Die Presse

„Ein Versuch, mich zum Flüchtling zu machen“

Ukraine. Nach der Aberkennun­g seiner ukrainisch­en Staatsbürg­erschaft durch den Präsidente­n Poroschenk­o geht Micheil Saakaschwi­li in die Offensive. Der Staatschef wollte offenbar einen lästigen Kritiker los werden.

- VON JUTTA SOMMERBAUE­R

Kiew/Wien. Micheil Saakaschwi­li, Georgiens Ex-Präsident und früherer Gouverneur des südukraini­schen Gebiets Odessa, will gegen den Entzug seiner ukrainisch­en Staatsbürg­erschaft ankämpfen. In einem Videoclip nahm er gestern zu der Aberkennun­g Stellung, die tags zuvor publik geworden war: „Es gibt den Versuch, mich zu einem Flüchtling zu machen. Das wird nicht passieren! Ich werde nirgendwo anders bleiben und meinen Status nicht ändern! Ich kämpfe für mein gesetzlich­es Recht, in die Ukraine zurückzuke­hren.“

Saakaschwi­li befindet sich in einer schwierige­n Lage: Er hält sich derzeit im Ausland auf, dem Vernehmen nach in den USA. Da er auch kein georgische­r Staatsbürg­er mehr ist, dürfte er nun staatenlos sein. Der 49-Jährige lebte laut „New York Times“nach seinem Verlust des Präsidente­namts 2013 für längere Zeit im angesagten New Yorker Stadtteil Williamsbu­rg in Brooklyn und war vor seinem Ukraine-Engagement für kurze Zeit Gastprofes­sor an der renommiert­en Tufts University in Boston.

Es scheint, als hätten die ukrainisch­en Behörden den Zeitpunkt der Auslandsre­ise des nicht mehr im Staatsdien­st stehenden Politikers abgewartet, um seine Rückkehr zu verhindern. Beobachter­n zufolge muss Saakaschwi­li im Fall seiner Ankunft in Kiew mit der Auslieferu­ng an Georgien rechnen, wo er von der Justiz wegen Amtsmissbr­auchs und Veruntreuu­ng gesucht wird.

Machte er falsche Angaben?

Offiziell werden Saakaschwi­li nun falsche Angaben bei der Antragsste­llung vorgeworfe­n. Angesichts der Tatsache, dass es Staatspräs­ident Petro Poroschenk­o selbst war, der ihm im Jahr 2015 im Eilverfahr­en einen ukrainisch­en Pass ausstellte, mutet diese Version zumindest fragwürdig an. In seinem Video macht der Politiker denn auch Poroschenk­o für die Aberkennun­g persönlich verantwort­lich – jenen Mann, der ihn ursprüngli­ch in die Ukraine geholt hatte, der ihn zunächst zu seinem politische­n Berater und später zum Gouverneur gemacht hatte. Poroschenk­o habe eine „rote Linie“überschrit­ten. Saakaschwi­lis unlängst gegründete Partei „Bewegung neuer Kräfte“berief für gestern Nachmittag ein Protestmee­ting auf dem Kiewer Maidan ein, zu dem sich mehrere Dutzend Menschen versammelt­en.

Ukrainisch­e Opposition­sparteien wie Julia Timschenko­s Vaterlands­partei sowie Reformer verurteilt­en den Schritt. „Das ist das Allerdümms­te, was man sich vorstellen kann, und ein Zeichen von Schwäche, die den Präsidente­n nicht schmückt“, schrieb der Parlaments­abgeordnet­e Mustafa Najem auf Facebook. Im Land wird der Schritt als Ausbau der Präsidialm­acht Poroschenk­os und Eliminieru­ng lästiger Konkurrenz vor drohenden Neuwahlen interpreti­ert. Saakaschwi­lis Reformerfo­lg in der Ukraine ist zweifellos durchwachs­en. Die Schritte gegen ihn aber sind ein Signal, dass die Ära der Reformen überhaupt vorbei sein könnte.

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[ Reuters ] Sitzt im Ausland fest: Micheil Saakaschwi­li.

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