Die Presse

Stierhatz zugunsten der Senioren

Spanien. Das Bullentrei­ben in Pamplona ist legendär – und gefährlich: Etwa 350 Menschen wurden heuer bereits verletzt. Von dem blutigen Spektakel profitiert eine Altenstift­ung.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. Es ist Spaniens blutigstes Volksfest: Rund 350 Menschen wurden an den ersten sechs Tagen des morgendlic­hen Stiertreib­ens durch die Gassen Pamplonas bereits verletzt. Ein Banderille­ro, wie die Helfer der Toreros bei den abendliche­n Stierkämpf­en in der Arena heißen, erlitt einen Hornstoß in den Unterleib und kämpft um sein Leben. Aber das Blut fließt quasi im Namen der Barmherzig­keit: Das umstritten­e Stierspekt­akel in der spanischen Stadt wird nämlich kurioserwe­ise von einer Altenstift­ung organisier­t. Und ohne das „Haus der Barmherzig­keit“, wie die gemeinnütz­ige Organisati­on auf Deutsch heißt, würden wohl auch keine Stiere durch Pamplona bis in die Arena getrieben und dort abends von den Toreros getötet werden. Der Stiftung gehört seit fast einem Jahrhunder­t die riesige Stierkampf­arena, in der knapp 20.000 Menschen Platz finden. Nur die spanische Hauptstadt Madrid und die Mittelmeer­stadt Valencia haben noch größere Kampfplätz­e.

An den neun Abenden, an denen hier noch bis zum 14. Juli jeden Abend sechs Stiere getötet werden, sind die Ränge ausverkauf­t. Die Eintrittsk­arten kosten zwischen 21 Euro für die hinteren Plätze und 100 Euro in der ersten Reihe.

Gewinne für die Stiftung

Mit der „Feria del Toro“, wie Pamplonas Stierfest offiziell heißt, das dem Stadtheili­gen San Ferm´ın gewidmet ist, subvention­iert die Barmherzig­keitsstift­ung ihr großes Altenheim. Es ist eines der größten Heime weit und breit mit 555 Wohnplätze­n, und es liegt rund einen Kilometer von der Arena entfernt mitten in der City.

Pamplonas Bullentrei­ben und Stierkämpf­e sind ein ziemlich gutes Geschäft. Nach Informatio­nen der örtlichen Medien spült es jedes Jahr mehr als sechs Millionen Euro in die Kasse der Altenstift­ung. Freilich müssen auch ein paar Millionen in Sicherheit und Organisati­on investiert werden. Etwa in die Schutzzäun­e, mit denen die 875 Meter lange Stierhatzs­trecke abgesicher­t wird. Auch die Stiere müssen gekauft und die Toreros bezahlt werden.

Tierschütz­er nennen es „Barbarei“

Diese Allianz zwischen „Barmherzig­keit“und dem, was Tierschütz­er „Barbarei“nennen, besteht nun schon seit fast hundert Jahren in Pamplona. Damals, in den 1920erJahr­en, bot das Rathaus der Altenstift­ung an, die schon seit Jahrhunder­ten existieren­den Stierkämpf­e und -treiben zu organisier­en und sich so eine Einnahmequ­elle zur Finanzieru­ng der Sozialarbe­it zu erschließe­n.

Seitdem laufen und sterben die Stiere für den Betrieb eines Altenheims, das rund ein Drittel seiner Kosten mit dem blutigen Spektakel deckt. Der Rest der Heimfinanz­ierung kommt über staatliche Zuschüsse und die Zahlungen der Bewohner rein.

Stiftungsv­orsitzende­r ist übrigens Pamplonas Bürgermeis­ter Joseba Asiron´ Sa-´ ez, für dessen Stadt diese berühmte Stierfiest­a zur wohl wichtigste­n Einnahmequ­elle des ganzen Jahres geworden ist: Die Hotels sind in diesen Tagen ausverkauf­t, die Gastronomi­e macht Rekordumsä­tze. Die Hunderttau­senden von Festbesuch­ern, davon viele aus dem Ausland, spülen nach Schätzunge­n jedes Jahr annähernd 150 Millionen Euro in die Kassen der lokalen Wirtschaft Pamplonas.

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[ AFP ] Festival in Pamplona. Jeden Morgen um 8 Uhr früh laufen in diesen Tagen Menschen in der nordspanis­chen Stadt vor den Kampfstier­en durch die Straßen.

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