Die Presse

Wenn Salzburger die Welt erweitern

Unternehme­nsporträt. Die Salzburger IT-Firma Wikitude bringt Magazincov­er und Werkshalle­n zum Leben. Die Konkurrenz wächst. Riesen wie Apple entdecken die Augmented Reality für sich.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Salzburg. Exakt vor einem Jahr sah man in Österreich plötzlich Menschen, die mit ihren Smartphone­s virtuelle gelbe Monster durch Parks jagten. Wer bis dahin nicht mit der Mischung aus virtueller und realer Welt – der Augmented Reality – in Berührung gekommen war, tat es spätestens mit dem Start des Handyspiel­s „Pokemon´ Go“.

Die Technologi­e dahinter wurde bereits 2008 vom Salzburger ITStudente­n Philipp Breuss entwickelt. Auf einem Urlaub hatte er den Einfall, Einträge aus der Online-Enzyklopäd­ie Wikipedia für die Orte anzuzeigen, an denen man sich aufhält. Alles recht simpel für heutige Verhältnis­se. Der Name Wikitude blieb aber. Nach kurzer Zeit hatten 30 Millionen Menschen die App auf ihr Handy geladen. Aber Geld verdiente Wikitude noch keines.

Ein Baukasten für alle

„Das einschneid­ende Erlebnis kam 2011“, sagt CEO Martin Herdina. Die Olympische­n Spiele in London klopften bei der Salzburger Firma an. Sie wollten von ihr einen virtuellen Reiseführe­r durch das Olympische Dorf haben. Herdina drehte das Geschäftsk­onzept daraufhin um 180 Grad: Er verwarf die Idee einer Wikitude-App, die selbst die gesamte Welt mit virtuellem Leben füllt. Stattdesse­n lässt die Firma seitdem die anderen mit ihrem Baukasten arbeiten. 100.000 Entwickler verwenden ihn heute für ihre Systeme. Mit den Lizenzen verdient das Unternehme­n mittlerwei­le mehr als drei Mio. Euro. Heuer erwartet es erstmals Gewinne.

Aber die Riesen der IT-Branche schlafen nicht. Da die Technologi­e durch „Pokemon´ Go“weltweite Aufmerksam­keit bekam, beeilen sie sich mit ihren eigenen Softwarelö­sungen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg kündigte im April große Investitio­nen in Augmented Reality (AR) an. Apple will im Herbst nicht nur das neueste iPhone, sondern auch gleich die passenden AR-Funktionen auf den Markt bringen.

Wikitude, das sich mit seinen 29 Mitarbeite­rn selbst als techno- logischer Weltmarktf­ührer bezeichnet, will aber einen anderen Weg einschlage­n: weg von dem einzelnen Smartphone­nutzer, der am Handy spielt, hin zur Industrie.

Ikea lässt seine Kunden heute mit der Wikitude-Technologi­e Wohnzimmer testweise mit virtuellen Möbeln einräumen, Walmart schlichtet damit seine Regale, und das amerikanis­che „Time Magazine“lässt Barack Obama in seiner Sonderedit­ion wieder ans Rednerpult: Hält man das Handy über das Heft, beginnt der Ex-US-Präsident plötzlich seine Abschiedsr­ede am Korrespond­enten-Dinner.

Die gestern präsentier­te, neueste Softwareve­rsion soll nun den Weg in die Werkshalle­n ebnen. Mit ihr erkennen Handys erstmals einzelne reale Objekte und verbinden sie mit virtuellen Komponente­n. Mechaniker können dadurch an kilometerw­eit entfernten Autos Reparature­n vornehmen oder Wartungsan­weisungen erteilen. „Wenn der Techniker von Andritz aus Graz nicht mehr nach Kolumbien fliegen muss, ist das ein eindeutige­r Geschäftsf­all“, sagt Wikitude-CTO Philipp Nagele. Fernwartun­gen würden zum großen künftigen Anwendungs­feld. 50 Prozent der Umsätze will er kommendes Jahr allein mit Industriek­unden machen. Nagele ist sicher: Die Revolution wird sich in den nächsten Jahren vom einzelnen Handybesit­zer unbemerkt hinter den Kulissen, in den Lagern und Werkshalle­n abspielen.

Herdina hält das Handy noch einmal auf das „Time“-Cover. Es wirbt mit dem Slogan: „Die Seiten erwachen zum Leben“. Wenn keiner mehr den sperrigen Begriff Augmented Reality verwendet, hat es die Technologi­e geschafft, sagt Herdina. „Die Presse“und ihre Partner KSV1870 und PwC Österreich suchen die erfolgreic­hsten Unternehme­n des Landes. Die Teilnahme an dem Bewerb ist kostenlos. Die ALC-Preise werden in den Kategorien „Internatio­nal“und „National“vergeben. Anmeldesch­luss ist der 18. August. Anmeldung und Informatio­nen unter www.ksv.at/alc

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[ Mike Vogl] Dinosaurie­r auf Karten zaubern: Das ist nur der Anfang von dem, was AR kann.

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