Vielleicht vor 2025, vielleicht später: Das autonome Fahren kommt
Lokomotivführer, Tramwaylenker, Lastwagenchauffeur: Über kurz oder lang werden wir das Verschwinden eines Berufsstands aus der Verkehrswelt miterleben.
Georg Kapsch, Generaldirektor der Kapsch Trafficcom, bezweifelt, „dass 2025 schon 40 Prozent der Autos autonom fahren. Die Technologie wird auch erst beim Lkw, dann im urbanen Verkehr und um einiges später auf Landstraßen funktionieren.“
Man darf seine Prognose in Zweifel ziehen, zumal zuletzt Bemerkenswertes berichtet wurde: Das schwedische Unternehmen Einride hat offiziell den ersten Prototypen seines futuristisch aussehenden selbstfahrenden Lkw vorgestellt. In diesem elektrisch betriebenen Gefährt gibt es keinen Platz für einen Fahrer und demgemäß auch keine Fenster. Denn kein einziger Mensch befindet sich in dem Fahrzeug.
Zwar bewegt sich T-Pod, so der Name von Einrides Lastwagen, derzeit nur auf Autobahnen vollständig autonom. Nach dem Abfahren von der Autobahn und vor allem im Ortsgebiet wird T-Pod noch von Menschen gelenkt – aber von Fahrern, die weit entfernt in einer Zentrale sitzen und gleichzeitig mehrere T-Pods steuern können.
Zwei gegensätzliche „Philosophien“scheinen beim autonomen Fahren in Konkurrenz zu stehen. Einerseits die eher von europäischen Autoherstellern verfolgte Strategie, die auf einen allmählichen Übergang zur Automatisierung setzen: Zuerst wird automatisch eingeparkt, der Wagen im Stau ohne menschlichen Eingriff nach vorn geschoben; unterstützend greifen die von Sensoren gesteuerten Bedienungssysteme beim Fahren ein, bis man sich völlig auf die Algorithmen des autonomen Steuerungssystems verlässt und weder das Lenkrad hält noch Pedale betätigt und auch nicht mehr den Verkehr zu beachten braucht.
Andererseits sind die aus dem Silicon Valley stammenden US-Autohersteller anscheinend davon überzeugt, dass man den Übergang vom menschlichen zum automatisierten Lenken viel abrupter gestalten kann. Welcher der beiden Wege zum autonomen Fahren auch beschritten werden mag: Dass die Mobilität in diese Richtung schreiten wird, ist sicher. Vielleicht sogar schneller, als manche erhoffen oder befürchten.
Jedenfalls werden mit großer Wahrscheinlichkeit noch vor 2025 viele Landwirte ihre Traktoren nicht mehr selbst fahren. Die Automatisierung landwirtschaftlicher Maschinen kann auch deshalb sehr schnell voranschreiten, weil bei ihnen Rechtsfragen eine viel geringere Rolle spielen als beim Straßenverkehr.
Darum wird auch beim Schienenverkehr sehr rasch die Automatisierung Einzug halten. Es mag einem psychologischen Moment geschuldet sein, dass man zur Beruhigung der Passagiere noch einen Lokomotivführer an die Spitze eines Zuges setzt. In Wahrheit ist der Lokomotivführer mit Casey Jones, einem Fernsehserienhelden meiner Kindertage, als Säulenheiligem ein aussterbender Beruf. Wohl in Kürze, vielleicht noch vor 2025, gefolgt von dem des Fahrers von Lastkraftwagen und Sattelschleppern.
Und dass beim Verkehr mit Personenkraftwagen das autonome Fahren Einzug hält, ist als Segen, nicht als Fluch zu betrachten: Jenen, die unbedingt glauben, selbst das Lenkrad in der Hand behalten zu müssen, bleibt dies ja unbenommen. Über kurz oder lang werden sie feststellen, dass sie dabei einem Steckenpferd frönen.
Selbst wenn diese Entwicklung nicht abrupt einsetzt und sich erst allmählich abzuzeichnen beginnt, ist doch bereits jetzt von den wirtschaftspolitischen Akteuren darüber nachzudenken, welche neuen Berufsfelder sich durch die digitale Durchdringung der Mobilität eröffnen. Dass bei Einrides T-Pod die Lastwagenfahrer zwar nicht mehr die Straßen entlangfahren, sondern in Verkehrszentralen vor Bildschirmen hocken, darf man nur als Übergangslösung im Zuge des Versinken eines Berufsstands betrachten.
Eine verantwortliche Wirtschaftspolitik muss bereits jetzt Ausschau halten, welche Bedürfnisse die Mobilität der Zukunft bei den Menschen hervorrufen wird, denen mit neuen Berufen sinnvoll Rechnung getragen wird.