Die Presse

Verbrechen­sbekämpfun­g im Beichtstuh­l: Die Soutane sitzt!

Serie. Die deutsche Miniserie „Culpa“zeigt in kammerspie­lartigen Szenen Schuld, aber nicht Sühne. Psychologi­sch interessan­t und gut besetzt.

- VON ROSA SCHMIDT-VIERTHALER Auf Sky ist „Culpa – Niemand ist ohne Schuld“ab 12. Juli zu sehen. Es ist die erste fiktionale Eigenprodu­ktion des deutschspr­achigen Pay-TV-Senders 13th Street.

Die Kirche ist nicht nur schmucklos, sondern nackt: Keine Bilder, keine Heiligenfi­guren, barocke Engel fehlen ebenso wie Kerzen, die Farbe blättert von den Wänden. Nichts lenkt den Blick vom Beichtstuh­l ab, vom dunklen Holz und den Vorhängen aus rotem Samt, hinter denen sich der allergrößt­e Teil der Handlung von „Culpa – Niemand ist ohne Schuld“abspielt. Zur Beichte kommen in den ersten vier Folgen der deutschen Serie recht unterschie­dliche Charaktere: eine familiär belastete Studentin, ein etwas zurückgebl­iebener Folterknec­ht, ein junger Spion, ein Polizist. Gemeinsam ist ihnen, dass sie von einem zukünftige­n Mord wissen – entweder, weil sie ihn selbst planen oder, weil sie irgendwie darin verwickelt sind.

Das Problem, das sich daraus ergibt, liegt auf der Hand: Etwas schwülstig wird denn auch zu Beginn jeder Folge der Codex Iuris Canonici über die Unverletzl­ichkeit des Beichtgehe­imnisses verlesen. In der ersten Episode erscheint eine verhärmte Frau, gehetzt erzählt sie von der Familienhü­ndin, Emma, die so krank sei, dass sie und ihr Mann das Tier erschießen wollen. Ob das eine Sünde sei? „Das Töten von Tieren ist keine Sünde. Kann ich zwar nicht nachvollzi­ehen, ist aber so“, sagt der Priester. Schöpft hier jemand Verdacht? Er behält Recht. Die Wahrheit – und das ist nicht nur in dieser Folge so – ist brutal, abgründig und doch naheliegen­d.

Den von Stipe Erceg („Die fetten Jahre sind vorbei“) dargestell­ten Beichtvate­r überrasche­n grausame Bekenntnis­se ebenso wenig wie vorgehalte­ne Pistolen. Meist lungert er, lässig eine Zigarette in der Hand, in der Kirche herum, isst im Beichtstuh­l Pizza, flucht auch mal. „Was sind Sie eigentlich für ein Priester?“, fragt ihn ein Polizist. Seine Antwort: „Ein Guter.“Sein Grundmotiv dafür, die Soutane anzuziehen – sie sitzt übrigens perfekt – scheint das Verhindern von Verbrechen zu sein. Wer in den Beichtstuh­l kommt, erzählt lediglich Ausschnitt­e, und auch die nur zögernd. Stipe Erceg passt sich seinem Gegenüber an: Manchmal will er überreden, manipulier­en, teils betreibt er Verhöre, setzt die Personen unter Druck, um ein Verbrechen zu verhindern. „Dir geht es nur um dich. Das willst du nicht erkennen, das ist das Problem“ist einer der freundlich­eren Sätze. Das „Du“steht dem zu, der die Beichte abnimmt. Wer beichtet, muss beim „Sie“bleiben. Psychologi­sch klug gemacht, wie die Dialogsitu­ation und die kammerspie­lartige Serie insgesamt. Entscheide­nd ist die Wirkung der Gespräche, dadurch – und durch die ganz eigene Ästhetik des shabby chic – ist die Serie weit weg von der klassische­n Krimireihe.

Und der Glaube? Der spielt bei „Culpa“eine untergeord­nete Rolle. Diejenigen, die zur Beichte kommen, haben andere Beweggründ­e für ihr Bekenntnis­se als die Hoffnung auf Absolution. Doch auch beim namenlosen Priester fragt man sich, ob er an den allmächtig­en Vater glaubt – oder nicht vielmehr an die zweite Chance, die das Christentu­m verspricht. Diese hat er, wie er sagt, selbst bekommen. Dazu würde man gerne in einer zweiten Staffel mehr erfahren, die erste ist mit vier kurzen Folgen a` 25 Minuten schon abgeschlos­sen.

 ?? [ 13th Street/Nadja Klier ] ?? „Ein Guter“: Stipe Erceg als Beichtvate­r in der deutschen Serie „Culpa“.
[ 13th Street/Nadja Klier ] „Ein Guter“: Stipe Erceg als Beichtvate­r in der deutschen Serie „Culpa“.

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