Das Duell der „Elefanten“in Nairobi
Kenia. Uhuru Kenyatta gegen Raila Odinga: Bei der Präsidentenwahl am 8. August tragen die Söhne den Kampf ihrer Väter aus – und viele fürchten, dass er neuerlich in Gewalt ausarten könnte.
Die schwarze Box am Eingang des Verteidigungsministeriums in Nairobi wirft ein Schlaglicht auf eine Geißel Kenias, des ehemaligen Vorzeigelandes Ostafrikas, das es laut jüngstem Index geschafft hat, sich aus der Liga der ärmsten Staaten der Welt herauszukatapultieren. In dem Kasten sollen die Kenianer ihre Beschwerden über die grassierende Korruption deponieren, was UNOrganisationen und westliche NGOs gewiss mit Zufriedenheit registrieren. Ausgerottet ist die Bestechung indessen längst nicht.
Im Laufe der Jahre hatten sich Parlamentarier, Gouverneure und Minister ein selbst für westliche Verhältnisse großzügiges Salär spendiert, das sie nun unter Rücksicht auf den Wahlkampf ein wenig reduziert haben. Viel Geld fließt derweil in die Wahlwerbung, um die Stammklientel – die einzelnen Stämme der nach wie vor tribalistisch geprägten Gesellschaft – zu den Urnen zu treiben. Im Norden Kenias, in der von der Dürre heimgesuchten Provinz Marsabit, einer dünn besiedelten und historisch vernachlässigten Region, klagen die Nomaden derweil, dass die versprochene Nothilfe aus Nairobi weitgehend versiegt ist.
Überall im Land prangen die Köpfe der Kandidaten überlebensgroß von den Masten, und die Präsidentschaftsbewerber schweben mit dem Hubschrauber zu den Kundgebungen und wirbeln mit den Rotoren eine Menge Staub auf. Die Kampagne für die Wahlen am 8. August geht in die Endphase, der Konfrontation haftet ein Dej`ˆa-vuEffekt an.
Dominierende Clans
Uhuru Kenyatta gegen Raila Odinga, so lautet das Duell der „Elefanten“, der beiden großen Gegner. Beide entstammen den bestimmenden Politdynastien des Landes. Der Vorname des Präsidenten deutet auf den Freiheitskampf gegen die britischen Kolonialherren hin: Uhuru heißt Freiheit auf Suaheli. Zwei Jahre nach dessen Geburt, 1963, erlangte Kenia die Unabhängigkeit von London, und Jomo Kenyatta führte als Präsident die Geschicke Kenias bis zu seinem Tod 1978 und häufte ein Vermögen für seinen Familienclan an.
Sein Sohn Uhuru gilt als reichster Mann des Landes, das Firmen- imperium umfasst Banken, Farmen, Luxushotels und einen Milchkonzern. Uhuru Kenyatta machte sich als Finanzminister einen Namen, ehe er als Präsident 2013 das politische Erbe seines Vaters antrat. Raila Odinga, der in der DDR studiert hatte, hat sich schon drei Mal erfolglos um das höchste Amt beworben. Vor fünf Jahren unterlag er Kenyatta. Nach einem politischen Kuhhandel hatte der mehrfache Minister zwischendurch vier Jahre lang als Premier agiert.
Der 72-Jährige will es nun ein letztes Mal versuchen, wie er beteuert – und womöglich Revanche üben. Schon sein Vater, Oginga Odinga, hatte in den Anfangsjahren als Vizepräsident unter Jomo Kenyatta gedient, ehe sich die beiden Stammesführer entzweiten. Kenyatta repräsentiert die Kikuyu, den größten unter den 42 Stämmen Kenias; Odinga vertritt die Luo, die drittgrößte Ethnie.
Gegen die Jubilee-Koalition Kenyattas, der ein Bündnis mit seinem Vizepräsidenten William Ruto vom Stamm der Kalenjin eingegangen ist, schmiedete Odinga ein breites Oppositionsbündnis, das dem Präsidenten durchaus gefährlich werden könnte. In Umfragen ist dessen Vorsprung zusammengeschrumpft. Umso verwunderlicher war es daher, dass Kenyatta neulich zum TV-Duell gegen Odinga nicht auftauchte. Sein Herausforderer hatte eineinhalb Stunden lang die ungeteilte Aufmerksamkeit. Im Kenyatta-Lager greift zunehmend Nervosität um sich.
Wie ein Glaubensbekenntnis
In Kenia herrscht Angst vor Wahlmanipulationen und einer Eruption der Gewalt wie nach der Wahl vor zehn Jahren, als ein aufgehetzter Mob mit Macheten und Pfeilen gegen die Kikuyu vorging – die wiederum blutige Rache nahmen. Mehr als 1000 Menschen fielen den Unruhen zum Opfer. Ruto und Kenyatta – damals Gegner, heute Partner – waren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt, gingen aber aus Mangel an Beweisen straffrei aus.
Kenyatta gegen Odinga – das ist wie ein politisches Glaubensbekenntnis in Kenia. Rache Ibrahim, Generalvikar in Marsabit, wünscht sich indes ein Ende des Machtkartells und der alten Cliquen. „Es macht keinen Unterschied, wer von beiden regiert. Wir brauchen einen Wandel, ein neues Gesicht.“