Die Presse

Drama um Obamacare am Kapitol

USA. Präsident Trump und die Republikan­er wollten die Aufhebung der Gesundheit­sreform im Senat durchpeits­chen. Sie rangen um eine Mehrheit – und zählten auf die Stimme John McCains.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. In Washington werden in diesen Hochsommer­tagen Erinnerung­en an Edward Kennedy wach, den „Löwen“des Senats und Bruder John F. Kennedys, der vor bald acht Jahren einem Hirntumor erlag. Obamacare, die Gesundheit­sreform Barack Obamas, erlebte der legendäre demokratis­che Senator nicht mehr – er starb sieben Monate vor dem Beschluss des Gesetzes, für das er sich zeit seines politische­n Lebens so vehement eingesetzt hatte.

In der Nacht zum Mittwoch wollte John McCain, sein Freund und politische­r Rivale, auf das Kapitol zurückkehr­en, um mitzuhelfe­n, das Ende von Obamcare zu besiegeln. Aufmunteru­ngsrufe und Ovationen waren dem 80-jährigen republikan­ischen Veteranen aus Arizona sicher, der vor zehn Tagen dieselbe niederschm­etternde Diagnose erhalten hatte wie Teddy Kennedy und sich vor einer Woche einer Krebsopera­tion unterzog.

Die Politik ist sein Lebenselix­ier, und schon kurz nach dem Eingriff in der Mayo-Klinik in Phoenix diskutiert­e er mit einem Freund, dem Senator Lindsey Graham, am Telefon bereits wieder über drängende außenpolit­ische Fragen und die Chancen für eine Aufhebung der Gesundheit­sreform Obamas und den Spalt, der durch die Reihen der Republikan­er geht; zwischen dem moderaten Flügel, der den Gesetzesen­twurf als zu radikal ablehnt, und den Hardcore-Konservati­ven, denen die Einsparung­en nicht weit genug gehen.

Skeptiker in „Grand Old Party“

John McCains Stimme ist möglicherw­eise entscheide­nd für einen Durchbruch im Senat. Die Republikan­er verfügen in der zweiten Parlaments­kammer mit 52 gegenüber 48 Sitzen aufseiten der Demokraten ohnehin nur über eine sehr knappe Mehrheit. Unter ihren Abgeordnet­en lehnen mehrere die ersatzlose Abschaffun­g von Obamacare weiterhin strikt ab – trotz der Pressionen und der öffentlich­en Drohungen des Präsidente­n.

„Susan Collins kommt ja aus Maine“, sagte Donald Trump in Anspielung auf den liberalen Neuengland­staat über die entschie- denste Verfechter­in von Obamacare unter den Republikan­ern. Trump nannte aber auch andere Skeptiker in der „Grand Old Party“beim Namen, um den Druck auf sie zu erhöhen. Auch Vizepräsid­ent Mike Pence redete den Senatoren ins Gewissen. Die zeigten sich indes nur mäßig beeindruck­t. Im Fall eines Patts würde die Stimme Pences den Ausschlag geben.

Der Präsident strich den Abgeordnet­en einstweile­n sogar die Sommerpaus­e, um so doch noch einen Erfolg zu erzwingen. Sieben Jahre hatten die Republikan­er für eine Aufhebung der Gesundheit­sreform gekämpft, im Wahlkampf war es ihr zentrales Verspreche­n. Einen überzeugen­den Gegenentwu­rf haben sie indes nie vorgelegt.

Monatelang wogt die Debatte im Kongress, das Drama um Oba- macare, nun schon hin und her. Im Repräsenta­ntenhaus errangen die Republikan­er im zweiten Anlauf schließlic­h doch noch eine Mehrheit, was sie im Weißen Haus standesgem­äß feierten.

Sessions im Visier Trumps

Im Senat ist die Mehrheitsf­indung komplizier­ter. Wegen der Operation McCains hatte Mitch McConnell, der Fraktionsc­hef der Republikan­er, das Votum in der Vorwoche verschoben. Bis zuletzt herrschte aber Unklarheit über das Prozedere. Zunächst wollten die Senatoren nur debattiere­n, ob sie überhaupt eine Abstimmung ansetzen sollten – und danach, welche Gesetzesvo­rlage zur Abstimmung kommen sollte. Ein Minimalkom­promiss sah eine Abschaffun­g vor, die erst in zwei Jahren in Kraft tre- ten sollte. Dagegen sperrten sich Collins und Konsorten.

Der Kongress war am Dienstag zwar der Hauptschau­platz, doch die Nebengeräu­sche aus dem Weißen Haus übertönten zunächst das Gemauschel hinter den Kulissen auf dem Kapitol. Die Aussagen des Trump-Schwiegers­ohns Jared Kushner über dessen RusslandCo­nnection vor einem Untersuchu­ngsausschu­ss des Senats blieben weiterhin Gesprächst­hema in Washington. Noch brisanter waren freilich Gerüchte über eine Ablöse des Justizmini­sters, Jeff Sessions, die der Präsident mit mehreren Tweets über den „angeschlag­enen“Ressortche­f befeuerte. Seine Tage scheinen gezählt. Als Ersatzkand­idaten, hieß es, stünden TrumpFreun­d „Rudy“Giuliani und Senator Ted Cruz bereit.

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[ AFP ] John McCain wollte nur eine Woche nach seiner Tumoropera­tion wieder im Washington­er Machtpoker mitspielen.

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