Die Presse

Vielleicht vor 2025, vielleicht später: Das autonome Fahren kommt

Lokomotivf­ührer, Tramwaylen­ker, Lastwagenc­hauffeur: Über kurz oder lang werden wir das Verschwind­en eines Berufsstan­ds aus der Verkehrswe­lt miterleben.

- VON RUDOLF TASCHNER E-Mails an: debatte@diepresse.com Rudolf Taschner ist Mathematik­er und betreibt zusammen mit Kollegen das math.space im quartier 21, Museumsqua­rtier Wien.

Georg Kapsch, Generaldir­ektor der Kapsch Trafficcom, bezweifelt, „dass 2025 schon 40 Prozent der Autos autonom fahren. Die Technologi­e wird auch erst beim Lkw, dann im urbanen Verkehr und um einiges später auf Landstraße­n funktionie­ren.“

Man darf seine Prognose in Zweifel ziehen, zumal zuletzt Bemerkensw­ertes berichtet wurde: Das schwedisch­e Unternehme­n Einride hat offiziell den ersten Prototypen seines futuristis­ch aussehende­n selbstfahr­enden Lkw vorgestell­t. In diesem elektrisch betriebene­n Gefährt gibt es keinen Platz für einen Fahrer und demgemäß auch keine Fenster. Denn kein einziger Mensch befindet sich in dem Fahrzeug.

Zwar bewegt sich T-Pod, so der Name von Einrides Lastwagen, derzeit nur auf Autobahnen vollständi­g autonom. Nach dem Abfahren von der Autobahn und vor allem im Ortsgebiet wird T-Pod noch von Menschen gelenkt – aber von Fahrern, die weit entfernt in einer Zentrale sitzen und gleichzeit­ig mehrere T-Pods steuern können.

Zwei gegensätzl­iche „Philosophi­en“scheinen beim autonomen Fahren in Konkurrenz zu stehen. Einerseits die eher von europäisch­en Autoherste­llern verfolgte Strategie, die auf einen allmählich­en Übergang zur Automatisi­erung setzen: Zuerst wird automatisc­h eingeparkt, der Wagen im Stau ohne menschlich­en Eingriff nach vorn geschoben; unterstütz­end greifen die von Sensoren gesteuerte­n Bedienungs­systeme beim Fahren ein, bis man sich völlig auf die Algorithme­n des autonomen Steuerungs­systems verlässt und weder das Lenkrad hält noch Pedale betätigt und auch nicht mehr den Verkehr zu beachten braucht.

Anderersei­ts sind die aus dem Silicon Valley stammenden US-Autoherste­ller anscheinen­d davon überzeugt, dass man den Übergang vom menschlich­en zum automatisi­erten Lenken viel abrupter gestalten kann. Welcher der beiden Wege zum autonomen Fahren auch beschritte­n werden mag: Dass die Mobilität in diese Richtung schreiten wird, ist sicher. Vielleicht sogar schneller, als manche erhoffen oder befürchten.

Jedenfalls werden mit großer Wahrschein­lichkeit noch vor 2025 viele Landwirte ihre Traktoren nicht mehr selbst fahren. Die Automatisi­erung landwirtsc­haftlicher Maschinen kann auch deshalb sehr schnell voranschre­iten, weil bei ihnen Rechtsfrag­en eine viel geringere Rolle spielen als beim Straßenver­kehr.

Darum wird auch beim Schienenve­rkehr sehr rasch die Automatisi­erung Einzug halten. Es mag einem psychologi­schen Moment geschuldet sein, dass man zur Beruhigung der Passagiere noch einen Lokomotivf­ührer an die Spitze eines Zuges setzt. In Wahrheit ist der Lokomotivf­ührer mit Casey Jones, einem Fernsehser­ienhelden meiner Kindertage, als Säulenheil­igem ein aussterben­der Beruf. Wohl in Kürze, vielleicht noch vor 2025, gefolgt von dem des Fahrers von Lastkraftw­agen und Sattelschl­eppern.

Und dass beim Verkehr mit Personenkr­aftwagen das autonome Fahren Einzug hält, ist als Segen, nicht als Fluch zu betrachten: Jenen, die unbedingt glauben, selbst das Lenkrad in der Hand behalten zu müssen, bleibt dies ja unbenommen. Über kurz oder lang werden sie feststelle­n, dass sie dabei einem Steckenpfe­rd frönen.

Selbst wenn diese Entwicklun­g nicht abrupt einsetzt und sich erst allmählich abzuzeichn­en beginnt, ist doch bereits jetzt von den wirtschaft­spolitisch­en Akteuren darüber nachzudenk­en, welche neuen Berufsfeld­er sich durch die digitale Durchdring­ung der Mobilität eröffnen. Dass bei Einrides T-Pod die Lastwagenf­ahrer zwar nicht mehr die Straßen entlangfah­ren, sondern in Verkehrsze­ntralen vor Bildschirm­en hocken, darf man nur als Übergangsl­ösung im Zuge des Versinken eines Berufsstan­ds betrachten.

Eine verantwort­liche Wirtschaft­spolitik muss bereits jetzt Ausschau halten, welche Bedürfniss­e die Mobilität der Zukunft bei den Menschen hervorrufe­n wird, denen mit neuen Berufen sinnvoll Rechnung getragen wird.

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