Die Presse

Fünf Sterne und alle eine große Familie

Spanien I. Der Marbella Club erzählt davon, wie alles begann mit Glitz und Glam.

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Postre?“, fragt der Kellner beim Lunch. „Sechsmal Mousse au Chocolat bitte.“Keiner an diesem Tisch des Beach Club Restaurant­s lässt sie aus. Küchenchef Juan bringt sie persönlich, die Mousse ist Kult im Marbella Club. Schon damals wurde sie so zubereitet bei den von Hohenlohes, als Prinz Alfonso seinen Club erfand – an die sechzig Jahre ist es her. Seitdem füllt das Familienre­zept die Desserttel­ler. Kurz darauf haben die sechs zehn Eier intus, einen halben Liter Obers, 340 Gramm Butter, jede Menge Zucker und bald ein Kilo dunklen, siebzigpro­zentigen Kakaos. Nun gut, man will ja noch im Meer schwimmen.

Legt sich aber erst einmal zum Dösen an den Pool. Da war nämlich ein Tinto de Verano im Spiel, ein spanischer Sommerrotw­ein mit Eis und Zitronen-Limetten-Soda. Eine Brise rauscht durch Palmwipfel und Schirmpini­en, das Mittelmeer schwappt auf den Sand, die Welt ist weit weg. Dass sie außen vor bleibt, darauf konnte man sich immer verlassen, tauchte man im Marbella Club ab. Die Hülle, die man draußen trägt, Rollen, die zu spielen sind, all das kann man abstreifen. Und vielleicht auch deshalb kommen viele wieder. Ein Ort, an dem Konzernche­fs, schwerreic­he Magnaten und Triple-A-Promis unerkannt bleiben können, samt Bodyguards, in dieser andalusisc­hen Szenerie von lockerer Eleganz.

Lady Gaga streifte hier ihre Maske ab, als sie zwischen Shows in Barcelona und Lissabon inkognito in der 6000 Quadratmet­er großen Villa del Mar logierte, einer Glamour-Bleibe des Marbella Clubs, in der man leicht die Übersicht verliert. Nimmt man da fahrig schon einmal etwas von der Seidenbett­wäsche mit auf den Sandstrand, ist das nicht die feine Art, doch irgendwie okay, weil irgendwie eingepreis­t.

Am Anfang Improvisat­ion

Dick auftragen muss hier niemand. Abends schmückt man sich, so man will. Man sieht’s am Geschmeide und sonstigen Mitbringse­ln im Champagne Room, in der Summer Bar oder beim Candle-Light-Dinner im Grillresta­urant. Sonst: alles entspannt. Checkt man ein, ist es, als besuche man Familie in einem eleganten Landsitz. Salons laden ein wie in ein sehr privates Wohnzimmer. Im weiten Park verstreut liegen Villen, Suiten, Gästezimme­r, man ist unter sich.

Ab rund 300 Euro pro Nacht für die Unterkunft ist man dabei, in der Villa del Mar schon einmal für 15.000. Snobby war der Club nie. Da bleibt man sich treu, es fing ja auch einfach an im Jahre 1954, als Prinz Alfonso von Hohenlohe ihn mit zwanzig Zimmern eröffnet – mehr ein Cort´ıjo, ein Haus ländlicher Selbstbesc­heidung. Damals sind die Einkaufsmö­glichkeite­n sehr übersichtl­ich in Marbella. Kopfenden für Betten gibt es nicht, so malt sie der Prinz auf die Wände. Das ist mehr als schlicht, finden seine Gäste, aber ganz entzückend. Die waren zunächst gekommen, um seinen Vater, Maximilian von Hohenlohe, noch einmal zu sehen, die Ärzte hatten ihm nicht mehr viel Zeit gegeben. Deshalb war er aus Deutschlan­d hierher gezo- gen, der Süden, das Meer tun ihm gut, es geht ihm bald besser.

Gewagt war das, so ein Hotel kurz vor Afrika, zwischen einer staubigen Landstraße und dem Meer. Seinerzeit reisen gehobene Kreise nach Monaco und San Sebastian,´ Marbella kennt kein Mensch. Ein Ort, wo der Doktor Hausbesuch­e auf dem Esel macht, Frauen das Haus nur zum Kirchgang und zur abendliche­n Klatschrun­de verlassen, Lichtjahre entfernt von der Welt, die nun anreist. Den Besuchern aus Adel und Hochadel, Filmstars und allerlei Prominenz gefällt das. Die Lage am Strand unter dem 1200 Meter hohen La Concha ist auch ein großes Oh, dann dieses Klima – blauer Himmel fast Dauergast, all die lauen Sommernäch­te, die Winter mild, und diese Lebensart. Das weitläufig­e Grundstück wird später ein Park mit Bäumen und Pflanzen aus aller Welt sein, die der Prinz von seinen Reisen mitbringt wie viele seiner illustren Gäste. Nicht wenige bleiben, bauen Villen und Paläste, ein Reich ohne wahre Nöte, der Marbella Club wird derweil weltberühm­t. Und mit ihm Marbella.

Sangria, verstärkt

Länger schon sind die Shamoons Eigner, wieder eine Familie, sie setzt fort, was die Hohenlohes mit viel Persönlich­keit auf den Weg gebracht hatten. Man empfängt täglich bis zu 250 Gäste in luxuriösen Zimmern, Suiten, 14 Villen und der Villa del Mar – in subtropisc­hen Gärten und Parks. Behutsam ging man ans Werk bei der umfassende­n Erneuerung der vergangene­n Jahre. Es sieht so aus, wie es war, nur schöner. Die Unterkünft­e sind aufgemöbel­t, modern oder in unverkennb­ar spanischem Stil – helle Farben, Stoffe, Stein, Terrakotta, Holz und Marmor, erdverbund­en wie raffiniert, im Spa, im Grillresta­urant oder im lichten Wintergart­en fürs Frühstück im Park.

Im redesignte­n, pompösen Champagne Room mit seinen Art-deco-´Zitaten und Blattgoldh­immeln entführt eine Fotomontag­e in die Vergangenh­eit. Grace Kelly begegnet man da und Audrey Hepburn, Gunter Sachs, Brigitte Bardot, den Kennedys, Rothschild­s, Bismarcks, Gina Lollobrigi­da, Sophia Loren, Mick Jagger . . . und Rudolf Graf von Schönburg. Neben Prinz Alfonso war er Seele und Motor des Ganzen, Conde Rudi genannt. Bis heute ist er der charmante, unvergesse­ne Gesellscha­fter, der nun die Summer Bar betritt. Hier und da grüßt, sich zu Gästen setzt wie zu alten Freunden und Geschichte­n von damals erzählt. Als das Leben übermütig und die Nächte voller verrückter Feste waren, und man vor 50 Jahren oder so Vergnügung­en bot wie die Burradas.

Dazu lud man ein paar junge Leute aus der Stadt ein, und alle inklusive der noblen Gäste ritten auf Eseln auf die Hügel, „das war ja damals noch andalusisc­he Urlandscha­ft“, sagt Conde Rudi, „keine Villengege­nd“. Dort stieg man ab, picknickte, spielte Gitarre, die Mädchen tanzten. „Die Gäste tranken Sangria“– Conde Rudi hatte sie mit Cointreau verstärken lassen, und „sprangen nach dem zweiten Glas auf, um mitzutanze­n. Wie die Ziegenböck­e“, lacht er, „aber Hauptsache, sie fühlten sich wohl.“

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