Wahlkampf. Zudem hat er sein eigenes Unterstütz­ungskomite­e mit Blick auf die Wahl im Jahr 2020 gegründet, was für einen Vizepräsid­enten ungewöhnli­ch ist. Normalerwe­ise gehören solche Komitees zu den Vorbereitu­ngen von Politikern, die das Präsidente­namt anstreben.

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