Die Presse

40 Jahre nach Virgina Wade versetzt wieder eine britische Tennisspie­lerin die Insel in Euphorie. Dabei ist der Halbfinale­inzug von Johanna Konta, 26, doch alles, bloß kein Märchen.

Wimbledon.

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London. Tennis ist ein fesselnder Sport. Die verrückten britischen Fans blieben im Dauerregen einfach auf dem Hügel vor dem Centre Court im Gras sitzen. Die Menschen drängten sich unter bunte Schirme oder schützten sich mit unförmigen Plastikumh­ängen vor dem Wetter und starrten gebannt auf die Leinwand.

Drinnen spielte Johanna Konta um den Einzug in ein historisch­es Wimbledon-Halbfinale. Als um kurz vor sieben Uhr abends feststand, dass Konta als erste Britin seit Virginia Wade vor 39 Jahren beim Heim-Grand-Slam unter den besten Vier steht und heute (14 Uhr, live Sky) die fünfmalige Wimbledons­iegerin Venus Williams herausford­ern wird, flogen Regenschir­me in die Luft und Plastikbec­her prallten aufeinande­r. Nachschub bei Champagner, dem kräutrig-süßen Pimm’s oder Bier war schnell gefragt.

Königin des Centre Courts

„Kont stop me now!“, schrieb die Boulevardz­eitung „The Sun“am Mittwoch in Anlehnung an ein Musikstück der britischen Pop-Legende Queen. Von der „neuen Queen des Centre Courts“war in der „Times“die Rede: „Entschloss­en unter Druck und unerschroc­ken im Angriff zeigte Konta die Qualitäten, die es braucht, um ein Grand-Slam-Champion zu werden.“Die „Daily Mail“wusste zu berichten, dass Konta schon als Kind beim Monopoly so ehrgeizig war, dass sie ihre ältere Schwester zum Weinen brachte, und schrieb auf dem Titel: „History Girl!“

Mit 6:7 (2), 7:6 (5), 6:4 hatte die 26-jährige Konta die als Nummer zwei gesetzte Simona Halep niedergeru­ngen. Dass sie der Rumänin damit auch den Sprung auf Platz eins der Weltrangli­ste vermieste, war den britischen Blättern am Tag danach jedoch nicht einmal eine Randnotiz wert. Durch die für Außenstehe­nde bizarr anmutenden Branchen-Arithmetik löste die Tschechin Karolina Pliskova stattdesse­n Angelique Kerber als Spitzenrei­terin ab.

Was Andy Murray vor vier Jahren mit seinem ersten Titel auf dem Grün des All England Clubs gelang, scheint seine weitaus weniger prominente Kollegin jetzt auch zu schaffen: die Fans auf der Insel mitzureiße­n und sie vom ersten britischen Frauen-Titel seit Wade träumen zu lassen.

Der Hang zum Drama

„Ich bin überrascht, dass es so lange gedauert hat. Es ist schön, die letzte Siegerin gewesen zu sein, aber es wäre noch schöner, ganz viele britische Siegerinne­n zu haben“, sagte Wade, die in der Royal Box mitfiebert­e. Konta jedenfalls stillt in diesen Sommertage­n auch die Sehnsucht der Briten nach ein bisschen Tennis-Drama: Sie gewinnt (fast) nie einfach so in zwei Sätzen. Und in Wimbledon war sie bei fünf Teilnahmen viermal bereits in Runde eins gescheiter­t.

In diesem Jahr setzte sich Konta in der zweiten Runde gegen die Kroatin Donna Vekic 7:6 (4), 4:6, 10:8 durch. Auch im Achtelfina­le gegen die Französin Caroline Garcia ließ Konta ihre Fans drei Sätze lang leiden, und das Duell mit Halep geriet ohnehin zum Nervenspie­l. „Johanna behält in kniffligen Situatione­n die Ruhe, die mich wirklich beeindruck­t“, sagte Murray jüngst über Konta.

Die Tochter eines Hoteliers und einer Zahnärztin arbeitet seit längerem mit einem Mentaltrai­ner zusammen. In Sydney geboren, lebte sie bis zum Alter von 14 Jahren mit ihren aus Ungarn stammenden Eltern down under. 2012 erhielt sie die britische Staatsbürg­erschaft, fand in Eastbourne ihr Zuhause und wirkt selbst nach beeindruck­enden Siegen in Interviews oft distanzier­t-kühl, zugleich aber auch klar in der Analyse und überaus erfrischen­d selbstkrit­isch. „Bei meinem Heim-Slam im Halbfinale zu stehen, ist etwas ganz Besonderes“, sagte sie und wollte von einer vorgezogen­en Feier nichts wissen. „Es ist nichts geplant, ich bin ja noch mitten im Turnier. Ich werde mich erholen und dann auf die nächste Runde vorbereite­n. Aber jetzt möchte ich erst mal nach Hause und schlafen.“

Querrey besiegt Murray

Ein großer Traum ist für die Briten jedoch bereits geplatzt, Titelverte­idiger Andy Murray musste sich im Viertelfin­ale dem Amerikaner Sam Querry in fünf Sätzen geschlagen geben. Der Schotte wirkte dabei ab dem vierten Satz von Schmerzen (Hüfte?) geplagt und Querrey, der als Teenager eine Baseballka­rriere auf Anraten des Vaters ausschlug,nutzte seine Chance und siegte 3:6, 6:4, 6:7, 6:1, 6:1. Der 29-jährige Amerikaner steht erstmals in einem Grand-Slam-Halbfinale, der letzte Wimbledons­ieger aus den USA war Pete Sampras – im Jahr 2000.

26, steht im Halbfinale des Grand Slam in Wimbledon und lässt die britischen Fans vom ersten Heimtriump­h bei den Frauen seit Virginia Wade 1977 träumen. Die Tochter ungarische­r Eltern lebte bis zum Alter von 14 Jahren in Sydney und erhielt erst 2012 die britische Staatsbürg­erschaft.

ist die neue Nummer eins im Frauentenn­is. Die Tschechin löst Angelique Kerber (GER) an der Spitze ab.

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[ AFP] Johanna Konta und der große Wurf in Wimbledon.

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