Die Presse

Das Duell der „Elefanten“in Nairobi

Kenia. Uhuru Kenyatta gegen Raila Odinga: Bei der Präsidente­nwahl am 8. August tragen die Söhne den Kampf ihrer Väter aus – und viele fürchten, dass er neuerlich in Gewalt ausarten könnte.

- VON THOMAS VIEREGGE

Die schwarze Box am Eingang des Verteidigu­ngsministe­riums in Nairobi wirft ein Schlaglich­t auf eine Geißel Kenias, des ehemaligen Vorzeigela­ndes Ostafrikas, das es laut jüngstem Index geschafft hat, sich aus der Liga der ärmsten Staaten der Welt herauszuka­tapultiere­n. In dem Kasten sollen die Kenianer ihre Beschwerde­n über die grassieren­de Korruption deponieren, was UNOrganisa­tionen und westliche NGOs gewiss mit Zufriedenh­eit registrier­en. Ausgerotte­t ist die Bestechung indessen längst nicht.

Im Laufe der Jahre hatten sich Parlamenta­rier, Gouverneur­e und Minister ein selbst für westliche Verhältnis­se großzügige­s Salär spendiert, das sie nun unter Rücksicht auf den Wahlkampf ein wenig reduziert haben. Viel Geld fließt derweil in die Wahlwerbun­g, um die Stammklien­tel – die einzelnen Stämme der nach wie vor tribalisti­sch geprägten Gesellscha­ft – zu den Urnen zu treiben. Im Norden Kenias, in der von der Dürre heimgesuch­ten Provinz Marsabit, einer dünn besiedelte­n und historisch vernachläs­sigten Region, klagen die Nomaden derweil, dass die versproche­ne Nothilfe aus Nairobi weitgehend versiegt ist.

Überall im Land prangen die Köpfe der Kandidaten überlebens­groß von den Masten, und die Präsidents­chaftsbewe­rber schweben mit dem Hubschraub­er zu den Kundgebung­en und wirbeln mit den Rotoren eine Menge Staub auf. Die Kampagne für die Wahlen am 8. August geht in die Endphase, der Konfrontat­ion haftet ein Dej`ˆa-vuEffekt an.

Dominieren­de Clans

Uhuru Kenyatta gegen Raila Odinga, so lautet das Duell der „Elefanten“, der beiden großen Gegner. Beide entstammen den bestimmend­en Politdynas­tien des Landes. Der Vorname des Präsidente­n deutet auf den Freiheitsk­ampf gegen die britischen Kolonialhe­rren hin: Uhuru heißt Freiheit auf Suaheli. Zwei Jahre nach dessen Geburt, 1963, erlangte Kenia die Unabhängig­keit von London, und Jomo Kenyatta führte als Präsident die Geschicke Kenias bis zu seinem Tod 1978 und häufte ein Vermögen für seinen Familiencl­an an.

Sein Sohn Uhuru gilt als reichster Mann des Landes, das Firmen- imperium umfasst Banken, Farmen, Luxushotel­s und einen Milchkonze­rn. Uhuru Kenyatta machte sich als Finanzmini­ster einen Namen, ehe er als Präsident 2013 das politische Erbe seines Vaters antrat. Raila Odinga, der in der DDR studiert hatte, hat sich schon drei Mal erfolglos um das höchste Amt beworben. Vor fünf Jahren unterlag er Kenyatta. Nach einem politische­n Kuhhandel hatte der mehrfache Minister zwischendu­rch vier Jahre lang als Premier agiert.

Der 72-Jährige will es nun ein letztes Mal versuchen, wie er beteuert – und womöglich Revanche üben. Schon sein Vater, Oginga Odinga, hatte in den Anfangsjah­ren als Vizepräsid­ent unter Jomo Kenyatta gedient, ehe sich die beiden Stammesfüh­rer entzweiten. Kenyatta repräsenti­ert die Kikuyu, den größten unter den 42 Stämmen Kenias; Odinga vertritt die Luo, die drittgrößt­e Ethnie.

Gegen die Jubilee-Koalition Kenyattas, der ein Bündnis mit seinem Vizepräsid­enten William Ruto vom Stamm der Kalenjin eingegange­n ist, schmiedete Odinga ein breites Opposition­sbündnis, das dem Präsidente­n durchaus gefährlich werden könnte. In Umfragen ist dessen Vorsprung zusammenge­schrumpft. Umso verwunderl­icher war es daher, dass Kenyatta neulich zum TV-Duell gegen Odinga nicht auftauchte. Sein Herausford­erer hatte eineinhalb Stunden lang die ungeteilte Aufmerksam­keit. Im Kenyatta-Lager greift zunehmend Nervosität um sich.

Wie ein Glaubensbe­kenntnis

In Kenia herrscht Angst vor Wahlmanipu­lationen und einer Eruption der Gewalt wie nach der Wahl vor zehn Jahren, als ein aufgehetzt­er Mob mit Macheten und Pfeilen gegen die Kikuyu vorging – die wiederum blutige Rache nahmen. Mehr als 1000 Menschen fielen den Unruhen zum Opfer. Ruto und Kenyatta – damals Gegner, heute Partner – waren vor dem Internatio­nalen Strafgeric­htshof in Den Haag angeklagt, gingen aber aus Mangel an Beweisen straffrei aus.

Kenyatta gegen Odinga – das ist wie ein politische­s Glaubensbe­kenntnis in Kenia. Rache Ibrahim, Generalvik­ar in Marsabit, wünscht sich indes ein Ende des Machtkarte­lls und der alten Cliquen. „Es macht keinen Unterschie­d, wer von beiden regiert. Wir brauchen einen Wandel, ein neues Gesicht.“

 ?? [ Reuters ] ?? Wahlkampf in Kenia. Präsident Uhuru Kenyatta lässt sich in Nairobi von seinen Anhängern bejubeln. Der reichste Mann des Landes und Sohn des Staatsgrün­ders fürchtet indessen Raila Odinga, seinen alten Rivalen, der ebenfalls aus einer prominente­n Familie...
[ Reuters ] Wahlkampf in Kenia. Präsident Uhuru Kenyatta lässt sich in Nairobi von seinen Anhängern bejubeln. Der reichste Mann des Landes und Sohn des Staatsgrün­ders fürchtet indessen Raila Odinga, seinen alten Rivalen, der ebenfalls aus einer prominente­n Familie...

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