Ein Aufstand gegen das verhasste Regime
Demokratische Republik Kongo. Der Konflikt zwischen Armee und Milizen in der Region Kasa¨ı eskaliert, nun wollen die UN die Gräueltaten untersuchen. Präsident Kabila, der sich an die Macht klammert, kommt die Krise nicht ungelegen.
Kinshasa/Wien. Schier unbeschreibliche Gräueltaten in der Demokratischen Republik Kongo gossen die Vereinten Nationen in dieser Woche in eine Zahl: Mehr als 2800 Menschenrechtsverletzungen habe man dieses Jahr bereits gezählt, fast 50 Massengräber gefunden, die meisten davon in der Region Kasa¨ı. UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra’ad al Hussein hatte schon im Juni in Genf anschaulich geschildert, was man sich darunter vorstellen darf: Babys mit abgehackten Gliedmaßen, Schwangere mit aufgeschlitzten Bäuchen, erschlagene oder bei lebendigem Leib verbrannte Dorfbewohner.
Solcherlei Brutalitäten kennt man vor allem aus dem notorisch unruhigen Osten des Riesenstaates, wo sich verschiedene Rebellengruppen und die Armee bekämpfen. Die Krise in Kasa¨ı im Zentrum des Landes ist relativ jung, etwa ein Jahr alt, doch sie eskaliert in einem Tempo, dass sie nun fast alle anderen Konflikte überstrahlt.
Dort kämpft die Armee gegen Rebellen einer (kleineren) Volksgruppe, die sich gegen die Regierung in Kinshasa auflehnt. An Brutalität stehen sich beide Seiten in nichts nach. Während die Kamuina-Nsapu-Rebellen jeden abschlachten, den sie für einen Vertreter der verhassten Behörden halten, brennen Sicherheitskräfte und mit ihnen verbündeten Milizen laut UN wahllos Dörfer nieder und nehmen Zivilisten ins Visier. Auch zwei UN-Mitarbeiter wurden im März in der Region umgebracht – von wem genau, ist noch nicht geklärt.
Am Anfang des Konflikts steht ein Mord: Im August 2016 töteten Soldaten der Armee Kamuina Nsapu, Clanchef und spiritueller Anführer. Seitdem hat sein Volk, die Bajila Kasanga, dem Regime in Kin- shasa den Kampf angesagt. Die katholische Kirche bezifferte die Zahl der Opfer vor Kurzem auf fast 3400 Menschen. Hunderttausende wurden vertrieben. Nun soll ein Expertenteam der Vereinten Nationen die Gräueltaten untersuchen.
Im Sinne der Wahlverzögerung
Doch ganz ungelegen scheint die Krise der Regierung von Präsident Joseph Kabila nicht zu kommen. Während sich im (viel kleineren) Nachbarland Kongo-Brazzaville Kabilas Amtskollege, Denis SassouNguesso, mit seiner Partei gerade als Sieger der Parlamentswahl feiern lässt, nutzt der Herrscher in Kinshasa den Konflikt in Kasa¨ı und die sich verschlechternde Sicherheitslage, um die längst überfälligen Wahlen weiter aufzuschieben.
Kabilas Amtszeit – seine zweite und laut Verfassung letzte – ist offiziell im Dezember 2016 zu Ende gegangen. Doch er ließ nicht neu wählen und provozierte so eine politische Krise, die sich stetig verschärft. Die Unruhe wächst. Der Konflikt in Kasa¨ı steht deshalb auch für die Stimmung im Land.
Kabila selbst verschanzt sich seither in seinem Präsidentenpalast. Kongolesische Bischöfe hatten zwar einen Kompromiss mit der Opposition vermittelt, der vorsieht, dass Kabila bis zu Wahlen im Dezember 2017 als Übergangspräsident im Amt bleiben kann. Doch schon jetzt gilt als unwahrscheinlich, dass der Termin eingehalten werden kann.
Der Chef der Wahlkommission gab Mitte des Monats bekannt, die Wahlen könnten nicht in diesem Jahr abgehalten werden. Die Sicherheitslage lasse dies nicht zu. Und in der Krisenprovinz Kasa¨ı sei die notwendige Wählerregistrierung schlicht nicht möglich. Manche Beobachter warnen bereits vor einem blutigen Bürgerkrieg.